Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das Bargeld-Verbot geistert durch die Medien. Ist das nur eine Hysterie der ewigen Crash-Propheten oder kommt es wirklich?
Gerald Mann: Die schrittweise Abschaffung des Bargeldes als relevantes Zahlungsmittel ist sehr wahrscheinlich. Es gibt eine entsprechende Interessenballung bei Politik, Finanzinstitutionen und Notenbanken: Alle drei wollen Bankruns verhindern und Sparer mit Negativzinsen schröpfen. Ferner sollen Kriminalität, Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung verhindert oder zumindest erschwert werden. Außerdem entstünden zusätzliche Gewinne bei den Institutionen, die bargeldlose Zahlungssysteme anbieten - die Gebühren hierfür kann man bei Wegfall der Zahlungsalternative Bargeld erhöhen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was können die Staaten mit einem Bargeld-Verbot bewirken?
Gerald Mann: Unverändert dauert die Finanz- und Staatsschuldenkrise an. Ein Ansturm von verängstigten Sparern auf die Banken kann nicht ausgeschlossen werden. Die Konjunktur soll in Schwung gebracht werden, weil Sparen durch Negativzinsen unattraktiv wird. Also eine Art ,Konsumverweigerungssteuer': Wer nicht konsumiert, soll von seinem Sparguthaben jedes Jahr etwas abgezogen kommen. Man könnte von einem "keynesianischen Frontalangriff" auf die gute deutsche Sparkultur mit dem Ziel der Umerziehung zum ,Konsumtrottel' sprechen. Außerdem lassen sich künftig dann ganz leicht Vermögensabgaben durchsetzen, die nicht mehr durch Bargeldhaltung unterlaufen werden können.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist ein solches Verbot praktisch durchzusetzen?
Gerald Mann: Schon jetzt werden in einzelnen Ländern Höchstgrenzen für Barzahlungen festgelegt. Diese können sukzessive gesenkt werden. Darüberhinaus können auch Steuern und Gebühren für die Bargeldnutzung erhoben bzw. erhöht werden. Anbieter von elektronischen Zahlungssystemen werden in der Übergangsphase die Gebühren moderat halten bis der Konkurrent Bargeld erledigt ist - dann werden die Gebühren wahrscheinlich deutlich ansteigen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche konkreten Folgen hätte die Abschaffung von Bargeld?
Gerald Mann: Sparer könnten Negativzinsen nicht mehr durch Abhebung ihrer Ersparnisse und Haltung von Bargeld entfliehen. Diese Negativzinsen stellen eine "Konsumverweigerungssteuer" dar, der man dann nicht mehr durch Bargeldhaltung entrinnen kann. Außerdem entstünde der "Gläserne Zahler" - die bisherigen Möglichkeiten von NSA & Co. würden noch einmal deutlich gesteigert. Noch mehr von unserem Leben wäre ganz leicht kontrollierbar - George Orwell würde sich verwundert die Augen reiben. Befürworter eines Bargeldverbotes werden neben der leichteren Kriminalitätsbekämpfung auch auf die Bazillen verweisen, die jeder Geldschein transportiert.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In der Praxis spielt Bargeld ohnehin schon keine Rolle mehr - nur noch ein Bruchteil der Transaktionen läuft bar. Warum sollte man sich davor fürchten?
Gerald Mann: Das trifft so nicht zu. Laut Bundesbank wurden 2014 über 53 % des Transaktionsvolumens bzw. 79% aller Transaktionen durch Barzahlung abgewickelt. Noch sind hier die Deutschen also im positiven Sinne konservativ: Wenn sie etwas ausgeben, wollen sie spüren, wie die Zahlung durch ihre Hände rinnt. Gerade in den USA ist die Verschuldung privater Haushalte ein großes Problem, in Deutschland weniger.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie muss man sich denn die Abschaffung konkret vorstellen - kommt da eine Verordnung, dass es ab einem bestimmten Tag nicht mehr möglich wird, oder gibt es Übergangsfristen?
Gerald Mann: Wahrscheinlich ist eine Kombination von Zuckerbrot und Peitsche, also Transaktionskostenvorteile bei elektronischer Zahlung sowie Verbote wie sukzessive Absenkung der zulässigen gesetzlichen Höchstgrenzen. Auch könnten große Scheine schrittweise aus dem Umlauf genommen werden.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist das ein europäisches Phänomen oder gibt es die Bestrebungen auch anderswo?
