Gemischtes

„In zehn Jahren wird Facebook etwas für alte Leute sein“

Die Dominanz des Internet durch große US-Firmen muss nicht dauerhaft sein: Kleine und lokale Unternehmen erreichen die Nutzer oft besser und können Trends vorhersehen. Dadurch werden sie relevant und zu echten Alternativen zu den Giganten.
26.04.2015 00:56
Lesezeit: 4 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: US-Konzerne wie Facebook oder Google verkünden Rekordgewinne, während die klassischen deutschen Medienhäuser im Internet kein Geld verdienen. Was bedeutet das für die Medien-, und damit Meinungsvielfalt?

Frank-Peter Lortz: Die digitalen Innovatoren wie Google, Facebook und Amazon verändern die Medienwelt nachhaltig, auch indem sie große Teile des alten Geschäfts übernehmen. Diese Unternehmen denken und skalieren global. Sie arbeiten mit einer Kombination aus Technologie, Nutzern und Medieninventar, die man global ausrollen kann und die in allen Ländern gleich funktioniert. In jedem Bereich gibt es immer nur einen, der überlebt. Diese Entwicklung führt zu einer Reduktion der Alternativen und der Angebotsvielfalt für die Konsumenten – und damit auch für die Werbungtreibenden. Diese brauchen die Plattformen der US-Konzerne, sind aber genauso auf lokale  Anbieter angewiesen. Mediaagenturen nehmen eine wichtige „scouting“-Funktion wahr und verringern die Komplexität für die Werbekunden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Google möchte allerdings alle in allen Bereichen angreifen. Können sich die Medien und Medienagenturen da auf Nischen zurückziehen?

Frank-Peter Lortz: Wir haben es hier seit Jahren mit einem sehr disruptiven Prozess zu tun. In der ersten Phase, um das Jahr 2000 herum, wurde das Geschäftsmodell der Medien angegriffen. Jetzt, in der zweiten Phase, greifen sie mit ihrer Mischung aus Technologie, Data und User Insights das Geschäftsmodell der Agenturen an. Außerdem verfügen sie – wie die großen Agenturen auch – über globale Netzwerke. Langfristig wird es keine lokalen Alternativen zu Geschäftsmodellen geben, die wirklich global skalieren können. Das beobachten wir derzeit auf der europäischen Ebene, wo die Verlage ein Rückzugsgefecht gegen Google führen, das sie nicht gewinnen können.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was bedeutet diese Entwicklung für das Geschäft der Mediaagenturen?

Frank-Peter Lortz: Wir müssen uns verändern! Die Mediaagenturen in Deutschland haben vom Internet und der Digitalisierung profitiert. Media ist lange kein „Kellerkind“ der Kreativen mehr. Das war die erste Transformation. Jetzt geht es weiter. Wir werden altes Geschäft verlieren. Aber wir werden auch neues gewinnen. Wir müssen unseren Kunden mit Datenanalysen und Technologie helfen, ihre Konsumentenzielgruppen in allen Phasen des Kaufprozesses – der „customer journey“ – zu begleiten. Dafür investieren wir bei ZenithOptimedia und VivaKi seit Jahren in Technologie, Daten, Datenanalyse und die Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was heißt das für Ihre Kunden?

Frank-Peter Lortz: Weder Technologie-Giganten noch einzelne Medien können den Kunden sagen, wie sich das Konsumentenverhalten verändert. Das ist aber entscheidend für eine effektive Mediaplanung. Kunden brauchen hier eine Instanz, die ihnen sagen kann, was sich verändert. Google wird den Kunden immer sagen, dass eine Buchung bei Google das Beste ist. Ein traditionelles Medium wiederum ist es gewohnt, dass die Kunden schon aus langjähriger Treue bei ihm schalten. Das verändert sich gerade gravierend, und die Kunden brauchen kompetente, objektive Berater, die ihnen sagen, wohin die Reise der Nutzer geht, welche Plattformen neu entstehen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Aber die deutschen Traditionsmedien können damit nicht überleben…

