Politik

Nachgerechnet: Offizielle Statistik lässt 800.000 Arbeitslose verschwinden

Lesezeit: 2 min
01.04.2016 01:10
Die Bundesagentur für Arbeit meldet im März 2,8 Millionen Arbeitslose. Allerdings werden knapp 800.000 Jobsuchende nicht berücksichtigt. Aus der offiziellen Statistik fallen Personen mit Ein-Euro-Jobs, in Krankenstand oder auf Fortbildung.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im März 2,845 Millionen Menschen auf Jobsuche registriert, wie die Behörde am Donnerstag in Nürnberg mitteilte. Das seien 66.000 weniger als im Februar und 87.000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote sank leicht auf 6,5 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen ist im März allerdings nicht so stark gesunken wie für den Auftakt der Frühjahrsbelebung üblich.

Das Forschungsinstitut der BA hatte zuletzt bereits darauf hingewiesen, dass die Frühjahrsbelebung schwächer ausfallen könnte. Die Experten begründeten das unter anderem damit, dass in dem milden Winter auch weniger Arbeitslosigkeit aufgebaut worden sei als sonst üblich.

Die Linken kritisieren, dass bei der offiziellen Statistik knapp 800.000 Arbeitslose nicht berücksichtigt werden. Nicht gezählt werden Personen im Krankenstand (78.396 Personen), mit Ein-Euro-Jobs (68.925) oder jene, die sich in Fortbildung befinden (162.124). Viele der Arbeitslosen, die älter als 58 Jahre sind, erscheinen nicht in der offiziellen Statistik (162.972). Im Mai 2009 kam eine weitere Ausnahme hinzu: Wenn private Arbeitsvermittler tätig werden, zählt der von ihnen betreute Arbeitslose nicht mehr als arbeitslos, obwohl er keine Arbeit hat.

Darüber hinaus tauchen 313.000 nicht erwerbstätige Personen – die korrigierte sogenannte stille Reserve – in keiner Arbeitslosenstatistik auf, weil sie sich entmutigt vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben und sich nicht (mehr) als arbeitslos registrieren lassen, kritisiert die Partei.

Dazu erklärt der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn:

„Die offizielle Erwerbslosenstatistik verkündet auch in diesem Monat nur Erfolge; allerdings: geschönte Erfolge. Statt der offiziell 2,845 Millionen Menschen waren, ganz ohne statistische Spielereien, über 3,6 Millionen Menschen ohne Arbeit, wie DIE LINKE auch in diesem Monat nachgerechnet hat.

Mittlerweile sehen auch Experten die Entwicklung am Arbeitsmarkt skeptisch, rechnen spätestens in der zweiten Jahreshälfte mit einem Anstieg. Neben der Weltwirtschaft sehen sie einen Grund in der steigenden Zahl arbeitsloser Flüchtlinge. Angesichts dessen liefert Ministerin Nahles ein weiteres Beispiel für ihre nicht-existente aktive Arbeitsmarktpolitik: Statt Menschen in versicherungspflichtige, existenzsichernde Arbeit zu bringen, setzt sie auf hunderttausende Ein-Euro-Jobs. Das hält Geflüchtete aus der Statistik raus und sorgt wenigstens bei der Ministerin für ein gutes Gefühl.

Der Weg ist dreifach falsch: Erstens werden Flüchtlinge als billige Arbeitsreserve ohne Perspektive missbraucht, statt gute Löhne für gute Arbeit zu zahlen, zweitens ist das Märchen vom leichteren Weg in den ersten Arbeitsmarkt längst widerlegt und drittens verdrängen solche Billigst-Jobs reguläre Beschäftigung.

Wer Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integrieren will, gleichzeitig den hohen Sockel Langzeiterwerbsloser ernsthaft abbauen möchte, muss die Unterfinanzierung in der Arbeitsförderung beenden, ein Programm für öffentlich geförderte Beschäftigung auflegen, das nicht auf Lohndumping setzt und letztlich erheblich mehr Geld für die Integrationsförderung bereitstellen – nicht nur für Flüchtlinge, auch, damit Lehrkräfte gut bezahlt und sozial abgesichert werden können.“

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...