Politik

168 Millionen Kinder ernähren weltweit ihre Familien

Weltweit gibt es 168 Millionen Kinderarbeiter. Ihre Familien sind darauf angewiesen, dass die Kinder Geld verdienen. In zahlreichen Staaten ist Kinderarbeit zudem ein treibender Wirtschaftsfaktor.
10.10.2014 14:24
Lesezeit: 2 min

In zahlreichen Ländern ist Kinderarbeit alltäglich und legal. Die Familien sind darauf angewiesen, dass die Kinder Geld verdienen.

Die Zahl von 168 Millionen ist hoch, insgesamt ist Kinderarbeit laut Internationaler Arbeitsorganisation (IAO) rückläufig. Im Jahr 2000 gab es noch 245,5 Millionen Kinderarbeiter, das waren damals 16,0% der 5-bis-17-Jährigen. Im Jahr 2008 waren es noch 215,2 Millionen oder 13,6% der 5-bis-17-Jährigen. Die gefährlichen Kinderarbeit ist ebenfalls rückläufig. Allein zwischen 2008 und 2012 nahm sie um 26% ab. Sehr wahrscheinlich ist dies aber hauptsächlich die Folge der höheren Arbeitslosigkeit durch die Wirtschafts- und Finanzkrise. Zum einen nahm das Jobangebot ab und zum anderen können die Arbeitgeber die verbliebenen Jobs leichter mit billigen erwachsenen Arbeitslosen statt Minderjährigen besetzen.

Das sozialistische Bolivien sorgte dennoch weltweit für Aufsehen, denn das Land senkte das Mindestalter für Kinderarbeit. Unter bestimmten Bedingungen sollen Kinder nun bereits ab 12 Jahren statt ab 14 Jahren arbeiten dürfen. Und ein weiteres Gesetz ist vorgesehen, dass zukünftig schon 10-jährigen Kindern offiziell erlauben soll, selbständig ohne Arbeitgeber, etwa als Dienstleister wie Schuhputzer, zu arbeiten.

Boliviens Präsident Evo Morales unterstützt die Neuregelungen. Er selbst arbeitete als kleiner Junge zusammen mit seinem Vater als Zuckerrohrschneider, später als Bäckergehilfe, noch später als Trompeter. Morales sieht Kinderarbeit als Teil der „nationalen Kultur“ Boliviens. Richtig ist zumindest, dass bei den Indios Boliviens Kinder traditionell schon früh Verantwortung übernehmen (müssen) und als vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft gelten.

Der Verweis auf die „nationale Kultur“ soll aber wohl auch die Souveränität Boliviens zum Ausdruck bringen - insbesondere gegenüber den internationalen Entwicklungshilfeorganisationen. Die Unesco finanziert den Großteil der Sozialprojekte in Bolivien, von der Weltbank kommen lebenswichtige Kredite, die IAO finanziert die Gehälter der Beamten im Arbeitsministerium Boliviens. All diese internationalen Institutionen sind strikt gegen die Legalisierung von Kinderarbeit.

Den aktuellen Schätzungen der IAO zufolge gibt es 168 Millionen Kinderarbeiter auf der Welt. 10,6% aller 5-bis-17-Jährigen leisten damit Kinderarbeit. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

Zu den Kinderarbeitern zählen zum einen die 85 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18, die Arbeiten übernehmen müssen, die ihre Gesundheit oder Entwicklung gefährden. 22.000 Kinder und Jugendliche sterben so weltweit jedes Jahr durch Arbeitsunfälle. Als gefährlich gilt z.B. das Tragen schwerer Lasten, der Umgang mit chemischen Substanzen und natürlich Kinderprostitution. Zum anderen zählen zu den Kinderarbeitern alle 12-bis-14-Jährigen, die mehr als nur leichte Arbeiten ausführen, und alle Kinder unter 12, die überhaupt arbeiten.

