Die Ukraine-Krise und Sanktionen gegen Russland werden das Wirtschaftswachstum in Deutschland dem Präsidenten des ifo-Instituts zufolge auf null drücken. Bereits in den Monaten April bis Juni habe die Entwicklung in der Ukraine einen Rückgang des Wachstums hinterlassen, schrieb Hans-Werner Sinn in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche. Die Annahme, das zweite Quartal dieses Jahres weise gegenüber dem ersten Vierteljahr ein Plus von 0,3 Prozent auf, sei nicht mehr zu halten. Auch das dritte Quartal müsse wohl nach unten revidiert werden. „Das wird dann auch die Jahresprognosen für 2014 und 2015 senken.“
Die EU hatte am Mittwoch weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen. Sie traten am Freitag in Kraft. Damit soll das Land zum Einlenken in der Ukraine-Krise bewegt werden. Die Krise trübt inzwischen die Aussicht von immer mehr deutschen Unternehmen. Wie das ifo-Institut ermittelte, sank die Stimmung im Juli bereits den dritten Monat in Folge. Das gilt als Anzeichen für einen Abwärtstrend in der Konjunkturentwicklung.
Deutschland werde allerdings nicht in eine Krise rutschen, schrieb Sinn. Die Binnenwirtschaft werde von einem ansehnlichen Konsumzuwachs getragen, der Dienstleistungssektor sei stabil und der ifo-Indikator habe im Vergleich zu früheren Vergleichsperioden nur moderat nachgegeben. „Es gibt somit keine Ähnlichkeiten zum Katastrophenjahr 2008.“
Im ersten Quartal war die deutsche Wirtschaft mit einem Plus von 0,8 Prozent so stark gewachsen wie seit drei Jahren nicht mehr. Eine erste Schätzung für das zweite Quartal veröffentlicht das Statistische Bundesamt am 18. August.
Mehrere Euro-Staaten haben bereits angekündigt, dass sie wegen der Russland-Sanktionen die Defizit-Grenzen nicht werden halten können und mehr Schulden machen müssen als geplant (mehr dazu hier).
Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise hat die Bundesregierung einem Zeitungsbericht zufolge ein umfangreiches deutsch-russisches Rüstungsgeschäft endgültig gestoppt. Wie die "Süddeutsche Zeitung" (Montagausgabe) unter Berufung auf ein Schreiben des Wirtschaftsministeriums vorab berichtete, widerrief das von Sigmar Gabriel (SPD) geführte Ressort die von der schwarz-gelben Vorgängerregierung erteilte Genehmigung für den Bau eines Gefechtsübungszentrums (GÜZ) durch die Düsseldorfer Firma Rheinmetall. Das Volumen des Rüstungsgeschäftes betrage rund 100 Millionen Euro.
Das Gefechtsübungszentrum, das in der Stadt Mulino in der Wolga-Region erbaut und noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden sollte, war der Zeitung zufolge zur Ausbildung von Soldaten mit technisch hochentwickelten Simulationsinstrumenten vorgesehen. Pro Jahr hätten bis zu 30.000 Soldaten in einer solchen Anlage ausgebildet werden können. Deutschland gehe mit dem Widerruf der Ausfuhrgenehmigung nun noch über die von der Europäischen Union beschlossenen Sanktionen gegen Russland hinaus. Die Maßnahmen, die unter anderem ein Moratorium für Rüstungsgeschäfte vorsehen und seit Ende vergangener Woche in Kraft sind, schließen eigentlich keine bereits vereinbarten Geschäfte ein.