Politik

Kanonen statt Butter: Krieg ist kein intelligentes Investment

Der Afghanistan-Einsatz hat den Bund bereits jetzt fast 50 Milliarden Euro gekostet. Das sei völlig unnötig gewesen. Das Geld der Steuerzahler hätte stattdessen für den Ausbau des Internets investiert werden sollen. Somit hätte Deutschland bereits 60 Prozent der Haushalte mit der Infrastruktur der Zukunft ausgestattet.
01.09.2014 00:59
Lesezeit: 3 min

Paul A. Samuelson hat mit seinem Ausspruch, “Kanonen statt Butter„  ein Zitat geprägt, das auf die alternativen Verwendungsmöglichkeiten von Ressourcen hinweisen sollte und das in der oben abgebildeten Grafik dargestellt ist. Demnach geht nicht alles gleichzeitig: Entweder kümmern sich die Gesellschaften um die Ernährung und das Wohlergehen ihrer Bürger, oder sie forcieren den Krieg - aus welchem Grund auch immer.

In Deutschland wird seit längerer Zeit immer wieder die Investitionsschwäche auch im Vergleich zu anderen Ländern beklagt. Die Investitionen sowohl der Privatwirtschaft als auch des Staates lassen schon seit längerem zu wünschen übrig, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berichtet. Insbesondere Investitionen in die Infrastruktur sind im Zuge der Wiedervereinigung und dem Aufbau Ostdeutschlands in großen Teilen Westdeutschlands vernachlässigt worden. Wegen der angestrebten Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur Erreichung der Vorgaben der Schuldenbremse wurden und werden Instandhaltungsinvestitionen bei Verkehrswegen seit Jahren vernachlässigt. Allerdings ist Vorsicht geboten, jetzt schlagartig diesen Investitionsstau aufzulösen.

Neben diesen Erhaltungsinvestitionen müssen auch neue essential infrastructures, wie das Breitband-Internet, auf die zukünftigen Erfordernisse systematisch ausgebaut werden. Die jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Digitale Agenda trägt dem zukunftsweisenden Ausbau nur unzureichend Rechnung. Der geplante flächendeckende Ausbau auf 50 Mb/sec fällt weit hinter den zuvor bereits diskutierten Plänen des systematischen Aufbaus eines Gigabit Netzes zurück. Von den ursprünglich von der Deutschen Telekom anvisierten 4 Millionen Glasfaseranschlüssen in Deutschland bis zum Jahr 2012 sind nur bescheidene 386.000 bis zum Jahresende 2013 realisiert worden. Wegen der Verwendung der veralteten doppeladrigen Kupferkabel auf der letzten Meile sind bisher höhere Bandbreiten von mehr als 100 Mb/sec bis zum Jahr 2017 nicht zu erwarten. Dieser Ausbau wird auf rund 17 Milliarden Euro geschätzt. Die Alternative, ein entsprechender Ausbaus eines flächendeckenden Glasfasernetzes, hätte nach Berechnungen des WIK rund 80 Mrd. Euro gekostet. Damit wäre eine Bandbreite von 1 Gbit/sec ohne Schwierigkeiten machbar.

Nun frage ich mich, warum die diversen Bundesregierungen in den vergangenen Jahren für den aus heutiger Sicht weitgehend sinnlosen Bundeswehreinsatz in Afghanistan nach Berechnungen des DIW Berlin bereits bis zum Jahr 2010 36 Mrd. Euro verschwendet haben. Jedes weitere Jahr kostet rund 3 Mrd. Euro zusätzlich. Mithin liegen bis zum Jahresende die Kosten bereits bei 48 Milliarden Euro. Das wären die Finanzierungskosten gewesen, um mindestens 60% aller deutschen Haushalte bereits jetzt mit Glasfaseranschlüssen zu versehen. Man stünde damit im internationalen Vergleich vermutlich jetzt an dritter Stelle.

Man hätte also bei Verzicht auf dieses Abenteuer ohne weiteres bereits seit Jahren den Ausbau eines leistungsfähigen Hochgeschwindigkeitsnetzes in Deutschland vorantreiben können, wie dies andere Länder, insbesondere Japan und Südkorea, getan haben. In Japan lag nach Berechnungen der OECD im Jahr 2009 die Versorgung der japanischen Haushalte mit Glasfaseranschlüssen bei 86,5% und in Südkorea bei 67%. Auch alle westeuropäischen Länder und die USA liegen beim Ausbau mit Glasfaserkabeln deutlich vor Deutschland.

In Anlehnung an Paul Samuelsons Vergleich zwischen Kanonen und Butter, ist es nicht falsch zu sagen, dass sich unsere Bundestags-Abgeordneten jedoch leider für den Afghanistan-Einsatz und gegen den flächendeckenden Breitbandausbau mit Glasfasernetzen entschieden haben. Dies hätte sogar ohne die Beteiligung der Telekommunikations-Konzerne geschehen können, ausschließlich aus öffentlichen Mitteln. Allerdings stellt sich die Frage, warum man solche essentiellen Infrastrukturen überhaupt privatwirtschaftlich errichten und betreiben will. Der Investitionsstau ist ja letztendlich das Ergebnis eines Investitionsverhaltens dieser Unternehmen, die unter minimalen Investitionen einen maximalen Gewinn erwirtschaften wollen. Auch jetzt sind sie ja nur bereit den geplanten Netzausbau auf 50 Mb/sec vorzunehmen, wenn man ihnen aus öffentlichen Mitteln die Investitionskosten für wirtschaftlich unattraktive Räume erstattet, beispielsweise durch den Einsatz der Erlöse aus der Vergabe der Digitalen Dividende II. Die später damit erzielten Erlöse werden natürlich nur den Shareholdern der privaten Telekommunikations-Unternehmen zugutekommen. Warum soll eigentlich die öffentliche Hand in dieser Weise Transferleistungen an private Anleger erbringen? Schließlich hat man ja auch anderswo erkannt, dass die Rekommunalisierung von essentieller Infrastruktur wie bei Gas und Wasser für die Bürger sehr viel günstiger ist. Hat man nichts aus der Privatisierungswelle gelernt, die letztendlich zu drastischen Kostensteigerungen und mangelhaften Leistungen führte?

Inwieweit dienen unsere Abgeordneten den grundlegenden Bedürfnissen ihrer Wähler, wenn sie enorme Gelder für militärische Abenteuer wie in Afghanistan verschwenden, statt sie in den Auf- und Ausbau notwendiger Infrastruktur und deren Erhalt investieren? Bedauerlicherweise werden ja Rüstungsausgaben ab dem 1. September diesen Jahres in der Amtlichen Statistik als Investitionen des Staates verbucht.

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