Gemischtes

Doch nicht selbstständig: Fahrer mussten bei Google-Auto Unfälle verhindern

Googles Roboter-Autos sind nicht so selbstständig wie der Konzern behauptet: Google hat eingeräumt, dass in einigen Situationen nur das Eingreifen des Fahrers einen Zusammenstoß verhindern konnte. Insgesamt gab es Hunderte Fälle, in denen die Software das Steuer an den Menschen übergab - im Ernstfall traut Google seinen Maschinen offenbar noch lange nicht.
15.01.2016 11:37
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Googles autonome Software offenbar längst nicht so weit und selbstständig wie bisher propagiert: In einem Blogbeitrag gibt Googles Projektleiter Chris Urmson nun zu, das es derzeit noch längst nicht ohne Fahrer geht: Derzeit greift der Mensch noch häufig ein, in einigen Fällen sogar um Unfälle in letzter Sekunde zu vermeiden.

 In 272 Fällen habe die Software Probleme festgestellt und die Kontrolle an den Menschen am Steuer abgegeben. In weiteren 69 Situationen hätten die Google-Mitarbeiter dagegen von sich aus die Steuerung übernommen, hieß es in einem Bericht von Google an die kalifornische Straßenverkehrsbehörde. Nach Googles Berechnungen hätte es in 13 dieser Fälle wahrscheinlich Zusammenstöße gegeben, hätte der Fahrer nicht das Steuer übernommen und die Situation gerettet.

Allerdings sieht Google die Bilanz insgesamt positiv: In drei der Fälle sei schließlich das Verhalten anderer Fahrer der Auslöser für die gefährliche Situation gewesen, in zweien sei es lediglich um einen möglichen Zusammenstoß mit einem Leitkegel gegangen. Außerdem gingen acht der Zwischenfälle auf die drei Monate im Jahr 2014 zurück und nur fünf Situationen auf die elf Monate im vergangenen Jahr – der Trend gehe also in Richtung weniger Zwischenfälle.

Dabei ist jedoch interessanter als das tatsächliche Gefahrenpotential der möglicherweise durch Eingreifen verhinderten Unfälle die Tatsache, dass Google offenbar im Ernstfall der eigenen Software noch lange nicht traut - sobald auch nur ein Hauch einer Gefahrensituation besteht, übernimmt der Mensch sicherheitshalber das Steuer. Die Zahlen zeigen sogar, dass selbst die Software sich selbst nicht traut und inder Mehrzahl der Fälle bei Problemen ganz von alleine das Steuer an den Fahrer übergibt. Von entspanntem zurücklehnen am Steuer kann hier noch keine Rede sein.

Zudem findet sich Google mit der Zeit auch neuen bisher unkalkulierten Risiken gegenüber: So fan man kürzlich heraus, dass Roboterautos den Verkehr gefährden, wenn sie sich zu streng an die Verkehrsregeln halten. Google hat erste Unfälle mit seinen fahrerlosen Testfahrzeugen analysiert und festgestellt, dass die Autos zu vorsichtig fahren. Besonders zu häufiges und schnelles Bremsen führe zu Auffahrunfällen, weil die Maschine für den menschlichen Hintermann zu schnell reagiere.

Bis Juli 2015 waren selbstfahrende Autos von Google bei Testfahrten über 1,7 Millionen Meilen im Straßenverkehr bislang an vierzehn Unfällen beteiligt, allein elfmal sei dabei der Hintermann aufgefahren. In keinem einzigen Fall seien diese Fahrzeuge aber die Ursache für den Unfall gewesen, so der Projektchef damals in einem weiteren Blogpost. Auch Wer in solchen Fällen künftig haftet, ist derzeit noch umstritten, den auch die Gesetzgebung kommt der Entwicklung im fahrerlosen Straßenverkehr derzeit kaum hinterher.

Google muss der US-Verkehrsbehörde jedoch ausführliche Berichte über seine Tests von selbstfahrenden Autos vorlegen, der aktuellste Bericht stammt aus dem Dezember 2015. Die Vision des Konzerns ist, bei den Fahrzeugen ganz auf Steuerelemente wie Lenkrad oder Pedale zu verzichten und die Kontrolle ganz dem Computer zu überlassen.

Mit den aktuellen Zahlen zur den durch menschliches Eingreifen verhinderten Zwischenfällen ist das Ziel, das Gaspedal und das Lenkrad aus den Google-Autos auszubauen, weiter entfernt als von der Öffentlichkeit geglaubt und von der Konkurrenz gefürchtet. Mit der Entwicklung der Roboter-Autos treibt der IT-Riese viele traditionellen Automobil-Bauer derzeit vor sich her. Ford, Toyota, BMW oder Daimler – alle großen Autobauer planen derzeit eigene Projekte oder Kooperationen zur Entwicklung selbstfahrender Autos, um am Ende nicht als einziger von der Entwicklung überrollt zu werden. Der von Google selbst ausgegebene Termin, schon 2018 selbstfahrende Autos auf die Straße zu bringen, schafft Zeitdruck.

