Politik

Menschenrechts-Gericht verurteilt Russland wegen Telefonüberwachung

Das russische Überwachungssystem von Mobiltelefonen verstößt nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen das Recht auf Privatsphäre und untergräbt die Demokratie in Russland.
06.12.2015 01:19
Lesezeit: 1 min

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen der flächendeckenden Überwachung aller Mobiltelefone verurteilt. Russland verstoße mit der geheimen Telefonüberwachung gegen das Recht auf Privatsphäre und das Telekommunikationsgeheimnis, entschieden die Straßburger Richter am Freitag. Das Überwachungssystem diene offiziell zwar dem Schutz der Demokratie, könne sie in dieser Form aber "untergraben oder sogar zerstören", rügten die Richter. Im russischen Recht fehlten zudem "ausreichende und wirksame Garantien" gegen den Missbrauch der Lauschangriffe.

Geklagt hatte der Chefredakteur eines Verlagshauses aus St. Petersburg, der in Russland mit einer Klage gegen die Abhörpraktiken gescheitert war. Er hatte sich unter anderem darüber beschwert, dass die russischen Geheimdienste jedes Mobiltelefon abhören können, ohne sich vorher einen richterlichen Beschluss zu besorgen. Obwohl er nicht beweisen konnte, dass er auch selbst abgehört wurde, war er nach Auffassung der Straßburger Richter klageberechtigt, weil von den Abhörpraktiken alle Handynutzer in Russland betroffen seien.

Das russische Parlament hatte erst am Dienstag in erster Lesung einer gesetzlichen Neuregelung zugestimmt, nach der über die Gültigkeit internationaler Richtersprüche in Russland künftig fallweise entschieden werden soll. Eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten sprach sich für die Neuregelung aus, mit der das russische Verfassungsgericht beispielsweise das 2014 ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Entschädigung ehemaliger Aktionäre des Erdölkonzerns Yukos im Umfang von 1,9 Milliarden Euro zurückweisen könnte.

Das Gesetz muss noch durch zwei weitere parlamentarische Lesungen gehen und wird erst wirksam, wenn Präsident Wladimir Putin es unterzeichnet. Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, nannte das Vorhaben aber bereits "problematisch".

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist Moskau schon seit langem ein Dorn im Auge. Bis 2014 wandten sich fast 130.000 russische Bürger mit Beschwerden über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen an den Straßburger Gerichtshof. Von 1600 angenommen Klagen wurden 1500 zugunsten der Kläger entschieden. Allein im vergangenen Jahr wurde Russland in Straßburg 129 Mal verurteilt, unter anderem wegen der Verschleppung von Zivilisten in Tschetschenien, die seit Jahren verschollen sind und mutmaßlich getötet wurden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Sozialleistungen belasten Haushalt: Staatsquote steigt erneut
25.04.2025

Höhere Ausgaben des Staates für Sozialleistungen wie Renten, Pflege- und Bürgergeld haben den Anteil der Staatsausgaben im Verhältnis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hat Trump mit seiner Einschätzung des deutschen Überschusses recht?
25.04.2025

Trumps Zollpolitik trifft auf deutsche Überschüsse – doch die wahren Ursachen für das Handelsungleichgewicht liegen tiefer.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Crash-Gefahr an den US-Börsen: Fondsmanager warnt vor historischem Einbruch von bis zu 50 Prozent
25.04.2025

Die Unsicherheit an den globalen Finanzmärkten nimmt spürbar zu. Ein renommierter Fondsmanager schlägt nun Alarm: Der US-Aktienmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lyft attackiert Uber: Neuer Mobilitäts-Gigant übernimmt FreeNow und greift Europa an
25.04.2025

Der Mobilitätskampf in Europa geht in eine neue Runde – und diesmal kommt die Herausforderung von der anderen Seite des Atlantiks: Lyft,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der offene Konflikt zwischen Big Tech und der EU eskaliert
24.04.2025

Meta hat den diplomatischen Kurs verlassen und mit scharfen Vorwürfen auf die jüngsten Strafen der EU-Kommission reagiert. Der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lego rüstet auf: Wie der Spielzeugriese mit Industrie 4.0 zum globalen Produktionsvorbild werden will
24.04.2025

Mit KI, Robotik und strategischer Fertigung wird Lego zum heimlichen Vorbild europäischer Industrie – und setzt neue Standards in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Drittes Jahr in Folge kein Wachstum – Habeck senkt Prognose
24.04.2025

Ein drittes Jahr ohne Wachstum, eine düstere Prognose und ein scheidender Minister, der den Stillstand verwaltet: Robert Habeck...

DWN
Politik
Politik Europa sitzt auf russischem Milliardenvermögen – doch es gibt ein Problem
24.04.2025

Europa sitzt auf eingefrorenem russischen Vermögen im Wert von 260 Milliarden Euro – ein gewaltiger Betrag, der den Wiederaufbau der...