Finanzen

Börsen-Panik in China: Handel weitgehend ausgesetzt

Die Shanghaier Börse fällt trotz massiver staatlicher Eingriffe binnen drei Wochen um rund ein Drittel. Das ist der größte Kursrutsch seit mehr als 20 Jahren. Die chinesische Börsenaufsicht setzte wegen der Panik am Mittwoch den Handel etlicher Aktienwerten aus.
08.07.2015 12:21
Lesezeit: 2 min

Der für Festland-China wichtige Shanghaier Aktienmarkt brach um sechs Prozent ein und verlor damit binnen drei Wochen rund ein Drittel seines Werts. Das ist das größte Minus seit über 20 Jahren. Nicht einmal die zahlreichen staatlichen Eingriffe konnten den Markt beruhigen.

Die Panik weitete sich auf die Börsen in den Nachbarländern aus und stürzte auch die Rostoffmärkte in Turbulenzen. Die Folgen waren bis nach Europa spürbar. Am Devisenmarkt flüchteten viele Anleger in den japanischen Yen, der als „sicherer Hafen“ Asiens gilt.

„Ich habe noch nie einen derartigen Kurssturz erlebt“, sagte Analyst Du Changchun vom Vermögensberater Northeast Securities. „Ich glaube, niemand hat das.“ Wang Feng, Mitgründer und Chef des Hedgefonds Alpha Squared Capital, sprach von Panikverkäufen. „Das Problem ist, dass alle Marktteilnehmer in dieselbe Richtung drängen und zu emotional reagieren.“ Die chinesischen Behörden warnten ebenfalls vor einer Panik und setzten den Handel mit zahlreichen Papieren aus, um den Crash zu begrenzen.

Im Sog der chinesischen Aktienmärkte rutschte der weltweit viel beachtete Nikkei-Index der Tokioter Börse um 3,1 Prozent ab. Unter die Räder kamen in Japan vor allem Unternehmen mit engen Geschäftsbeziehungen zu China, um Beispiel Baufirmen.

In Deutschland traf es die Autobauer besonders hart, für die das Reich der Mitte der wichtigste Absatzmarkt ist. BMW, Daimler und Volkswagen gehörten mit Kursverlusten von bis zu 2,8 Prozent zu den größten Verlierern im Dax.

Die Preise für Eisenerz und Stahl fielen in China auf ein Rekordtief. Kupfer war mit 37.960 Yuan (6113 Dollar) so billig wie zuletzt vor sechs Jahren. In den Strudel geriet auch Öl. Die richtungsweisende Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 1,2 Prozent auf 56,19 Dollar je Barrel (159 Liter).

Bislang führen die Börsenturbulenzen der vergangenen Wochen noch nicht zu Problemen in Chinas Wirtschaft. „Wir erwarten aber ein geringeres Wachstum, niedrigere Unternehmensgewinne und ein höheres Risiko einer Finanzkrise“, erklärten Analysten der Bank of America Merrill Lynch. Die Essener National-Bank verwiesen darauf, dass in China vor allem Kleinanleger - meist auf Kredit - an der Börse spekuliert hätten. Die Kurse hatten sich seit dem Spätherbst mehr als verdoppelt. Weil die Privatanleger wegen der enormen Wertverluste weniger Geld zur Verfügung haben, rechnen viele Experten nun mit einem Rückgang des Konsums.

Die chinesische Börsenaufsicht setzte wegen der Panik am Mittwoch den Handel mit 500 weiteren Aktienwerten aus, nachdem sie schon in den vergangenen Tagen zu ähnlich drastischen Maßnahmen gegriffen hatte. Damit können nun fast die Hälfte aller an den Börsen Shanghai und Shenzen notierten Dividendenpapiere weder ge- noch verkauft werden. Dies verschärfe das Problem aber sogar noch, betonte Northeast-Analyst Du. „Da so viele Kleinwerte vom Handel ausgesetzt sind, ist der einzige Weg, das Risiko zu minimieren, der Verkauf von Standardwerten.“

Nach dem Crash an den chinesischen Börsen rät die Regierung staatlichen Banken und Versicherern von Panik-Verkäufen ab. Sie sollten stattdessen ihre Anteile an börsennotierten Unternehmen ausweiten, erklärte das Finanzministerium der Volksrepublik am Mittwoch. Die Kurse seien „unterhalb eines angemessenen Niveaus“.

