Unternehmen

Steueroase: Russland setzt Banken-Standort Schweiz unter Druck

Russland hat die Schweiz neben 118 weiteren Ländern auf die vorläufige Liste der Steueroasen gesetzt. Wird die Liste im November von den Behörden bestätigt, droht russischen Unternehmen in der Schweiz eine doppelte Besteuerung. Das bedroht auch die Schweizer Wirtschaft.
01.11.2015 00:49
Lesezeit: 2 min

Die Verflechtungen mit ausländischen Unternehmen sind seit jeher ein Markenzeichen des Standorts Schweiz. Wie im Bankensystem zeigt sich das auch in anderen Branchen. Unabhängig von der Krise in Osteuropa könnte es aber ab dem nächsten Jahr ein paar Umbrüche geben. In dieser Woche veröffentlichte die russische Steuerbehörde FNS einen neuen Verordnungsentwurf.

Aus diesem geht hervor, dass es insgesamt 119 Länder und Territorien gibt, die Russlands Behörden zufolge dem Austausch von Steuerinformationen mit Russland nicht entsprechen. Aus diesem Grund stehen diese nun auf der vorläufigen Liste der Steueroasen. Neben Estland, Großbritannien und Liechtenstein befindet sich nun auch die Schweiz auf der Liste. Länder wie Zypern und Luxemburg stehen jedoch nicht auf der Liste.

Sollte die geplante Verordnung am 9. November nach einer erneuten Begutachtung bestätigt werden, hätte die Liste ab Januar 2016 Gültigkeit. Das bedeutet, dass ab dem kommenden Jahr russischen Investoren in der Schweiz erhebliche steuerliche Nachteile drohen. So müssen Unternehmen, die in Ländern der Steueroasen-Liste tätig sind und zu über 25 Prozent Russen bzw. russischen Firmen gehören, mit einer doppelten Besteuerung rechnen: sowohl in Russland als auch in dem Land, in dem sie noch tätig sind.

Unklar ist, ob dies auch andersrum bedeutet, dass beispielsweise schweizerische Unternehmen, die in Russland tätig sind, ebenfalls doppelt besteuert werden sollen. In Russland sind derzeit etwa 600 Unternehmen tätig, sagte der Schweizer Botschafter in Moskau, Pierre Helg, Anfang des Jahres der Thurgauer Zeitung.

Wie die Moskauer Wirtschaftszeitung Wedomosti berichtet, hätten russische Unternehmen bis 2016 keine Möglichkeit mehr, eine für die zu zahlenden Steuern sinnvolle Umstrukturierung der Beteiligung im Ausland umzusetzen. Von der Zeitung befragte Experten rechnen aufgrund der neuen Liste mit „ernsthaften Auswirkungen“ auf die russischen Unternehmen.

Viele der russischen Unternehmen sind im Handel tätig. Davon profitiert Österreich genauso wie die Schweiz als potentieller Standort. Eine Doppelbesteuerung könnte dazu führen, dass die russischen Investoren sich vermehrt zurückziehen. Das würde in der Wirtschaft des Landes deutlich zu spüren sein. Immerhin konnten Teile der Schweizer Wirtschaft von den EU-Sanktionen gegenüber Russland deutlich profitieren. So waren beispielsweise bis 2014 Deutschland, Frankreich, Polen und die Niederlande Hauptlieferanten für Käse nach Russland. Seit dem Importverbot von Käse haben sich die Lieferungen versechsfacht. Ende Oktober haben zudem acht Schweizer Unternehmen eine Liefererlaubnis erhalten, um mehr Käse und Fertigfleischprodukt nach Russland zu liefern, wie der der Föderale Aufsichtsdienst für die Tier- und Pflanzengesundheit Russlands bekanntgab.

„Russland ist ein Schwerpunktland der schweizerischen Außenwirtschaftspolitik“, heißt es von Seiten des Schweizerischen Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Das Handelsvolumen betrug 2014 3,6 Milliarden Franken. Vor allem Maschinen, Pharmazeutika und Uhren werden nach Russland geliefert. Im Gegenzug liefert Russland Rohstoffe wie Edelsteine, Edelmetalle und chemische Grundprodukte zur Weiterverarbeitung in die Schweiz.

Die Schweiz ist der zwölftwichtigste ausländische Investor in Russland. Ende 2013 flossen Direktinvestitionen in Höhe von 15,02 Miliarden Schweizer Franken nach Russland, so die Schweizerische Nationalbank. Rosstat spricht von schweizerischen Investitionen insgesamt (2013) in Höhe von etwa 24,5 Milliarden US-Dollar. Die größten Investoren sind Nestlé SA, ABB, Holcim und Kronotec AG (Holzverarbeitung), daneben aber auch Firmen des Finanzdienstleistungssektors.

Genf und Zug gelten bei russischen Investoren als wichtige Handelszentren für den Erdöl-, Erdgas- und Rohstoffhandel. Russische Investoren haben unter anderem aber auch Anteile an Schweizer Unternehmen wie der Sulzer AG und der Holcim AG gekauft. „Die Kapitalströme aus Russland in die Schweiz gingen 2013 leicht zurück und erreichten gemäss Rosstat 48,5 Mrd. USD (2012: 50,7 Mrd. USD); dies entspricht 24,0 % des Gesamtvolumens der im letzten Jahr getätigten russischen Auslandsinvestitionen“, so die SECO.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Politik
Politik Corona-Folgeschäden bei Kindern: Grund für schwere Entzündungen entdeckt
13.03.2025

Lockdowns und Impfungen führten nicht nur zu psychischen Erkrankungen bei Kindern: Einige leiden seit der Corona-Infektion an heftigen...

DWN
Politik
Politik Milliarden-Schuldenpaket und Grundgesetzänderung: Worum geht es Union und SPD? Eine Zusammenfassung
13.03.2025

Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur sollen die Grundlage für die schwarz-rote Koalition sein. Doch Union und SPD drohen bereits...

DWN
Politik
Politik Herkules-Aufgabe bewerkstelligen: 16 Arbeitsgruppen für schwarz-rote Koalitionsverhandlungen
13.03.2025

256 Politiker sollen jetzt das inhaltliche Programm einer künftigen schwarz-roten Regierung ausarbeiten – und das möglichst zügig. Die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall rüstet auf: Rüstungskonzern plant Aufstockung auf 40.000 Mitarbeiter
13.03.2025

Das Waffengeschäft boomt und damit Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall: Die Auftragsbücher sind so voll wie nie. Der...

DWN
Technologie
Technologie Nun doch die Rettung? Chinesischer Konzern will Flugtaxi-Firma Volocopter kaufen
13.03.2025

Der Hype um Flugtaxis war groß. Dann wurde lange entwickelt und präsentiert. Doch es scheitert bisher an Zulassungen und immer wieder an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stilles Sterben der Betriebe: Handwerkermangel trotz Wirtschaftskrise - auch Chefs gesucht
13.03.2025

Überall fehlen Handwerker – und vielen Betrieben demnächst auch die Führung. Und das sind nicht die einzigen Sorgen, die die Branche...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsunfähigkeit: Geldprämie anstatt Krankmeldung? Unternehmen verlost Anwesenheitsprämie
12.03.2025

Arbeitgeber beklagen Milliardenkosten durch Krankschreibungen: Um Fehlzeiten zu reduzieren, greifen manche Unternehmen zu Maßnahmen wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chemiebranche kämpft mit hohen Kosten – Hoffnung auf die Bundesregierung
12.03.2025

Hohe Energiepreise und eine schwache Konjunktur setzen der Chemieindustrie zu. Während die Pharmabranche wächst, bleibt die...