Politik

Stasi 2.0: Merkel plant eigene Behörde für Internet-Überwachung

Stasi 2.0: Die Bundesregierung will mit einer neuen Behörde die Bürger im Internet überwachen. Unter anderem sollen Messenger-Dienste geknackt werden. Offenbar sind bei der Bundesregierung mittlerweile alle Hemmschwellen gefallen.
08.11.2015 00:22
Lesezeit: 2 min

Angela Merkel will Zugriff auf die Internet-Kommunikation der Deutschen: Das Bundesinnenministerium plant nach einem Bericht des Magazins Spiegel eine neue Sicherheitsbehörde, um Internetkommunikation der Deutschen gezielt überwachen zu können. Aufgabe der Behörde soll es demnach sein, Methoden zu entwickeln, um auch in verschlüsselte Kommunikation beispielsweise von Messengerdiensten eindringen zu können. Der Spiegel berief sich in seiner neuen Ausgabe auf Angaben aus Regierungskreisen.

Für die neue Behörde will das Ministerium dem Bericht zufolge bis zu hundert Kryptologen und Netzwerkexperten einstellen. Die Institution solle aber nicht selbst überwachen, sondern nur die Technik dafür bereitstellen. Für die Anwendung wären dann bestehende Sicherheitsbehörden wie das Bundeskriminalamt (BKA) oder das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zuständig. Die entsprechenden Pläne von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) seien allerdings in der Koalition umstritten, hieß es im Spiegel weiter.

Erst am Freitag hat auch der Bundesrat die nächste Überwachungs-Welle beschlossen und die Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Dagegen rührt sich bereits erster Protest.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner sowie neun Berliner Abgeordnete beantragten am Freitag zusammen mit Journalistenverbänden sowie einer Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um das Gesetz zu stoppen.

Sie hätten den Antrag als betroffene Berufsgeheimnisträger gestellt, teilten die Anwälte Carl Christian Müller und Sören Rößner mit. Mit einem Erlass einer einstweiligen Anordnung solle erreicht werden, dass die Speicherpflicht der Telekommunikationsanbieter bis zur Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wird. Die Verfassungsbeschwerde werde noch eingereicht.

Das Gesetz sieht vor, dass Telekommunikationsdaten künftig für zehn Wochen aufbewahrt werden, damit Ermittler bei der Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen darauf zugreifen können.

Für den Antrag der rot-rot-grünen Thüringer Landesregierung, den Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag anzurufen, gab es in der Länderkammer keine Mehrheit. Aus Sicht Thüringens ist die verdachtsunabhängige Speicherung von Kommunikationsdaten mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht vereinbar.

Linke, Grüne, Piratenpartei, FDP und Netzaktivisten halten das Vorhaben für verfassungswidrig und unverhältnismäßig. Mehrere Politiker und Initiativen hatten bereits in der Vergangenheit angekündigt, gegen das Gesetz zu klagen.

Die Piratenpartei wollte nach eigener Aussage bei einem Scheitern eines Vermittlungsverfahren zunächst an den Bundespräsidenten appellieren, die Unterschrift unter das Gesetz zu verweigern.

Der «Generalverdacht» für alle Bürger sei «mit den Freiheitsrechten in unserem Land nicht vereinbar», erklärten die Berliner Abgeordneten Ramona Pop, Benedikt Lux, Dirk Behrendt, Stefan Gelbhaar, Canam Bayram (alle Grüne), Sven Kohlmeier, Joschka Langenbrinck (beide SPD), Martin Delius und Simon Weiß (beide Piraten). Sie beriefen sich darauf, dass sie wie Ärzte, Anwälte, Journalisten und Geistliche «Berufsgeheimnisträger» seien. Die Verfassung sehe vor, dass sie Angaben über Personen, die ihnen Mitteilungen machten, verweigern dürften.

Nach dem Gesetz sollen Telekommunikationsanbieter die IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen künftig zweieinhalb Monate aufbewahren. Standortdaten bei Handy-Gesprächen sollen vier Wochen gespeichert werden, Daten zum E-Mail-Verkehr nicht. Die Behörden dürfen die Daten nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen - etwa bei der Bildung terroristischer Gruppen, Mord oder sexuellem Missbrauch. Den Abruf der Informationen muss ein Richter erlauben.

Um gespeicherte Daten vor Ausspähung zu schützen, wird der Straftatbestand der Datenhehlerei eingeführt. Danach ist es strafbar, Daten entgegenzunehmen, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat - beispielsweise einen Hackerangriff - erlangt hat. Journalistische Arbeit wird vom Straftatbestand nicht erfasst.

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