Politik

Irak: US-Luftwaffe fliegt erste Einsätze gegen IS-Stellungen

Die US-Luftwaffe hat am Freitagnachmittag erstmals irakische Stellungen der Terror-Gruppe Islamischer Staat angegriffen. Die Luftschläge fanden im kurdischen Nordirak statt.
08.08.2014 15:50
Lesezeit: 3 min

Erstmals seit dem rasanten Vormarsch der Milizen des Islamischen Staates (IS) im Irak greifen die USA in die Kämpfe ein. Drei Jahre nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Golfstaat bombardierten Kampfjets am Freitag im Norden Artilleriestellungen der radikalen Moslems.

Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums teilte mit, die Kämpfer der sunnitischen Gruppe hätten zuvor kurdische Peschmerga-Milizen beschossen, die die Hauptstadt der ölreichen Region Erbil verteidigen. Die britische Regierung forderte ihre Landsleute auf, die Stadt und die Region zu verlassen, in der viele westliche Ölfirmen tätig sind. Die US-Luftwaffe warf Versorgungsgüter in der Nähe des Berges Sindschar ab, wohin zehntausende Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden geflüchtet sind. Sie werden von den IS-Kämpfern mit dem Tod bedroht.

US-Präsident Barack Obama hatte in der Nacht zum Freitag vereinzelte Luftangriffe angekündigt: „Wir können vorsichtig und verantwortlich handeln, um einen potenziellen Genozid zu verhindern.“ Die Luftwaffe könne auch die irakische Armee und die Peschmerga dabei unterstützen, die Belagerung des Sindschar aufzubrechen. Dort hatten US-Transportflugzeuge 72 Bündel mit 8000 Essensrationen und Tausende Liter Trinkwasser abgeworfen. Mitarbeiter der US-Regierung kündigten zudem an, den militärischen Nachschub für die kurdische Regionalregierung zu beschleunigen. Auch Frankreich will Militärhilfe leisten. Obama betonte, der Einsatz von US-Bodentruppen sei nicht geplant.

Das Bundesaußenministerium begrüßte, dass die USA und andere Länder die Flüchtlinge versorgten. Entscheidend für einen Erfolg gegen IS sei eine politische Lösung. „Luftschläge alleine werden den Irak nicht befrieden“, hieß es in Regierungskreisen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kündigte Hilfen an: „Wir haben als erste Sofortmaßnahme die humanitäre Hilfe um 2,9 Millionen Euro aufgestockt.“ Es sei aber klar, dass das nicht reichen werde.

Ein Reuters-Fotograf hatte am Donnerstag gesehen, dass über einem Kontrollpunkt nur 45 Kilometer von Erbil entfernt die schwarze Flagge der IS gehisst worden war. Erbil ist der Sitz der kurdischen Regionalregierung, dort leben rund 1,5 Millionen Menschen. Die Regierung der Kurden erklärte aber, ihre Kämpfer machten Boden gut und die „Terroristen“ würden besiegt. Lokale Behörden im Kurdengebiet blockierten allerdings die Nutzung von Online-Netzwerken. Ein Behördenmitarbeiter erklärte, damit sollten Gerüchte gestoppt und Panik verhindert werden.

Die IS gilt als radikaler als die Al-Kaida. Die Organisation mit ihren bis zu 20.000 Kämpfern hat ein Kalifat in Teilen des Iraks und Syriens ausgerufen. Die früher als Isis bekannte Bewegung hatte im Juni ihre Offensive gestartet und weite Teile des nördlichen und westlichen Irak überrannt. Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Ulla Jelpke, hält sich derzeit in den Kurdengebieten auf. „Die Flüchtlinge haben mir von Gräueltaten berichtet, die man kaum beschreiben kann“, teilte sie mit. „Sie haben geschildert, wie ein Ehemann vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder von den IS-Banden geköpft wurde. Frauen werden in Brautkleider gesteckt, vergewaltigt und dann den Angehörigen regelrecht vor die Füße geschmissen.“

Der IS stellt die Menschen in den eroberten Gebieten vor die Wahl zu fliehen oder zu konvertieren. Andernfalls drohe ihnen der Tod. Neben den Jesiden sind auch zehntausende Christen auf der Flucht. Rund 200.000 Flüchtlinge seien in der Stadt Dohuk am Tigris eingetroffen, teilten die UN mit. Nach türkischen Angaben haben zehntausende Menschen auf türkischem Territorium Schutz gesucht.

