Politik

Nervöse Auftritte von Draghi und Lagarde: Das Finanz-System steht auf der Kippe

Die EZB und der IWF haben offenbar keine Mittel mehr in der Hand, um die Finanz-Krise in den Griff zu bekommen. Falsche Prognosen und immer neue Versprechungen verfangen nicht mehr. Auftritte von Mario Draghi und Christine Lagarde verunsichern die Finanz-Eliten. Deutlichstes Zeichen dafür, dass die Stimmung kippt: Die Suche nach den Schuldigen hat begonnen.
03.10.2014 01:38
Lesezeit: 4 min

Mario Draghi wirkte auf der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung in Neapel nervös und fahrig. Er braucht lange, um die Fragen der Journalisten zu beantworten. Seine Antworten hatten überdies eher den Charakter von Ausreden und Phrasen. Kein Wunder: Seit Monaten verspricht Draghi immer neue Wundermittel, doch keine der Waffen zeigt Erfolge. Mehrfach muss er betonen, dass alles, was die EZB bisher eingesetzt hat, außergewöhnlich gewesen sei – allein, keine der erhofften Wirkungen hat sich eingestellt. Die Banken veregeben keine Kredite, die Inflation will sich nicht einstellen, das Vertrauen in seine magischen Kräfte schwindet. Auch die fragenden Journalisten wirken kaum noch beeindruckt.

Die Ehrfurcht, die während der vergangenen Medien-Auftritte zu beobachten war, ist einer tiefen Skepsis gewichen – Italiener, Deutsche oder Iren sind nicht mehr zu überzeugen. So wagt eine Reporterin sogar die Frage, ob Draghi nicht besorgt sei, dass trotz immer neuer Maßnahmen nun sogar in Deutschland die Euro-Skeptiker auf dem Vormarsch seien. Draghis Antwort: Er verstehe die deutschen Kritiker, doch läge es nicht nur an der EZB, sondern auch an den Staaten, die einfach nicht machen wollen, was der EZB-Chef fordert. Gefragt, ob er die Ankündigung Frankreichs, die Defizit-Grenzen über Bord zu werfen, als Problem für die Geldpolitik der EZB sähe, zieht sich Draghi auf einen formalistischen Standpunkt zurück: Noch liege kein offizielles Budget aus Paris vor, erst, wenn man die Zahlen habe, werde man sich ein Urteil bilden können.

Zwei Aussagen sind bemerkenswert: Draghi betont an einer Stelle, dass der Euro für die Ewigkeit sei. Doch anders als bei seiner Ankündigung, man werde alles tun, um den Euro zu retten, wirkt dieses Bekenntnis nicht mehr wie ein Donnerhall, sondern eher trotzig-resigniert. Auch ohne Euro würden jene Länder Schwierigkeiten haben, die sich den Reformen verweigern. Gefragt, was er zu den Demonstranten sage, die in Neapel aufmaschiert waren und die EZB heftig kritisiert hatten, sagte Draghi, er habe auch für sie Verständnis. Und sagt dann, dass die Demonstranten irrten, wenn sie glauben, die EZB sei schuld. Er sgat zweimal, dass die EZB nicht schuld sei. So klingt ein Rückzugsgefecht. Ein Riss tut sich auf in den Reihen der Euro-Retter. Der strahlende Held, von dem die Regierungen der europäischen Schuldenstaaten erwartet hatten, er werde ihnen die Arbeit abnehmen, verliert den Mut. Angesichts des Widerstands auf der Straße überkommt den smarten Goldman-Banker ein mulmiges Gefühl. Hier sichert sich einer ab, der weiß, dass seine Maßnahmen nicht greifen, schlimmer noch: Dass sie mehr Schaden anrichten als dass sie Lösungen bringen.

