Politik

Börsen-Crash in China: 3,5 Billionen Dollar ausgelöscht

Die Börsen in China stehen unter Schock: 3,5 Billionen Dollar wurden durch den Crash ausgelöscht. Viele Kleinanleger waren in die Märkte gegangen, obwohl die Daten der Unternehmen nicht berauschend waren. Die Regierung in Peking versucht, den Brand zu löschen. Noch ist die globale Wirtschaft relativ gelassen und sieht den Vorgang als ein Korrektur. Weiter nach unten darf es allerdings nicht gehen.
09.07.2015 00:42
Lesezeit: 3 min

Nach dem massiven Kurssturz in China treffen Regierung und Börsenaufsicht erneut Maßnahmen, um den freien Fall an den Märkten zu stoppen. Während das Kabinett am Mittwoch ein 250 Milliarden Yuan (36,6 Milliarden Euro) schweres Konjunkturprogramm auflegte, erschwert die Aufsicht weitere Panik-Verkäufen: Anleger müssen ihre Anteile nun ein halbes Jahr halten, wenn sie mehr als fünf Prozent der Aktien eines Unternehmens besitzen. Bei Verstößen drohen harte Strafen.

Zuvor war der für Festland-China wichtige Shanghaier Aktienmarkt um sechs Prozent eingebrochen und verlor binnen drei Wochen rund ein Drittel seines Werts. Das ist der größte Crash seit über 20 Jahren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der chinesische Aktienmarkt hat in den vergangenen drei Wochen etwa 30 Prozent seines Wertes verloren. Was ist ursächlich für so einen massiven Kursverfall?

Adrian Zuercher: Einen spezifischen Grund auszumachen ist schwierig. Es ist eher die altbekannte Geschichte von Euphorie und Furcht. In den vergangenen Monaten hat der chinesische Aktienmarkt eine sagenhafte Rallye erlebt, ermöglicht durch Millionen von Kleinanlegern, welche durch immer höhere Gewinne angelockt wurden. Ein Schneeballeffekt, der von der Regierung einerseits mit Argusaugen beobachtet wurde, gleichzeitig aber auch mit billigem Geld von ihr geschürt wurde. Fundamental war der Aktienanstieg jedoch schlecht untermauert. Insbesondere bei Aktien von kleineren und mittleren Unternehmen kam es zu Übertreibungen. Im Juni blieben plötzlich die neuen Käufer aus und als die ersten Gewinnmitnahmen einsetzten, löste dies eine Abwärtsspirale aus. Der Effekt wurde verstärkt, da ein Teil der vorangegangen Rallye mit Krediten finanziert wurde.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Bei einem möglichen Crash: Wie viel Kapital ist im Risiko?

Adrian Zuercher: Die jüngste Kursdynamik in Shanghai und Shenzhen kommen einem Crash relativ nahe. In den beiden chinesischen Märkten zusammen wurden etwa 3,5 Billionen US-Dollar seit dem Beginn der Korrektur ausgelöscht. Das entspricht in etwa dem Aktienmarkt von Großbritannien. Die aktuelle Marktkapitalisierung beträgt nun noch 7,8 Billionen US-Dollar, dies würde jedoch bedeuten, dass der ganze Aktienmarkt ausgelöscht würde, wovon wir natürlich nicht ausgehen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die chinesischen Regulatoren versuchen bereits mit mehrfachen Zinssenkungen und vereinfachter Kreditvergabe der Banken gegenzusteuern. Warum hat das bislang keine Effekte?

Adrian Zuercher: Wir erleben eine Vertrauenskrise und die Psychologie regiert zurzeit am Aktienmarkt. Die Furcht von Verlusten ist stärker als der Anreiz für allfällige Gewinne. Die Regierung wird sicherlich weiterhin versuchen mit Maßnahmen die Anleger zu beruhigen, es ist jedoch schwierig auszumachen, wann und ob dies gelingen wird. Das positive ist, dass mittlerweile die Bewertungen in einigen Sektoren als attraktiv bezeichnet werden können, das gilt jedoch noch nicht für den Gesamtmarkt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Finanzmarktaufseher suchen auch verstärkt nach Hinweisen auf illegale Marktmanipulationen. Viele chinesische Investoren glauben offenbar, dass die Schuld an der Talfahrt bei ausländischen Investoren liege, die massiv auf fallende Kurse in China gewettet haben sollen. Ist da was dran?

Adrian Zuercher: Die Regierung wird zurzeit arg auf die Probe gestellt. In den letzten Monaten haben sie immer wieder über die Zeitungen den Aktienmarkt stark geredet. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass ausländische Investoren die Abwärtsspirale ausgelöst haben. Nur etwas 2 Prozent des domestischen Aktienmarkts ist in den Händen von internationalen Anlegern.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie bewerten Sie die Rettungsversuche durch stützende Wertpapierkäufe in Milliardenhöhe durch die größten chinesischen Broker?

Adrian Zuercher: Diese Strategie hat bis anhin noch nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Es macht jedoch durchaus Sinn, den Anteil an institutionellen Anlegern mit einer „großen Brieftasche“ und „ruhigen Händen“ zu erhöhen. Institutionelle Anleger haben meist einen sehr viel längeren Anlagehorizont und sind weniger anfällig für kurzfristige Turbulenzen. Ungefähr 80 Prozent der täglichen Börsenaufträge stammen zurzeit von Kleinanlegern, welche den Markt beherrschen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist es tatsächlich so, dass in China vor allem Privatpersonen traden, die ein hohes Risiko eingehen? Sollte daher das „Margin Lending“ reduziert bzw. reguliert werden?

Adrian Zuercher: Das „Margin Lending“ hätte von Anfang an besser kontrolliert werden sollen. Es ist zwar relativ klein und macht etwa 4 Prozent der Börsenkapitalisierung aus, jedoch war der Anstieg viel zu rasant. Was zurzeit an den Märkten passiert, ist ein Selbstregulierungsprozess. Das „Margin Lending“ wurde aufgrund von gezwungen Verkäufen bereits um 30 Prozent reduziert. Daher braucht es momentan keine neuen Gesetze, für die Zukunft wäre die Regierung jedoch gut beraten, dieses Segment etwas mehr zu kontrollieren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr eines Crashs in China für Asien?

Adrian Zuercher: Das Sentiment an den Börsen hat sich in den letzten Tagen eingetrübt, nicht nur in China, sondern in ganz Asien. Bleibt anzumerken, dass Griechenland diesen Prozess verstärkt hat. Wir sind jedoch der Meinung, dass die makroökonomischen Konsequenzen in China wie auch für die ganze asiatische Region limitiert bleiben. Der Vermögenseffekt von Aktien in China hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Konsumverhalten in China als es nach oben ging und somit sollte dies nun auch nicht anders sein, wenn es nach unten geht. Insofern sollten asiatische Firmengewinne nicht nachhaltig davon betroffen sein und somit auch keinen größeren Einfluss auf die Aktienpreise haben. Zumal die wirtschaftliche Erholung in den USA und Europa eher ein Plus für asiatische Firmen ist.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr eines Crashs in China für den Euroraum und die USA?

Adrian Zuercher: Sofern China keine wirtschaftliche Bruchlandung von der Korrektur bei Aktien erlebt, wovon wir nicht ausgehen, sollte die Ansteckungsgefahr relativ klein sein.

Adrian Zuercher ist Head Asset Allocation APAC, UBS Wealth Management CIO und sitzt in China.

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