Politik

Flüchtlinge: Österreich droht mit „Gewalt-Einsatz“ an den Grenzen

Österreich will für den Fall, dass Deutschland seine Grenzen dichtmacht, seine eigenen Grenzen gegen die Flüchtlinge auch mit Gewalt verteidigen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, im September habe die Einwanderung nach Deutschland einen historischen Wert erreicht.
29.09.2015 17:36
Lesezeit: 3 min

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Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will im Falle einer Grenzschließung durch Deutschland drastische Maßnahmen ergreifen. Mikl-Leitner sagte am Dienstag, wenn Deutschland die Grenzen dicht mache, werde es zu einem massiven Rückstau in Österreich kommen. „Dann haben wir nur noch eine Chance. Die Grenzen ganz dicht zu machen und dichtest zu kontrollieren“, sagte sie.

Die Innenministerin wörtlich laut der Tageszeitung Die Presse:

„Man muss sich bewusst sein, wenn es keine internationale Lösung gibt, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Vorgangsweise wie bisher oder dann eben ein strenges Vorgehen an den Grenzen, das heißt auch, mit Gewalteinsatz“.

Die Bilder aus Österreich könnten sich dann mit jenen aus Moldawien ähneln. Dort wurden Blendgranaten und Tränengas gegen die Flüchtlinge eingesetzt. Ob Österreich, ähnlich wie das von der Wiener Regierung zuletzt noch heftig kritisierte Ungarn, auch die Errichtung von Zäunen plant, sagte die Ministerin nicht.

Nach Angaben des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann sind im September bislang 167.000 Flüchtlinge nach Österreich gekommen, die in der Regel die sogenannte Balkanroute über Ungarn nutzen. Am Montag trafen über diesen Weg 3.700 in der Alpenrepublik ein, am Dienstag waren es bis zum frühen Nachmittag schon fast doppelt so viele.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Österreich wegen der Flüchtlinge unter Druck gesetzt: Die Zahl oder wenigstens die Frequenz der Sonderzüge nach Deutschland soll reduziert werden. Zwischen beiden Ländern hat es offenbar eine geheime Absprache gegeben, dass Österreich die Flüchtlinge nach Deutschland durchwinken darf.

Teil des Deals soll es gewesen sein, dass Österreich die Praxis abstellt, Züge mit Bussen an die deutsche Grenze zu bringen. Von dort haben sich in den vergangenen Tagen Tausende Flüchtlinge über die grüne Grenze nach Deutschland begeben. Offizielle Zahlen gibt es nur noch in eingeschränktem Maß: Die bayrische Polizei hat beschlossen, nur noch die Zahl der offiziell erfassten Illegalen zu kommunizieren.

Die Bundesregierung hat die Pläne nur halbherzig dementiert: Sie will zumindest in den kommenden Tagen Flüchtlinge mit Sonderzügen von Österreich übernehmen. Die Bundesrepublik habe ein großes Interesse daran, dass die Menschen in einem geordneten und transparenten Verfahren nach Deutschland kämen, sagte Innenministeriums-Sprecher Johannes Dimroth. Ein Enddatum für diese Kooperation könne er nicht nennen, da immer die aktuelle Lage gesehen werden müsse.

Vor wenigen Tagen kam es an der österreichischen Grenze zu Slowenien zu einem Zwischenfall: Hunderte Flüchtlinge haben die Aufforderung der österreichischen Polizei zur Pass-Kontrolle einfach ignoriert und sind, ohne die Beamten zu beachten, weitermarschiert. (Video am Anfang des Artikels)

Die Flüchtlingsströme nach Deutschland laufen in diesem Monat auf einen neuen Höchststand zu. „Der September wird ein Rekordmonat dieses Jahres und damit auch für die vergangenen Jahrzehnte werden“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere am Dienstag in Berlin. Bislang liegt der Rekord bei 105.000 Flüchtlingen im August. Um den Ansturm besser bewältigen zu können, beschloss das Bundeskabinett ein umfassendes Gesetzespaket. Damit sollen Asylregeln verschärft, die Verfahren beschleunigt und ein zügiger Bau von Unterkünften möglich werden. Vorgesehen sind zudem Milliardenhilfen des Bundes für Länder und Kommunen. In der Union werden aber bereits Forderungen nach weitergehenden Regelungen laut.

Verlässliche Zahlen zu den Flüchtlingen könne es erst in einigen Tagen geben, sagte de Maiziere. Klar sei aber, dass im September deutlich mehr Migranten angekommen seien als im August. Laut CSU-Chef Horst Seehofer kamen seit Monatsbeginn knapp 170.000 Flüchtlinge in Bayern an. Bislang geht der Bund für dieses Jahr offiziell von 800.000 Asylbewerbern aus.

Allein am Montag registrierte die Bundespolizei 5300 illegale Einreisen und am Sonntag 4160, wobei die tatsächliche Zahl einem Sprecher zufolge bis zu drei Mal höher liege. Zudem werden nach Angaben der Bundespolizei jeden Tag zwischen 2000 und 3000 Menschen mit vier bis fünf Sonderzügen meist von Salzburg in deutsche Aufnahmeeinrichtungen gefahren. Sie fahren beispielsweise Nonstop nach Düsseldorf oder Lehrte. Der Innenminister des Saarlandes warnt vor chaotischen Zuständen.

Mit dem vom Kabinett gebilligten Gesetzespaket verdoppelt der Bund für dieses Jahr seine Unterstützung auf zwei Milliarden Euro. Ab 2016 übernimmt er für jeden Flüchtling eine Pauschale von 670 Euro pro Monat. Zusammen mit weiteren finanziellen Zusagen etwa für den sozialen Wohnungsbau und die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger können die Länder so 2016 mit mehr als vier Milliarden Euro rechnen.

Um mögliche Fehlanreize abzubauen, sollen in den Erstaufnahmeeinrichtungen Bargeldzahlungen durch Sachleistungen ersetzt werden. Wer aus wirtschaftlichen Gründen, aber nicht wegen politischer Verfolgung oder Krieg einreist, soll schneller abgeschoben werden. Für abgelehnte und ausreisepflichtige Personen, die einen Termin zur freiwilligen Ausreise haben verstreichen lassen, sind Leistungskürzungen geplant. Die gesetzlichen Regeln sollen noch im Oktober verabschiedet werden und am 1. November in Kraft treten. Die Zustimmung der Grünen in mehreren Landesregierungen gilt als sicher.

Unions-Politiker pochen auf weitere Gesetzesänderungen. De Maiziere sprach sich dafür aus, bereits an der Grenze Asylbewerber ohne Aussicht auf ein erfolgreiches Verfahren abzuweisen. Er sei dafür, diese „Flughafenregelung“ auch auf Landgrenzen auszudehnen. Eine EU-Richtlinie sehe diese Möglichkeit vor, die auch in Deutschland umgesetzt werden könne. Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hatte sich für derartige Transitzonen ausgesprochen. Die CSU will den Vorschlag nun prüfen.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), fordert Ausnahmeregelungen vom Mindestlohn, um Flüchtlinge leichter einstellen zu können. Auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte, möglicherweise müsse der Mindestlohn auf den Prüfstand kommen. Auch Hasselfeldt mahnte, hier wie an anderen Stellen dürfe es keine Denkverbote geben.

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