Die mögliche Milliarden-Übernahme des Schweizer Agrochemiekonzerns Syngenta durch Monsanto lässt in der Saatgutbranche die Begehrlichkeiten ins Kraut schießen. Denn im Falle einer Akquisition, die Monsanto zum weltgrößten Pflanzenschutz-Produzenten machen würde, müsste der US-Konzern für die Zustimmung der Kartellbehörden wohl die Saatgut-Sparte von Syngenta verkaufen. Als wahrscheinlichster Interessent dafür gilt bei vielen Analysten der Chemiekonzern BASF. Bayer wird ebenfalls als heißer Kandidat gesehen und auch KWS Saat hat Interesse an Teilen des Geschäfts signalisiert. Noch zeigt Syngenta dem US-Genpflanzen-Hersteller die kalte Schulter und hat das 45-Milliarden-Dollar-Angebot als zu niedrig zurückgewiesen. Doch mögliche Käufer stehen bereit.
„Bayer hat kein starkes Saatgutgeschäft und BASF gar keines. Die beiden Unternehmen müssten sehr interessiert sein, bei so einer Gelegenheit dieses Saatgutgeschäft zu kaufen“, sagt Analyst Christian Faitz von Kepler Cheuvreux. Er tippt eher auf BASF, da es zwischen den Geschäften von Bayer und Syngenta einige Überlappungen gebe, etwa bei Obst- und Gemüsesaatgut. Zudem sei der Leverkusener Konzern noch mit der Integration der jüngsten Zukäufe - Bayer hatte 2014 unter anderem das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten vom US-Pharmakonzern Merck & Co für gut zehn Milliarden Euro übernommen - beschäftigt.
„BASF hat die Kriegskasse dafür, das würde für alle Beteiligten gut passen und es gibt keine kartellrechtlichen Bedenken“, urteilt Faitz. Das Angebot der Ludwigshafener an Pestiziden könnte durch Saatgut sinnvoll ergänzt werden. „So eine Gelegenheit kann man sich nicht entgehen lassen.“ Dow Chemical und Dupont kommen für ihn eher nicht infrage, da die beiden US-Chemiekonzerne derzeit mit Investoren hadern, die die Abspaltung von Geschäften fordern. Auch Analyst Martin Schreiber von der Zürcher Kantonalbank sieht BASF als wahrscheinlichsten Kandidaten. „BASF könnte das locker stemmen und es würde strategisch Sinn machen.“ Er hält aber auch einen Zusammenschluss von Syngenta mit Dupont als Plan B der Schweizer für möglich schließt einen Bieterkampf nicht aus. „Beim Saatgutgeschäft will jeder Marktanteile kaufen.“
Monsanto, vor allem für seine gentechnisch veränderten Maissorten bekannt, kontrolliert nach Schätzungen von Experten gut ein Viertel des 40 Milliarden Dollar schweren weltweiten Saatgutmarktes, gefolgt von der Dupont-Tochter Pioneer mit 21 Prozent. Syngenta kommt mit seinem Saatgutgeschäft, dessen Wert auf sechs bis acht Milliarden Dollar geschätzt wird, auf einen Marktanteil von acht Prozent. Beim Pflanzenschutz sind jedoch die Schweizer Marktführer, und genau in diesem Geschäft - Mittel gegen Insektenbefall, Unkräuter und Pilze - ist Monsanto unter Druck. Der US-Konzern ist hier stark abhängig von seiner glyphosathaltigen Produktserie "Roundup", gegen die in den USA manche Unkräuter aber bereits Resistenzen bebildet haben. „Die Resistenzbildung zwingt Monsanto, eine neue Produktpalette aufzubauen“, sagt Analyst Schreiber.
Insider hatten BASF und Bayer neben Dow Chemical bereits als etwaige Interessenten gehandelt, sollte Monsanto mit seiner Offerte Erfolg haben und Geschäftssparten veräußern müssen. China National Chemical Corp (ChemChina) hat dagegen abgewinkt. BASF und Bayer hatten sich offiziell dazu nicht äußern wollen. Bayer rechnet unabhängig vom Ausgang der Übernahmeavancen von Monsanto mit einer Konsolidierung in der Pflanzenschutz- und Saatgutbranche: „Wann, in welcher Form und mit welchen Partnern die Konsolidierung voranschreitet, bleibt abzuwarten“, hatte der Chef des Bayer-Agrarchemiegeschäfts, Liam Condon, in einer E-Mail gegenüber Reuters erklärt. „Die führenden Marktpositionen von Monsanto und Syngenta in ihren jeweiligen Geschäften - vor allem in den Kulturen Soja und Mais in den USA - dürften einen Zusammenschluss nicht leicht machen. Beide müssten hier womöglich zu große Zugeständnisse eingehen.“
Für Monsanto gab es in der Schweiz vor wenigen Tagen bereits eine Niederlage: Ein WHO-Bericht darüber, dass Monsantos Glyphosat offenbar krebserregend ist, zeigte Wirkung. Die Schweizer Handelsketten Migros und Coop nehmen Glyphosat nun aus ihren Läden. In Bayern stand ein Verbot zur Debatte, der Landtag sprach sich nun jedoch dagegen aus.
Auch in den USA ist Monsanto gerade heftig in die Kritik geraten, denn für die Verabschiedung des US-Gesetzes zum Transpazifischen Freihandelsabkommen wurden offenbar US-Senatoren gekauft. Offiziell werden die Zuwendungen als Spenden tituliert. Es ist allerdings ziemlich offenkundig, dass es sich hier um Korruption handelt - genau jenes Vergehen, dass das US-Justizministerium vor wenigen Tagen mit großem Pathos dem Fußballverband Fifa vorgeworfen hat.