Politik

Druck auf Deutschland wächst: Tschechien schickt Flüchtlinge weiter

Lesezeit: 2 min
03.09.2015 11:17
Tschechien folgt dem Beispiel Ungarns und lässt syrische Flüchtlinge ab sofort ungehindert nach Deutschland reisen. Die Begründung der Regierung: Deutschland habe erklärt, syrische Flüchtlinge aufnehmen zu wollen – und die meisten wollten dorthin. Daher sei es sinnlos, sie aufzuhalten. Polen schottet sich dagegen gegenüber Ungarn ab.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Tschechien lässt die meisten syrischen Flüchtlinge, die aus Ungarn einreisen, ab sofort ungehindert nach Deutschland passieren. Es würden nur noch die Personalien festgestellt, sagte Polizeisprecherin Katerina Rendlova am Mittwoch der Agentur CTK. «Wir lassen sie mit der Maßgabe frei, innerhalb von sieben Tagen das Land zu verlassen, und begleiten sie zum Bahnhof», sagte sie.

Bislang waren Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland in Tschechien aufgehalten und in Abschiebelager gebracht worden. Von dort sollten sie gemäß dem Dubliner Abkommen der EU nach Ungarn zurückgebracht werden. Das Abkommen sieht vor, dass das Land für das Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Gebiet betreten hat.

Ungarn nehme die Flüchtlinge aber schon seit längerem nicht mehr zurück, kritisierte die Regierung in Prag. Die Migranten festzunehmen, sei daher «ineffektiv und zwecklos». Zudem habe Deutschland erklärt, es wolle syrische Flüchtlinge aufnehmen. Noch in Abschiebelagern lebende Syrer würden demnächst freigelassen.

Voraussetzung ist den Behörden zufolge, dass die Migranten tatsächlich aus Ungarn einreisten und dort registriert wurden. «Und das sind längst nicht alle Syrer», sagte die Polizeisprecherin am Abend dem tschechischen Rundfunk.

Tschechiens Innenminister Milan Chovanec hatte zuvor angedeutet, Syrer in einer Art «Flüchtlingskorridor» nach Deutschland passieren lassen zu wollen. In der vorigen Woche machte der Sozialdemokrat einen solchen Schritt aber noch von der Zustimmung der Bundesregierung abhängig.

Die polnische Bahngesellschaft PKP Intercity steuert wegen der Verhältnisse auf dem Ostbahnhof in Budapest die ungarische Hauptstadt bis auf weiteres nicht mehr an. Die Verbindungen von Polen nach Ungarn endeten auf Bitte der ungarischen Bahn am Grenzbahnhof Szob, teilte das Unternehmen am Donnerstag auf seiner Webseite mit. Von dort könnten Reisende mit Regionalzügen weiter fahren. Im Keleti-Bahnhof von Budapest warten derzeit tausende Flüchtlinge auf eine Weiterreise. Die polnische Bahn steuert regulär mit ihren Zügen «Silesia» und «Chopin» von Krakau und Warschau aus die ungarische Hauptstadt an.

Weigerungen osteuropäischer EU-Staaten gegen eine Verteilung der Flüchtlinge sollten nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer Auswirkungen auf EU-Zahlungen haben. "Man kann nicht mit nationalen Argumenten gegen eine EU-Politik argumentieren und annehmen, dass dies keine Auswirkungen haben würde", sagte Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Zuvor hatte bereits der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann gedroht, Osteuropäern EU-Finanzleistungen zu kürzen.

Die Regierungen der Slowakei, Ungarns, Tschechiens und Polens, die sich gegen die auch von Deutschland geforderte verbindliche Verteilung von Flüchtlingen über die EU-Staaten stemmen, wollen sich am Wochenende in Prag abstimmen. "Wir brauchen aber eine enge Solidarität in der EU in dieser Frage, um in Deutschland die Akzeptanz zu erhalten", sagte Schäfer. "Die Frage der Finanzen muss ernsthaft diskutiert werden." Der Sozialdemokrat warnte vor einer Ost-West-Spaltung. Die EU müsse das Problem gemeinsam lösen, um eine Katastrophe zu verhindern.

Der europapolitische Sprecher der Grünen, Manuel Sarrazin, lehnte dagegen die Drohung mit Finanzkürzungen ab. Da beim Thema Asyl kein alleiniges EU-Recht gelte, könne man den osteuropäischen EU-Staaten nicht EU-Zahlungen kürzen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
19.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...