Die Entscheidung in der Kanzlerfrage in Österreich scheint gefallen. Auch die Wiener SPÖ als mächtigster Landesverband sei für den 50-jährigen Bahnchef Christian Kern, schreiben mehrere Medien am Donnerstag. Laut der Tageszeitung «Kurier» hatte Kern eine positive Unterredung mit SPÖ-Interims-Parteichef Michael Häupl. Auch nach Informationen zahlreicher anderen österreichischen Medien wird Kern neuer Regierungschef und SPÖ-Vorsitzender. Eine Bestätigung aus dem Büro Häupls gab es zunächst nicht. «Es gibt keine Tendenz, die wir kommunizieren können», sagte ein Sprecher am Mittag.
Der bisherige Regierungschef Werner Faymann war am Montag überraschend zurückgetreten. Der 56-Jährige zog damit die Konsequenz aus innerparteilicher Kritik. In seiner fast achtjährigen Amtszeit hatten die Sozialdemokraten bei 19 von 21 Wahlen Stimmen verloren.
Acht der neun SPÖ-Landesverbände haben sich inzwischen für Kern als Faymanns Nachfolger ausgesprochen, teils aber keine formalen Beschlüsse gefasst. «Es hat (...) eine einhellige Zustimmung gegeben. Wir stehen hier geschlossen hinter Christian Kern», sagte der SPÖ-Chef des Burgenlands, Hans Niessl, nach einer Sitzung des Landesparteivorstands. Nach den Plänen der Wiener SPÖ sollte der Name des neuen Partei- und Regierungschefs am Freitag bekanntgegeben werden. Der frühere ORF-Intendant Gerhard Zeiler (60), der ebenfalls im Rennen war, gab nach eigenen Angaben seine Ambitionen auf.
Kern galt seit längerem als möglicher Nachfolger des glücklosen Faymann. Der ehemalige Wirtschaftsjournalist war in den 1990er Jahren in verschiedenen Funktion in der damaligen Bundesregierung und der SPÖ-Fraktion tätig, bevor er in die Wirtschaft wechselte. Seit 2010 leitet Kern die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) - mit 40 000 Mitarbeitern eines der größten Unternehmen der Alpenrepublik. Unklar ist bisher, welche Haltung der Manager in Fragen der Asylpolitik und der Haltung der Sozialdemokraten zur rechten FPÖ hat.
Der Koalitionspartner ÖVP hatte bereits mehrere Bedingungen zur Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition gestellt. Dazu gehört die Beibehaltung der restriktiven Asyl- und Flüchtlingspolitik. Neuwahlen strebt die ÖVP nach eigenem Bekunden bisher nicht an, will dies aber von der künftigen Zusammenarbeit abhängig machen.