Gerald Mann: Gerade US-Ökonomen wie Rogoff und Summers fordern die Bargeldabschaffung, damit Sparer sich Negativzinsen nicht mehr entziehen können. In USA oder Skandinavien ist Bargeld schon deutlich weiter zurückgedrängt. Für Schweden wird in einer Studie für 2030 mit einer bargeldlosen Gesellschaft ("cashless
society") gerechnet.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist die Diskussion auch Ausdruck der außer Kontrolle geratenen Schulden-Krise - die Staaten brauchen jeden Cent?
Gerald Mann: Die Staatsschuldenkrise dauert an und eine Lösung ist nicht einmal im Ansatz in Sicht. Menschen könnten in Panik geraten und ihre Guthaben abheben. Wenn das nur eine Bank trifft wie in England 2008 "Northern Rock", dann kann das logistisch bewerkstelligt werden. Wenn das Misstrauen aber das Gesamtsystem aus miteinander verbundenen Staatsfinanzen und Banken trifft, dann wird es nur noch mit Abhebungsbeschränkungen wie in Zypern 2013 gehen. Das wäre eine Bankrotterklärung des Systems. Durch eine Abschaffung des Bargeldes werden Bankruns im herkömmlichen Sinne unmöglich. Buchgeld kann dann zwar von einer zur anderen Bank transferiert werden, bleibt aber immer im Bankensystem, was auch für dieses eine komfortablere Situation als der Ist-Zustand darstellt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie kann man sich gegen ein Bargeld-Verbot schützen?
Gerald Mann: Alternativen können Bargeld fremder Währungen darstellen - deswegen ist aber mit der Bestrebung zu rechnen, dass Bargeld im OECD-Rahmen abgeschafft wird.
Dann blieben noch Renmimbi etc. Daneben bieten sich Regionalwährungen wie der Chiemgauer oder Verrechnungsgutscheine zum Tausch von Leistungen an (also Rasenmähen gegen Klavierunterricht). Wichtig ist auch der Aufbau von Sozialkapital, so dass man in Krisenzeiten auf ein Netzwerk qua Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft bauen kann.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wäre die logische Folge ein Verbot für Gold und Silber?
Gerald Mann: Edelmetalle können ebenfalls als Ersatzwährung genutzt werden. Auch hier kann der Staat allerdings mit Verboten einschreiten. Kameraüberwachung und Kontrollen über abgehörte (Mobil-)telefone können dem Staat hier dienlich sein. Auch ein generelles Verbot, vor allem von privaten Goldbesitz, ist denkbar. Die Abschaffung des Bargeldes würde die Menschheit nachhaltig verändern, und - ich fürchte - nicht zum Positiven.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Es gibt auch den Vorschlag, Bargeld gegenüber dem Zentralbankgeld quasi abzuwerten. Was halten Sie davon, und wie müsste das aussehen, das es funktioniert?
Gerald Mann: Auch das ist denkbar. Wer bar zahlt muss einen höheren Betrag bezahlen. Ähnliches lässt sich auch erreichen, wenn man sehr hohe Gebühren auf Abhebungen bzw. für Bareinzahlungen auf Konten berechnet. Oder viel "feiner": Man überträgt den Status des gesetzlichen Zahlungsmittels von Bargeld auf Buchgeld. Damit ist es zwar nicht verboten, aber im Falle einer Krise kann es nicht mehr zum Einkauf verwendet werden, sondern nur noch Buchgeld, über das sich der Kaufverhalten durch alle möglichen Vorgaben steuern lässt.
Gerald Mann ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Studienleiter Bachelor an der FOM Hochschule in München. Davor arbeitete er als Unternehmensanalyst in einer Großbank und war dann Geschäftsführer und Berater im Verlagswesen. 2006 promovierte er über transatlantische Handelspolitik an der Universität der Bundeswehr in München. Er arbeitete als freiberuflicher Dozent und als Gastdozent in der VR China. 2012 erhielt er den BCW-Stiftungspreis für exzellente Lehre.
In seinem mit Ulrich Horstmann verfassten Buch "Bargeldverbot: Alles, was Sie über die kommende Bargeldabschaffung wissen müssen" analysiert Mann die Lage und erklärt dem Leser auf leicht verständliche und vor allem unideologische Weise, was ihn erwartet und wie er sich im Falle der Abschaffung des Bargelds schützen kann. Das Buch kann hier beim Verlag oder bei Amazon sowie in all den guten deutschen Buchhandlungen bestellt werden.