Die meiste Kinderarbeit gibt es nach wie vor in der Landwirtschaft. 58,6% der Kinderarbeiter sind in diesem Sektor beschäftigt. Die Bedeutung der Landwirtschaft für die Volkswirtschaften geht aber fast überall auf der Welt zurück und so ist der Rückgang der Kinderarbeit nicht zuletzt ein positiver Nebeneffekt der zunehmenden Verstädterung. Im eher städtischen Dienstleistungsbereich ist dagegen die Zahl der Kinderarbeiter seit 2008 kaum zurückgegangen.

Nicht überraschend, dass Kinderarbeit in den Ländern mit niedrigem Einkommen am weitesten verbreitet ist. Dort sind nach wie vor 22,5% der 5-bis-17-Jährigen Kinderarbeiter. Doch Bolivien zählt laut Weltbank bereits zu den Ländern mit „lower middle income“. Trotzdem gibt es dort noch 840.000 Kinderarbeiter. Das ist fast jedes vierte Kind.

In den reichen Ländern heißt es, die Kinder sollten lieber zur Schule gehen und erst einmal etwas für ihre Bildung tun. In den armen Ländern ist das aber solange Theorie, solange den Kindern und ihren Familien das Geld für die Schulbücher fehlt. Oder eben erst einmal von den Kindern selbst verdient werden muss.

In Bolivien gibt es viele lokale „Kindergewerkschaften“, zu denen sich Kinder, unterstützt durch Organisationen wie die Caritas, zusammengeschlossen haben. Die Kinder in den Gewerkschaften freuen sich darüber, dass Kinderarbeit nun offiziell anerkannt wird. Sie hoffen, dass das ihnen bei Problemen helfen wird, etwa wenn ein Kunde sie um ihren Lohn betrügen will.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Amazons Geheimwaffe aus Israel: Wie ein unbekanntes Start-up den KI-Krieg entscheidet
20.05.2025

Ein unbekanntes Start-up aus Israel liefert den Treibstoff für Amazons KI-Vormarsch. Mit Annapurna Labs sichert sich der Tech-Gigant die...

DWN
Finanzen
Finanzen 30.000 Dollar für Gold – und der Westen ist bankrott
20.05.2025

Gold steigt, wenn das Vertrauen fällt. Für Hedgefonds-Manager David Einhorn wäre ein Kurs von 30.000 Dollar kein Triumph – sondern ein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Wirtschaft holt auf: Thüringen und Sachsen mit Spitzenplätzen
20.05.2025

Einer neuen ifo-Studie zufolge hat Ostdeutschland wirtschaftlich gegenüber dem Westen deutlich aufgeholt. Der Thüringer Industrieanteil...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krise am Bau: Wohnungsmarkt steckt fest – Bauindustrie warnt vor Investitionsstau
20.05.2025

Die deutsche Bauwirtschaft steckt weiterhin tief in der Krise. Der Wohnungsbau schwächelt, Neubauten stagnieren – und aus Sicht der...

DWN
Politik
Politik BKA: Politisch motivierte Kriminalität steigt um 40 Prozent– Beratungsstellen schlagen Alarm
20.05.2025

Schon die erste Kriminalitätsstatistik, die Dobrindt vorstellt, zeigt, dass er ein schwieriges Amt übernommen hat. Bei Straftaten mit...

DWN
Finanzen
Finanzen BYD-Aktie auf Rekordjagd: Neue Technologie und Europa-Strategie beflügeln den Kurs
20.05.2025

Die BYD-Aktie bricht Rekorde, während Konkurrent Tesla schwächelt. Neue Technologien und Strategien sorgen für Aufsehen – doch wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland unter Druck: EU verschärft Sanktionen gegen Kreml
20.05.2025

Trotz der Bemühungen von US-Präsident Donald Trump ist ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiterhin nicht in Sicht....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wie China europäische Unternehmen vom Markt verdrängt – und Brüssel zuschaut
20.05.2025

China überschwemmt Europa mit Billigwaren, während europäische Exporte nach Peking einbrechen – und Brüssel steht hilflos daneben....