Nicht viel besser erging es seiner Mitstreiterin an der Spitze des globalen Finanzsystems, Christine Lagarde: Bei einem Vortrag an der Georgetown-Universität warnt die IWF-Chefin vor einer neuen Krise, vor hoher Arbeitslosigkeit und kündigt an, dass der IWF seine globalen Prognosen erneut nach unten korrigieren müsse. Sechs Jahre nach der schweren Finanzkrise sei die Erholung nach wie vor „zerbrechlich, ungleich und von Risiken bedroht“. Der Konflikt in der Ukraine, der die Wirtschaft dort sowie in Russland bereits ins Taumeln gebracht hat, könne die Finanzmärkte durcheinanderbringen, sagte Lagarde. Auch wenn der Ebola-Ausbruch nicht eingedämmt werde, könne dies ernsthafte Beunruhigung verursachen.

Ebola und die Ukraine sollen auf einmal dafür verantwortlich sein, dass das hemmungslose Gelddrucken und der Schuldenwahn die Lebensverhältnisse nicht besser gemacht haben. Lagarde verteidigt den Sozialabbau in Europa. Sie sagt: „Es mussten harte Maßnahmen getroffen werden.“ Lagarde warnte, wie sie schon seit Jahren warnt. Ihr Problem: Zwischen den Warnungen hat sie die Realität beschönigt. Die IWF-Prognosen waren immer nur in einer Hinsicht verlässlich: Sie waren immer falsch. Die Kommentare der Leser der FT sind unmissverständlich: Sie halten die Beschwörungen von Lagarde für Geschwätz, die IWF-Chefin für inkompetent und die Weltpolitik der Finanz-Eliten für gescheitert.

Überall beginnt man zu flüstern: Der Kaiser ist nackt, er hat ja gar keine Kleider an. Der Kaiser ist nackt! Die „harten Maßnahmen“ haben Leben von konkreten Menschen zerstört und das System nicht gerettet.

Sogar die professionellen Beobachter, die bisher stets an Draghis Lippen hingen, reagieren verunsichert: Reuters zitiert einen Händler: „Viele gehen mit einem etwas mulmigen Gefühl in das verlängerte Einheits-Wochenende.“

Die Händler bemerken langsam, dass sie zu lange die angeblich tollen Kleider des nackten Kaisers bewundert hatten – und verkauften die Aktien von Finanztiteln. Obwohl es mittlerweile allen dämmert, dass der Stresstest der EZB auch nur eine Scharade ist, fürchten sie, dass selbst der zahnlose Tiger gefährlich für das System werden könnte. Reuters zitiert einen Händler: „Die Banken waren angesichts des anstehenden Ergebnisses des Stresstestes Ende Oktober einfach zu gut gelaufen.“

Erstmals seit längerer Zeit hatte sich der Unmut über die EZB auch auf der Straße entladen: Etwa 600 Menschen hatten sich Polizei-Angaben zufolge vor dem Capodimonte-Palast versammelt, in dem der EZB-Rat zu seiner auswärtigen Sitzung zusammengekommen war. „Job-Unsicherheit, Armut, Arbeitslosigkeit, Spekulationen. Befreit uns von der EZB“, hieß es auf einem Spruchband. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie die Bereitschaftspolizei die Demonstranten davon abhielt, das Gelände des aus dem 18. Jahrhundert stammenden Schlosses zu stürmen, in welchem Draghi nach Worten suchte, um das Unerklärliche zu erklären.

Er kann es nicht erklären, weil sich die Zentralorgane der Finanz-Eliten überhoben haben.

Der Kaiser ist nackt.

Mario Draghi und Christine Lagarde frösteln. Der Wind bläst ihnen ins Gesicht. Sie merken, dass ihnen trotz aller Manipulation ihr einziges wirkliches Asset verlorengegangen ist: Das Vertrauen.

Das Frösteln wird zum Lebensgefühl. Die Party der Zentralisten neigt sich dem Ende zu. Die Bürger rufen: „Befreit uns von der EZB!“ Der Ruf wird lauter werden. Mehr Bürger werden einstimmen. Es ist der anschwellende Abgesang auf ein System, das sich selbst verzehrt.

***

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