Insidern zufolge forderten die Aufsichtsbehörden im benachbarten Taiwan unterdessen einheimische Banken, Versicherer und Handelshäuser auf, ihr Engagement an den Aktienmärkten der Volksrepublik offenzulegen. Demnach sollen Gewinne, Verluste sowie Investitionen in börsennotierte Firmen detailliert aufgeführt werden. Der Crash in China hat auch in der benachbarten Inselrepublik für Erschütterungen am Aktienmarkt gesorgt und den größten Tagesverlust seit mehr als drei Jahren ausgelöst.

Am Wochenende hatten zudem die 21 größten Börsenmakler des Landes angekündigt, zur Stützung der Kurse gemeinsam umgerechnet mindestens 17,3 Milliarden Euro in Wertpapiere zu investieren. Im Gegenzug erhalten sie billiges Geld von der chinesischen Zentralbank. Seither hat der Shanghaier Index allerdings weitere 13 Prozent verloren. In Japan waren ähnliche Bemühungen in den 1990er Jahren erfolglos geblieben.

An den europäischen Aktienbörsen blieben größere Verkäufe im Sog Chinas zunächst aus. Der Dax notierte kaum verändert bei 10.688 Punkten und der EuroStoxx50 legte sogar minimal auf 3313 Zähler zu. „Aber man kann sich den Sturzhelm schon mal anziehen“, warnte Marktanalyst Heino Ruland von Ruland Research.

Der Crash könnte für die deutsche Exportwirtschaft gefährlicher als die Euro-Krise werden. Nach den Russland-Sanktionen droht der Verlust eines weiteren, wichtigen Absatzmarktes.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Start-up WeSort.AI: Wie künstliche Intelligenz die Mülltrennung revolutioniert
16.05.2025

Die Müllberge wachsen von Jahr zu Jahr, bis 2050 sollen es fast siebzig Prozent mehr Abfall sein. Die Brüder Johannes und Nathanael Laier...

DWN
Politik
Politik Zentralplanerisches Scheitern: Lukaschenkos Preiskontrolle lässt Kartoffeln verschwinden
16.05.2025

Die belarussische Regierung hat mit rigider Preiskontrolle einen der elementarsten Versorgungsbereiche des Landes destabilisiert....

DWN
Finanzen
Finanzen Philipp Vorndran: „Kaufen Sie Immobilien, Gold – und streuen Sie Ihr Vermögen global“
16.05.2025

Anleger müssen umdenken: Investitionsstratege Philipp Vorndran warnt im Gespräch mit Peter Frankl vor einem Kollaps des alten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Kleinaktionäre drängen auf Rückzug von VW-Chef Blume bei Porsche
16.05.2025

VW-Chef Blume steht zunehmend unter Druck: Kritik aus den eigenen Reihen bringt seine Doppelrolle ins Wanken. Wie lange kann er sich noch...

DWN
Finanzen
Finanzen Was sind alternative Investments? Whisky, Windpark, Private Equity – wie Sie abseits der Börse Rendite machen
16.05.2025

Alternative Investments gelten als Baustein für resiliente Portfolios. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Anlageklasse? Warum sie...

DWN
Politik
Politik Dobrindt: Grenzkontrollen markieren den Beginn eines Kurswechsels
16.05.2025

Innenminister Dobrindt setzt auf strengere Maßnahmen und schärfere Grenzkontrollen – ein klarer Kurswechsel in der Migrationspolitik....

DWN
Politik
Politik Grüne kritisieren Wadephuls Aussage zu Verteidigungsausgaben als "naiv"
16.05.2025

Verteidigungsausgaben sollen auf fünf Prozent steigen – ein Vorschlag, der Deutschland spaltet. Doch wie realistisch ist dieses Ziel?...

DWN
Politik
Politik Merz warnt vor Wiederbelebung von Nordstream 2 – Geheimgespräche zwischen USA und Russland
16.05.2025

Geheimgespräche zwischen Washington und Moskau über Nordstream 2 alarmieren Berlin. CDU-Chef Friedrich Merz warnt vor einer...