Politik

Niederlage für Kiew: Ukrainische Armee gibt Debalzewo auf

Die ukrainische Armee muss in der Stadt Debalzewo eine empfindliche Niederlage hinnehmen: Am Mittwoch haben die Einheiten offenbar den Befehl zum Rückzug erhalten. Zahlreiche Soldaten sollen sich den Rebellen ergeben haben. Poroschenko bestätigte am Mittag den Abzug. Für den Präsidenten ist die Niederlage wegen der von der Regierung von Kiew selbst angeheizten Stimmung ein schwerer Reputationsschaden.
18.02.2015 10:17
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Ukrainische Regierungstruppen ziehen nach übereinstimmenden Berichten aus dem seit Tagen umkämpften strategischen Verkehrsknotenpunkt Debalzewo im Osten des Landes ab. Offenbar haben auch die Rechtsextremen des paramilitärischen Rechten Sektors aufgegeben. Reuters nennt die Truppe von Dimitri Jarosch zwar nicht namentlich, spricht jedoch von "Milizen", die sich ebenfalls zurückgezogen hätten.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat den Abzug der Armee aus der strategisch wichtigen Stadt Debalzewe bestätigt. Dieser gehe planmäßig und organisiert vonstatten, sagte der Staatschef am Mittwoch kurz vor seinem Abflug aus Kiew an die Front. 80 Prozent der Kämpfer hätten sich bereits mit ihren Waffen zurückgezogen. Zwei weitere Kolonnen sollten folgen. Die ukrainischen Einheiten hätten mit der Verteidigung Debalzewes ihre Pflicht erfüllt und der Welt "das wahre Gesicht der Banditen und Separatisten gezeigt, die von Russland unterstützt werden".

Der Rechte Sektor war der kampfuntauglichen Armee zu Hilfe geeilt und hatte versucht, den Vorstoß der Rebellen nach Debalzewo zu stoppen. Dazu hatten die Rechtsextremen, die mit der Regierung von Arseni Jazenjuk eng verbunden sind, das Minsker Abkommen für bedeutungslos erklärt. Doch gegen die militärisceh Übermacht der Rebellen hatten die Rechtsextremen am Ende offenbar keine Chance.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte unterdessen in Moskau, dass mit Ausnahme Debalzewes die vereinbarte Waffenruhe "praktisch entlang der gesamten Front beachtet" werde. In einigen Regionen bestehe zudem die Bereitschaft, schwere Waffen abzuziehen. So zumindest hätten es die Milizen öffentlich erklärt.

Die Soldaten und Kämpfer würden sich aus der von Rebellen umzingelten Stadt zurückziehen, meldete am Mittwoch die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf den ukrainischen Abgeordneten Semen Sementschenko, der auch als Freiwilliger in einer Miliz an der Seite der Armee dient. Sementschenko hatte im Herbst in Washington Verhandlungen mit den Amerikanern über Waffenlieferungen geführt. Er hatte damals auf seiner Facebook-Seite geschrieben, dass die Amerikaner verstanden hätten, dass eine Bewaffnung der Ukraine nötig sei. Sementschenko teilte auf seiner Facebook-Seite mit, der Rückzug geschehe geordnet. "Der Feind versucht die Straßen zu blockieren, um den Abzug der Truppen zu verhindern", erklärte er. Russland Präsident Wladimir Putin hatte am Dienstag die Rebellen aufgefordert, abziehenden Kämpfern freies Geleit aus dem Kessel von Debalzewo zu gewähren.

Der Pressedienst der Rebellen, DAN, berichtet ebenfalls von dem Rückzug und meldet, dass sich viele Soldaten ergäben. In Debalzewo würden Hunderte Soldaten die Waffen strecken, zitierte DAN Rebellen-Anführer Maxim Leschtschenko. Auch Reuters berichtet von dem Rückzug.

