Politik

Deutsche Wirtschaft hält Zerfall der EU für möglich

Führende Lobbyisten der deutschen Wirtschaft äußern sich auffallend pessimistisch über die Zukunft der EU. Sie halten den Zerfall der EU für möglich und geben, etwas hilflos, Durchhalte-Appelle aus.
26.12.2015 23:19
Lesezeit: 1 min

Die deutschen Unternehmen fürchten angesichts der tiefen Kluft in der Flüchtlingspolitik und in anderen Grundsatzfragen ein Auseinanderbrechen der EU. Die Präsidenten der wichtigsten Wirtschaftsverbände warnten in einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters, wenn das Projekt eines gemeinsamen Europa an wachsenden nationalen Egoismen scheitere, drohe der Verlust von Wohlstand, wirtschaftlichem Erfolg und Sicherheit.

"Das kommende Jahr wird für Europa zu einem Schicksalsjahr", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. "Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft der Europäischen Union." Zu einer Zeit, in der Solidarität und Kooperation wichtig seien wie nie zuvor, nehme in der EU die Abschottung und der "Rückzug in nationale Wagenburgen" zu. Jegliche Form von Nationalismus führe aber nicht zu mehr Wohlstand, sondern zu mehr wirtschaftlicher Instabilität. Ähnlich äußerte sich der Präsident des Handwerksverbandes, Hans Peter Wollseifer. "Europa bringt sich gerade selbst in Gefahr", sagte er. Wenn sich die EU-Länder in kleinstaatlichem Denken verlören und Solidarität verweigerten, "werden wir alles verlieren". Dieses Verhalten gefährde die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte. "Ich wünsche mir ein starkes Symbol für die Einheit Europas", sagte Wollseifer.

"Europa ist schon längere Zeit in schwerem Fahrwasser", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. Dabei könne es für viele internationale Probleme keine nationalen Antworten mehr geben. Nur gemeinsam habe Europa in der Welt Gewicht. Und nur mit einem europäischen Binnenmarkt im Rücken könne auch die deutsche Wirtschaft weiter auf den Weltmärkten punkten.

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Ingo Kramer, zeigte sich zuversichtlich: "Europa wird und muss sich gerade jetzt bewähren." Allerdings besorgten ihn anti-europäische Strömungen in Deutschland wie in anderen EU-Ländern. Es gelte, Europa zusammenzuhalten, Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten und die EU wettbewerbsfähiger zu machen. Kramer forderte, die britischen Forderungen zu Änderungen in der EU ernst zu nehmen und das Land in der EU zu halten.

Der Präsident des Handelsverbandes BGA, Anton Börner, sagte, schon die Euro-Schuldenkrise habe die Fliehkräfte in der Union größer werden lassen. "Die Flüchtlingsströme mit den damit verbundenen Herausforderungen für Europa und seine Mitgliedsstaaten und Gesellschaften wirken wie ein Brandbeschleuniger". Ein weiteres Auseinanderdriften Europas sei eines der größten Risiken für das kommende Jahr. Börner forderte, die Eurorettung voranzutreiben, "und zwar ohne eine weitere Euroaufweichung". Denn langfristig sei ein schwacher Euro auch für die exportorientierte Wirtschaft nicht gut.

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