Weniger als zwei Wochen vor der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands hat sich erstmals eine Mehrheit für die Trennung von Großbritannien ausgesprochen. Damit wird die Aufspaltung des Landes eine immer realistischere Option. Wie die Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die "Sunday Times" ergab, sprachen sich 51 Prozent der Schotten für die Unabhängigkeit aus und 49 Prozent dagegen. Die britische Regierung reagierte noch am Sonntag und kündigte Pläne für eine größere Autonomie Schottlands an.
Falls die Schotten gegen den Austritt aus dem Vereinigten Königreich stimmen, sollten sie mehr Rechte bei Entscheidungen zu Steuern, Ausgaben und Sozialhilfe erhalten, sagte Finanzminister George Osborne dem Fernsehsender BBC. "Das wird umgesetzt, wenn es im Referendum ein 'Nein'-Votum gibt", betonte er. Die rund vier Millionen Schotten stimmen am 18. September über die Unabhängigkeit ab.
Die schottischen Nationalisten schafften kurz vor der Zielgeraden eine rasante Aufholjagd: Noch vor einem Monat lagen sie in Umfragen 22 Prozentpunkte hinter den Anhängern eines einigen Großbritanniens. Bei dem Ergebnis nicht enthalten seien die erklärten Nichtwähler sowie die Unentschiedenen, teilten die Meinungsforscher mit. Nimmt man beide Gruppen hinzu, ergebe sich ein Wert von 47 Prozent für die Befürworter der Unabhängigkeit und 45 Prozent für die Gegner.
Nach Angaben von YouGov fand die Befragung nach einer zweiten Fernsehdebatte statt, die der Anführer der Unabhängigkeitsbewegung, Alex Salmond, nach Ansicht vieler Beobachter für sich entschieden hat. "Die letzte Umfrage war die erste, die einem 'Ja' eine echte Möglichkeit einräumt", teilte das Institut mit.
Auch eine weitere Umfrage sah die Befürworter der schottischen Nationalisten auf dem Vormarsch. Einer Erhebung von Panelbase zufolge sprach sich mit 48 Prozent aber noch keine Mehrheit für die Unabhängigkeit aus.
Die Aufholjagd der schottischen Nationalisten hat nach der Rückkehr aus den Sommerferien die britischen Politiker in Aufregung versetzt. Eine Annahme des Referendums würde Verhandlungen mit der Regierung in London über das künftige Währungssystem, angehäufte Schulden und die Ölvorkommen des Landes nach sich ziehen. Falls das Vereinigte Königreich nach 300 Jahren zerbrechen würde, müsste Premierminister David Cameron mit Rücktrittsforderungen rechnen.
Die schottischen Nationalisten werfen der Regierung insbesondere vor, den Reichtum des Landes zu verschwenden: Statt in die armen Regionen Schottlands, flössen die Einnahmen aus den schottischen Ölvorkommen vor allem nach London.