Gemischtes

Forscher entdecken Formel für Städtewachstum

Lesezeit: 2 min
11.05.2015 12:37
Dieselben Regeln, nach denen heutige Städte wachsen, galten schon in der Antike. So wächst die Produktivität moderner Städte schneller als ihre Einwohnerzahl. Auch wie sich Kultur und technischer Fortschritt entwickeln, lässt sich in mathematischen Formeln darstellen.
Forscher entdecken Formel für Städtewachstum

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In der Metropolregion von Mexiko-Stadt leben heutzutage etwa 20 Millionen Menschen. Die Stadt wurde auf den Ruinen der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán erbaut. Im fünfzehnten Jahrhundert lebten hier schätzungsweise 200.000 Azteken. Der Unterschied zwischen beiden Städten erscheint riesig. Einer neuen Studie zufolge, befolgen beide – Mexiko-Stadt und Tenochtitlán – die selben Regeln.

Scott Ortman, Anthropologe der University of Colorado, besuchte einen Vortrag über vorhergehende Forschungen, die zum Ergebnis kamen, dass die Produktivität bzw. das Wirtschaftsprodukt mit der Größe der Stadt zusammenhängt. Luis Bettencourt, der am Santa Fe Institute forscht, fand heraus, dass soziale Netzwerke komplexe Vorgänge vorantreiben.

In den meisten Fällen haben große Städte eine Vielfalt unterschiedlicher Menschen aus unterschiedlichen Bereichen. Zusammengenommen steigt so die Produktivität. Das bedeutet ein um 15 Prozent höheres Wirtschaftsprodukt pro Kopf, wenn sich die Bevölkerung verdoppelt. Das enthält Lohn, aber auch Formen anderes Wachstums, etwa Patente.

Die Forscher fanden also heraus, dass trotz eindeutiger Unterschiede Bevölkerungszahlen sowohl moderner als auch antiker Städte langsamer als ihre Produktion stiegen. Mit diesen Erkenntnissen lässt sich die Effizienz heutiger Ballungszentren steigern. „Die Tatsache, dass es Trends gibt, wie Siedlungen funktionieren, ist eine Botschaft an unsere Städteplaner“, meint David Carbollo, Archäologe der Boston University.

Scott Ortman war von diesen Ergebnissen erstaunt, ihm fiel jedoch auf, dass Bettencourts Team keine moderne Faktoren wie Kapitalismus, Industrialisierung in ihre Überlegungen mit einbezog. Nun stellte sich natürlich die Frage, ob die selben Regeln auch für antike Städte gegolten haben. Die beiden Forscher taten sich zusammen. Unter der Leitung von Scott Ortman beschäftigte sich ein Team des Santa Fe Institute und der University of Colorado in Boulder mit dieser Fragestellung.

Bereits in den 1960er-Jahren – bevor die Bevölkerung von Mexiko-Stadt stark anstieg – untersuchten Forscher das Tal von Mexiko – das was heute zu Hauptstadt und Umland gezählt wird. Das Forscherteam kämpfte sich durch die gesammelten Daten, durch 2.000 Jahre mesoamerikanischer Siedlungsgeschichte. Die antike Bevölkerung hatte architektonische Meisterleistungen in Form von massiven Pyramiden und Tempeln hervorgebracht – viele der Ruinen stehen bis heute noch.

Da die Besitztümer der Einwohner mit den Jahrhunderten verschwanden, suchten sich die Forscher ein anderes Bewertungskriterium als Maß für die Produktivität menschlicher Siedlungen: Die Anzahl und Größe von Monumenten und Wohnhäusern. Sie bewerteten die Siedlungen insgesamt nach Population, Dichte, Ausdehnung, Konstruktionsrate und Nutzung.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass größere Städte produktiver waren, denn proportional zur Population existierten mehr Monumente pro Personen. Außerdem waren Wohnhäuser und Monumente mit höherer Bevölkerungszahl größer.

Ganz offensichtlich haben unsere modernen Städte aber nur noch wenig mit denen unserer Vorfahren gemeinsam. Damals gab es noch keine stark ausgebaute Infrastruktur, deutlich weniger Technologie und die Wirtschaft basierte fast vollständig auf der Landwirtschaft. Tenochtitlán hatte jedoch einen gut besuchten Marktplatz und ein enges Weg- und Kanalnetz.

„Schockierend und unglaublich. Wir wurden im Glauben erzogen, dank Kapitalismus, Industrialisierung und Demokratie sei die Welt ganz anders geworden, als sie früher war. Wir haben jedoch herausgefunden, dass der Antrieb robuster sozioökonomischer Strukturen bereits in der Antike existierte“, erklärt Scott Ortman von der Colorado University Boulder.

Die Art, wie soziale Interaktionen im städtischen Raum stattfinden, blieb über die Jahre gleich. Trotz der vergangenen Jahrhunderte, sei es den Forschern möglich gewesen, die Produktivität – für moderne und antike Städte - mit den gleichen mathematischen Formeln zu modellieren. Das sei vor allem möglich, weil man in Städten nach wie vor nicht weit gehen muss, um handeln zu können.

„Ich finde die Idee erstaunlich, dass dieselben grundlegenden Prozesse, die Orte wie New York entstehen lassen, anderswo in der Welt - etwa in alten Bauerndörfern - auch stattfanden“, so Ortman. Die Forscher meinen, ein Verständnis für die Funktionsweise von Städten auf fundamentaler Ebene sei notwendig, um diese verbessern zu können.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...