Politik

Österreichs neuer Bundeskanzler gibt strikte Abgrenzung zu FPÖ auf

Der neue österreichische Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern hat eine grundlegende Neuausrichtung seiner Partei angekündigt: Die bisher strikte Abgrenzung zur FPÖ wird aufgehoben. Der restriktive Kurs in der Flüchtlingspolitik wird fortgesetzt. Der Grund: Die FPÖ führt bei allen Umfragen haushoch und hat am Sonntag die Chance, erstmals den Bundespräsidenten zu stellen.
17.05.2016 18:32
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Österreichs neuer Regierungschef Christian Kern gibt den bisherigen Kurs einer strikten Abgrenzung der Sozialdemokraten zur FPÖ auf. Der 50-jährige Quereinsteiger aus der Wirtschaft kann sich eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen unter gewissen Bedingungen vorstellen, wie er am Dienstag vor Journalisten sagte. Sein Vorgänger, der in der Vorwoche zurückgetretene SPÖ-Parteichef und Kanzler, Werner Faymann, hatte eine Koalition mit der FPÖ stets strikt ausgeschlossen.

Für eine Zusammenarbeit müssten gewisse Grundsätze gelten, „die auch immer vor einem Machterhalt stehen müssen“, sagte der bisherige Bahnmanager Kern unmittelbar vor seiner Vereidigung als Bundeskanzler durch Bundespräsident Heinz Fischer am Dienstag in Wien. „Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die gegen Menschen und Minderheiten hetzen“, nannte er eine Bedingung. Klar sei für den neuen Kanzler aber, dass es bei der Frage nach einer möglichen FPÖ-Koalition neue Antworten brauche. Ziel müsse es sein, akzentuierte Politik zu machen und trotzdem „hie und da Kompromisse“ einzugehen, sagte Kern, der am Dienstagnachmittag von Bundespräsident Heinz Fischer vereidigt wurde.

Der künftige SPÖ-Vorsitzende verwies auch darauf, dass die Abgrenzung zur FPÖ schon heute nicht in allen SPÖ-Teilorganisationen gelebt werde. Im Burgenland arbeitet die SPÖ bereits seit der letzten Regionalwahl mit der FPÖ zusammen. Derzeit sei die Frage auf Bundesebene aber „obsolet“. „Für mich ist ganz klar, wir wollen die ÖVP als Koalitionspartner behalten“, sagte Kern mit Blick auf den konservativen Koalitionspartner. Planmäßig finden die nächsten Parlamentswahlen 2018 statt. Vorzeitige Neuwahlen werden von SPÖ und ÖVP derzeit ausgeschlossen. Kern will die SPÖ jedenfalls als Sieger aus der nächsten Wahl führen. „Wir wollen stärkste Kraft in diesem Land bleiben. Wenn uns das gelingt, werden wir zu definieren haben, mit wem wir zusammenarbeiten“, sagte Kern.

Der neue Kanzler will vor allem die „schlechte Stimmung im Land drehen“. „Wenn wir jetzt nicht kapiert haben, dass das unsere letzte Chance ist, werden die beiden Großparteien von der Bildfläche verschwinden.“ Die Kandidaten von SPÖ und ÖVP waren Ende April in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl weit abgeschlagen gelandet. Als Sieger ging der von der FPÖ ins Rennen geschickte Kandidat, Norbert Hofer, hervor. Mit seinem Anti-EU-Kurs und seiner Forderung nach einer strengeren Asylpolitik kam der 45-jährige auf gut 35 Prozent der Stimmen. Hofer tritt am Sonntag in einer Stichwahl gegen den 72-jährigen Ex-Parteichef der Grünen, Alexander Van der Bellen, an. Hauptthema im Wahlkampf ist die Flüchtlingspolitik.

Die große Koalition verkündete zwar Anfang des Jahres eine Obergrenze bei der Aufnahme und brachte mit Hilfe anderer Balkanstaaten den Zustrom von Migranten durch strengere Einreisebestimmungen nahezu zum Erliegen. Bei den Wählern punkteten ÖVP und SPÖ damit trotzdem nicht, während die FPÖ mit ihrer Forderung nach kompletten Grenzschließungen erfolgreicher war. Diesen Trend will die SPÖ nun mithilfe Kerns stoppen. Den bisherigen restriktiven Kurs in der Asylpolitik will Kern fortführen.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber kaufen: Was Sie über Silber als Geldanlage wissen sollten
10.05.2025

Als Sachwert ist Silber nicht beliebig vermehrbar, kann nicht entwertet werden und verfügt über einen realen Gegenwert. Warum Silber als...

DWN
Technologie
Technologie Technologieinvestitionen schützen die Welt vor einer Rezession
10.05.2025

Trotz der weltweiten Handelskonflikte und der anhaltenden geopolitischen Spannungen bleibt die Nachfrage nach Technologieinvestitionen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Starbucks dreht den Spieß um: Mehr Baristas statt mehr Maschinen
10.05.2025

Starbucks gibt auf die Maschinen auf: Statt weiter in teure Technik zu investieren, stellt das Unternehmen 3.000 Baristas ein. Nach...

DWN
Panorama
Panorama EU-Prüfer sehen Schwächen im Corona-Aufbaufonds
10.05.2025

Milliarden flossen aus dem Corona-Topf, um die Staaten der Europäischen Union beim Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie zu unterstützen....

DWN
Finanzen
Finanzen Estateguru-Desaster: Deutsche Anleger warten auf 77 Millionen Euro – Rückflüsse stocken, Vertrauen schwindet
10.05.2025

Immobilien-Crowdfunding in der Vertrauenskrise: Estateguru kann 77 Millionen Euro deutscher Anleger bislang nicht zurückführen – das...

DWN
Politik
Politik Landtagswahlen Baden-Württemberg 2026: AfD liegt vor den Grünen – eine Partei gewinnt noch mehr
09.05.2025

Die AfD überholt erstmals laut Insa-Umfrage die grüne Partei in Baden-Württemberg, die seit 13 Jahren regiert und die größte...