In Bagdad verstärkte sich angesichts der IS-Erfolge der Druck auf den umstrittenen schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Das geistliche Oberhaupt der Schiiten im Irak, Großajatollah Ali al-Sistani, warf irakischen Politikern vor, für die Krise mitverantwortlich zu sein. Ohne den Namen zu nennen, erklärte er, Politiker, die an ihren Posten klebten, begingen einen "großen Fehler“. Kritiker werfen Maliki vor, für die Krise im Irak mitverantwortlich zu sein, da er die Sunniten aus einflussreichen Ämtern gedrängt und damit für IS empfänglich gemacht habe. Auch die USA und Deutschland bekräftigten, der Irak brauche eine neue Regierung.

Aus Angst vor einem neuen Irak-Krieg verkauften Anleger weltweit Aktien. Der Dax fiel zeitweise um 1,5 Prozent auf den niedrigsten Stand seit Ende Oktober. Die Kriegsangst trieb auch den Ölpreis hoch. Die US-Energiekonzerne Exxon Mobil und Chevron zogen am Donnerstag ausländische Mitarbeiter im Kurdengebiet ab. Die Aktien mehrerer in der Region engagierter Unternehmen fielen am Freitag am zweiten Tag in Folge. Ein Vertreter des österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV gab jedoch eine vorläufige Entwarnung. „Alles ist unter Kontrolle“, sagte ein Sprecher. OMV ist seit 2007 in Kurdistan vertreten. Auch die Lufthansa will vorerst weiter nach Erbil fliegen. Die nächste Maschine hebt am Samstag von Frankfurt ab.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Schwedische Innovation soll Wasserkrise in der Ukraine lösen
21.06.2025

Während Europa über Hilfspakete debattiert, liefern schwedische Firmen sauberes Wasser in eine vom Krieg verwüstete Region. Ist Hightech...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Afrikas Migrationspotenzial: Die globale Ordnung steht vor einer tektonischen Verschiebung
21.06.2025

Afrikas Bevölkerung wächst, während der Westen altert. Millionen gut ausgebildeter Migranten verändern schon heute globale...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands stille Stärke: Wie Rechtsstaat und Verwaltung zum unterschätzten Standortvorteil werden
21.06.2025

Als Max Weber 1922 mit seiner Bürokratie-Theorie die Basis für die deutsche Verwaltung legte, galt sie weltweit als innovatives Vorbild....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Rückschlag für Elektroautos – kommt das Ende wie vor 100 Jahren?
21.06.2025

Vor 100 Jahren verschwanden Elektroautos wegen politischer Entscheidungen von den Straßen. Heute wiederholt sich die Geschichte: Donald...

DWN
Politik
Politik Wie der Westen seine Werte in der Wüste verrät: Big Tech versteckt die Probleme unter glänzenden Fassaden
21.06.2025

Big Tech hofiert autoritäre Regime vom Golf – im Tausch gegen Milliarden, Macht und Rechenzentren. Doch hinter der glitzernden Fassade...

DWN
Politik
Politik Deutschland steht vor dem historischen Aufschwung – aber es gibt ein großes Problem
21.06.2025

Mit der faktischen Abschaffung der Schuldenbremse beginnt Deutschland eine neue Ära – mit enormen Investitionen in Militär,...

DWN
Panorama
Panorama KI-Musik auf dem Vormarsch: Gefahr oder Chance für die Musikbranche?
21.06.2025

KI-Musik verändert die Musikbranche – kreativ, disruptiv, kontrovers. Künstler verlieren Kontrolle und Einnahmen. Doch wie weit darf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Disney gegen die KI: Wem gehört das Internet noch?
21.06.2025

Disney zieht gegen Midjourney vor Gericht – und kämpft nicht nur für Mickey Mouse, sondern für unser digitales Eigentum. Wenn selbst...