Finanzen

Pleite Griechenlands ist ohne Ansteckung Europas nicht möglich

Nach Meinung von UBS-Analyst Thomas Wacker wird die Griechenland-Debatte von den Anlegern viel zu entspannt geführt. Ein Grexit würde zu markanten Verwerfungen am Markt führen.
04.05.2015 23:48
Lesezeit: 2 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In den vergangenen Wochen ist es auf dem verhältnismäßig ruhigen und stabilen Anleihenmarkt zu Unruhen gekommen. Wo sehen Sie hier die Ursachen?

Thomas Wacker: Zu Jahresbeginn hat man auf ein Abflachen der Kurve gesetzt. Doch die Märkte hat die Entwicklung auf dem falschen Fuß erwischt. Da hat man sich zu sehr auf die EZB fokussiert. Zudem wurden die Inflationserwartungen ausgeblendet und eine mögliche, bevorstehende US-Zinserhöhung hat wohl auch einige Anleger wachgerüttelt. Wenn solche Entwicklungen zusammenkommen, verlaufen die Korrekturen auf dem Markt dann auch mal schärfer als üblich. Insgesamt gesehen haben sich die Niveaus der Renditen jetzt dem tatsächlichen Niveau, welches wir auch für die kommenden sechs Monate kalkuliert haben, eingependelt. Die Zinsen hätten eigentlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt höher sein sollen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Fed und JPMorgan-Chef Jamie Dimon warnen vor einem sogenannten Flash Crash im Bond-Markt, also einem Absturz innerhalb von Minuten. Zahlreiche Investoren empfehlen den Ausstieg aus Anleihen der Eurozone.

Thomas Wacker: Diese Entwicklung ist nicht neu, sondern gibt es bereits seit zwei Jahren. Anleger, die nicht gezwungen sind in den Staatsanleihenmarkt zu gehen, haben sich längst nach anderen Investments umgesehen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was heißt das für Banken, die traditionell viele Anleihen halten?

Thomas Wacker: Die spannende Frage ist, was die Banken, die der EZB die Anlagen verkaufen, machen: Entweder sie reduzieren ihre Bilanzsummen oder sie nutzten die freiwerdenden Mittel für die Vergabe von Krediten. Ich denke, dass es etwas von beiden sein wird. Die Frage ist auch, wie nachhaltig diese Entwicklung sein wird.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was wir diese Tage am Bond-Markt erleben, ist das bereits der Flash Crash, oder platzt da noch eine weitaus größere Blase?

Thomas Wacker: Das Niveau der Renditen ist jetzt in der Realität angekommen. Ich denke, dass die Bewegungen noch einige Tage anhalten, aber nicht mehr so scharf verlaufen. Es stehen mehrere Ereignisse in den nächsten Tagen an, die großen Einfluss haben: Etwa was Griechenland angeht, wie die EZB bei den ELA-Krediten entscheiden wird und schließlich das Eurogruppentreffen am 11. Mai.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Waren die Unruhen im Bond-Markt als Folge des EZB-Aufkaufprogramms absehbar?

Thomas Wacker: Es spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Die Sorge um die Inflation, die Entwicklung in Griechenland, die Flucht in sichere Häfen, was die Anleihen ja lange waren. Das sorgte für eine vermehrte Nachfrage gerade nach deutschen Bundesanleihen. Setzt man dies in Verbindung mit dem Fakt, dass es in diesem Jahr keine Netto-Neuemissionen in Bundesanleihen gibt, erklärt das, warum die die Rendite so stark gefallen ist.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wo sehen Sie eine Gefahr für die Märkte?

Thomas Wacker: Meiner Meinung nach wird die Griechenland-Debatte viel zu entspannt geführt und zum Teil bagatellisiert. Sollten die Verhandlungen scheitern, und Griechenland nicht nur Pleite sein, sondern auch tatsächlich aus dem Euro aussteigen, würde das zu markanten Verwerfungen führen. In der Folge würden die zehnjährigen Bundesanleihen ins Negative rutschen, und die Schuldensituation in den Südländern würde sich verschärfen.

Thomas Wacker ist Leiter der Kreditanalyse beim UBS Chief Investment Office.

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