Am Dienstag hatten die Rebellen gemeldet, 80 Prozent der Stadt eingenommen zu haben. Welche Auswirkungen ein Fall von Debalzewo für das Minsker Abkommen hat, ist noch unklar. Während der Westen und die Ukraine darauf beharrten, dass die Stadt Teil des Waffenstillstandsabkommens sei, bestritt Russland dies. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte für den Fall des Scheiterns des Waffenstillstands damit gedroht, das Kriegsrecht über das ganze Land auszurufen und die Kämpfe auszuweiten.

Nach der Niederlage dürfte Poroschenkos Position deutlich geschwächt sein - was allerdings die Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung nicht ausschließt. Die Regierung in Kiew hatte die Situation in den vergangenen Wochen immer wieder mit Durchhalte-Parolen angeheizt - obwohl die Armee im Grunde kampfuntauglich ist, wie Militär-Experten analysieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits angesichts der Einkesselung der ukrainischen Armee die Aussichtslosigkeit der Lage erkannt und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden militärischen Niederlage auf einen Friedensgipfel in Minsk gedrungen.

Debalzewo ist ein wichtiger Eisenbahnknoten. Dort sollten sich zuletzt bis zu 7000 ukrainische Soldaten befinden. Sollte der Ort von den Rebellen erobert werden, hätten sie eine direkte Verbindung zwischen ihren Hochburgen Luhansk und Donezk geschaffen.

Poroschenko hatte den Vorstoß der Rebellen in Debalzewo als "zynischen Angriff" auf den Waffenstillstand bezeichnet. Der UN-Sicherheitsrat hatte am Dienstagabend in einer Resolution die sofortige Einhaltung der vergangene Woche vereinbarten Waffenruhe gefordert und darin ausdrücklich Debalzewe genannt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Cyberbedrohungen: Unternehmen stehen vor einer Zeitenwende – Sicherheit wird zur wirtschaftlichen Überlebensfrage
29.04.2025

Die Weltwirtschaft hat einen neuen, unsichtbaren Frontverlauf – und dieser verläuft mitten durch die digitalen Netzwerke globaler...

DWN
Politik
Politik Die Hälfte der Deutschen glaubt: Elektroautos sind ein grüner Bluff – was das für Europa bedeutet
29.04.2025

Trotz Milliardensubventionen verliert die grüne Transformation rasant an Rückhalt. Bürger zweifeln, Experten warnen – Europa droht der...

DWN
Politik
Politik Spionage AfD: Ex-Krah-Mitarbeiter angeklagt
29.04.2025

Ein ehemaliger Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah steht im Verdacht, für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet zu haben...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Zölle: Deutsche Unternehmen bleiben erstaunlich gelassen
29.04.2025

Trotz der hitzigen Rhetorik aus Washington und düsteren Prognosen internationaler Organisationen wie dem IWF zeigen deutsche Unternehmen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alphabet greift nach Europas Kapital: Anleihe-Offensive des Google-Konzerns mit Signalwirkung
29.04.2025

Die Alphabet-Anleihe ist mehr als ein Finanzmanöver: Sie markiert einen geopolitischen Wendepunkt – und eine Kampfansage im Rennen um...

DWN
Politik
Politik US-Zölle: Trump reagiert auf Druck der Autobranche
29.04.2025

US-Präsident Trump rudert bei seiner Zollpolitik zurück: Nach heftiger Kritik aus der Autoindustrie will das Weiße Haus nun Entlastungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Wertekrieg: Warum es ökonomisch vernünftig ist, das Wort „Vielfalt“ zu streichen
29.04.2025

Von der internationalen Wirtschaftselite kaum beachtet, vollzieht sich derzeit in den USA eine tektonische Verschiebung – nicht in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Microsoft vollzieht leisen Rückzug aus China – Angst vor Trump-Sanktionen wächst
29.04.2025

Während sich die Spannungen zwischen den USA und China weiter zuspitzen, zieht sich ein globaler Technologieriese offenbar still und...