Dies könnte jedoch kein Nebeneffekt, sondern genau die Strategie von Google sein. Solange die Autobauer Google ein eigenes Auto zutrauen und das Technologie-Wettrennen mitmachen, um Google nicht das Monopol über die Auto-Software zu überlassen, hat Google genau das erreicht, was es braucht: Einen genügend großen Markt selbstfahrender Autos –sprich Hardware – an die der IT-Konzern seine Software verkaufen kann. Ähnlich lief es bereits auf dem Smartphone-Markt. Die Beraterfirma Berylls hat zu den Absichten von Google und Apple auf dem Automarkt  in einer Analyse formuliert: „Sie wollen das autonome Fahrzeug und sie wollen diejenigen sein, die den Fahrer und andere Passagiere während der Autofahrt mit Daten und Inhalten versorgen. Dafür brauchen sie die Automobilhersteller, damit autonomes Fahren Realität wird. Das Kalkül: Da jeder Apple & Co. zutraut, ein autonomes Auto zu bauen, führen Ankündigungen aus dem Silicon Valley dazu, dass der Rest der Industrie die Entwicklungsaufwendungen und das -tempo steigert – und am Ende bekommen Apple und andere, was sie suchen: Ein flächendeckendes Angebot autonomer Pkw von verschiedenen Marken und in allen Preisklassen.“

Unterdessen umwirbt der Konzern auf der Detroiter Automesse die Autobauer: „Wir hoffen, dass wir mit vielen von euch zusammenarbeiten können. Das schafft keiner alleine“, so John Krafcik, neu ernannter Chef der Google-Sparte für autonomes Fahren. Google setze bei diesem Projekt mehr und mehr auf Partnerschaften. Ford ist bereits in Kooperation, allerdings muss es sich dabei wie dem Betreibssystem Android nicht um eine exklusive Zusammenarbeit handeln, sondern die Software könnte auf möglichst viele Hardwaremodelle, sprich Autos, angepasst werden.

Zudem trägt der Konzern seine jährliche Entwicklerkonferenz Google I/O diesmal an einem neuen Ort aus, der nach Einschätzung von Beobachtern auch Platz für die Demonstration selbstfahrender Autos bieten würde. Als Austragungsort vom 18. bis 20. Mai wurde das Shoreline Amphitheatre bekanntgegeben, ein Freiluftgelände in der Google-Heimatstadt Mountain View.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Messerangriff in Hamburg: Mehrere Schwerverletzte am Hamburger Hauptbahnhof
23.05.2025

Bei einem Messerangriff im Hamburger Hauptbahnhof werden mehrere Menschen schwer verletzt. Eine Frau wird festgenommen. Befand sie sich in...

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
23.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Politik
Politik Kommt die Wegzugsbesteuerung für deutsche Fondsanleger? Neues Hindernis gegen die Abwanderung ins Ausland beschlossen
23.05.2025

Eine geplante Wegzugsbesteuerung bei Investmentfonds soll zunehmende Abwanderung von Geld und Fachkräften aus Deutschland stoppen! Wie die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Plankenhorn GmbH Maschinenbau: Ein Mittelständler zeigt, wie Digitalisierung den Erfolg antreibt
23.05.2025

Kleine und mittelständische Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, ihre Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter zu...

DWN
Politik
Politik Rente: Zusätzliche Mittel vom Bund könnten Beiträge senken
23.05.2025

Rente in Gefahr? Milliarden fehlen im System, obwohl der Staat zahlt. Doch was, wenn er mehr gäbe? Stehen Beiträge und Rentenniveau vor...

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX bricht nach Zolldrohung von Trump ein – wie sollten Anleger jetzt reagieren?
23.05.2025

Durch Trumps neue Zolldrohungen gerät die Börse aktuell aus dem Takt. Der DAX bricht ein, der Goldpreis legt zu. Und was bedeutet das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump plant 50-Prozent-Zölle auf EU-Waren ab Juni - Verhandlungen laufen
23.05.2025

Die USA erhöhen den Druck auf Europa. Präsident Trump droht mit drastischen Zöllen auf EU-Waren. Wird daraus ein Handelskrieg – oder...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerpauschalen - diese 10 Pauschalen sollten Sie kennen
23.05.2025

Sie müssen nicht alle Kosten in Ihrer Steuererklärung konkret angeben, denn es gibt für viele Fälle Steuerpauschbeträge. Wir stellen...