Frank-Peter Lortz: Die Werbungtreibenden brauchen weiterhin Reichweite. Hier wird es zu einem Zusammenspiel von alten und neuen Medien kommen. Keine Gattung wird komplett durch eine andere ersetzt werden. Noch stehen die klassischen Medien am Anfang und sind die großen Trichter, die die meisten Nutzer versammeln. In Zukunft wird das anders aussehen. Gerade die jungen Nutzer kennen die alten Medien nicht einmal mehr mit dem Namen. Kürzlich habe ich meiner Nichte ein „Mainzelmännchen“ gezeigt. Sie kannte diese Figur nicht einmal! (Anm. d. Red.: Es handelt sich um eine Marketingfigur des ZDF).

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was wissen die Agenturen, was Google nicht weiß?

Frank-Peter Lortz: Wie verschiedene Kommunikationskanäle zusammenwirken, um den besten Return on Marketing Invest für den Kunden zu erzielen. Google sieht nur Google. Lokale Player sind für Google ohne Bedeutung. Für Werbekunden sind sie jedoch unverzichtbar! Nicht alle globalen Player sind hier automatisch groß und relevant. Oft sind es Marken, die in der Nische extrem stark sind und daher für die Werbungtreibenden besonders attraktiv. Um hier die Trends zu erkennen, muss man sehr nahe am Markt sein und flexible Werkzeuge haben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Können sich die Mitarbeiter von ZenithOptimedia und VivaKi in Deutschland bei diesen rasanten und kurzfristigen Anpassungen auch im selben Tempo weiter entwickeln?

Frank-Peter Lortz: Der „war of talents“ war etwa hier in Düsseldorf immer schon brutal. Dazu kommt, dass wir nicht mehr nur mit anderen Mediaagenturen um die besten Talente werben, sondern auch mit Spezialagenturen für Performance-Marketing oder Suchmaschinenoptimierung. Das Jobprofil des Mediaplaners hat sich stark verändert. Der Berater wird zum Connection Planner. In einer Mediaagentur zu arbeiten, bedeutet ständiges Transformations- und Innovationsmanagment – auch für die Mitarbeiter.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Im Gegensatz zu Printmedien schreiben die privaten TV-Sendergruppen RTL oder ProSiebenSat.1 noch immer gute Gewinne. Bleibt das Fernsehen von der Medienkrise verschont?

Frank-Peter Lortz: Nein. Das goldene Zeitalter des privaten Fernsehens mit bis zu 80 Prozent täglicher Reichweite ist lange vorbei. So wie für Zeitungen, wird sich auch die TV-Reichweite halbieren. Es wird künftig keine Werbekunden mehr geben, die Reichweite aufbauen können, indem sie 99 Prozent ihrer Werbegelder in Fernsehwerbung stecken. Schon heute werden junge Zielgruppen nicht mehr ausschließlich über TV erreicht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Konsumieren wir unsere Medien bald nur mehr über Facebook, Google & Co?

Frank-Peter Lortz: In zehn Jahren wird Facebook etwas für „alte Leute“ sein. Die jungen Leute wollen nicht mehr lesen, sich nicht anstrengen. Die Kommunikation läuft über Bilder – und wenn möglich noch bewegte Bilder wie Videos oder Streams. Diese Videos werden in zehn Jahren künstlich erzeugbar sein. Wie so etwas heute schon aussehen kann, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Wahlkampf 2014 gezeigt: Er ließ sich für einen Wahlkampfauftritt in Izmir als 3D-Hologramm auf die Bühne projizieren. Die 10.000 Zuseher hatten Mühe, den Trick zu durchschauen, denn das Ganze ist eine optische Illusion, wirkt aber täuschend echt.

Frank-Peter Lortz ist Chairman der Mediaagenturgruppe ZenithOptimedia und Chief Operating Officer von VivaKi in Deutschland. Die Agenturen der VivaKi-Gruppe sind mit 285 Büros in über 80 Ländern der Welt vertreten. In Deutschland arbeiten über 600 Mitarbeiter an den Standorten Düsseldorf, Frankfurt, Berlin und München.

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