Laut einer aktuelle Expertenbefragung durch die internationale Technologie- und Innovationsberatungsgesellschaft Invensity gehen im Augenblick 62 Prozent der 85 befragten Fach- und Führungskräfte davon aus, dass die meisten Autofahrer Freude daran haben, selbst zu fahren. Ihr momentaner Eindruck: Noch überwiegt unter den Fahrern die Skepsis vor zu viel Technik.
Die Experten vertreten zudem laut Umfrage überwiegend (57 Prozent) die Meinung, dass die meisten Menschen in Deutschland zumindest derzeit kein Interesse haben, selbst in einem Auto zu sitzen, dass sich automatisch ans Ziel steuert. Allerdings räumen beinahe zwei Drittel ein, dass sich dadurch die Sicherheit auf den Straßen erhöhen würde. Das „Automatik-Auto“ als Mittel zum Zeitsparen - beispielsweise könnte der Wagen die Kinder alleine zur Schule fahren usw. - stufen 47 Prozent der Experten als zutreffend ein; 53 Prozent halten das für „Unsinn“.
„Dieses Umfrageergebnis gibt allerdings nur den heutigen Stand wider und berücksichtigt nicht, dass die meisten noch nicht die Gelegenheit hatten, sich von einem selbstfahrenden Auto eventuell auch begeistern zu lassen“, so Paul Arndt, Ressortleiter des Kompetenzzentrum Cyber Security bei Invensity, ein.
Auch bei der entscheidenden Frage, ob wir uns nicht alle einfach in den nächsten Jahren und Jahrzehnten an die selbstfahrenden Autos schlichtweg gewöhnen werden, seien die befragten Fachleute überwiegend skeptisch, so der Invensity Principal Consultant weiter. Laut Umfrage geht zwei Drittel nicht davon aus, dass sich die Bevölkerung „einfach so“ an die Selbstfahrer auf den Straßen gewöhnen wird. Die Frage, ob die meisten Menschen die „Autos ohne Fahrer“ als „unheimlich“ empfinden werden, bejahen immerhin nur 39 Prozent der Experten. Auch die Angst davor, dass die computergesteuerten Automobile verstärkt zu Unfällen führen werden, ist auf rund ein Viertel (26 Prozent) der Befragten begrenzt.
Unentschlossenheit schließt Alltagstauglichkeit nicht aus
„Die Umfrageergebnisse drücken eine gewisse Unentschlossenheit aus“, sagt Arndt. Er zieht einen historischen Vergleich zur Mobilkommunikation:
„Alle Umfragen in Deutschland zum Thema Handy bevor die Geräte allgemein verfügbar wurden, hatten einen klaren Tenor: Es gibt keinen Bedarf an mobilen Telefonen, weil man bislang auch ohne sie auskam, weil sie teuer sind, und weil die ständige Erreichbarkeit nicht wünschenswert ist. Heute wissen wir es besser: Kaum noch jemand will privat wie beruflich die Mobilkommunikation missen. Möglicherweise erleben wir bei selbstfahrenden Autos eine ähnliche Entwicklung. Dann würden selbstfahrende Fahrzeuge so sehr zum Alltag gehören wie heute das Smartphone.“
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will das automatisierte Fahren mit computergesteuerten Autos auf deutschen Straßen unterdessen weiter vorantreiben. Dafür soll eine Kommission „ethische Fragen beim Paradigmenwechsel vom Autofahrer zum Autopilot“ klären. Mit Beteiligung von Vertretern aus Wissenschaft, Auto- und Digitalbranche soll diese Kommission Leitlinien für Algorithmen entwickeln, nach denen Autos in Risikosituationen reagieren. Hierfür soll etwa gelten: „Ein Sachschaden ist einem Personenschaden immer vorzuziehen.“
Das entsprechende Strategiepapier enthalte der Zeitung Welt zufolge konkrete Vorschläge, wie Deutschland fit für autonome Autos gemacht werden solle. Dobrindt wolle unter anderem das Straßenverkehrsgesetz ändern. Künftig solle demnach rechtlich kein Unterschied zwischen einem Autopiloten und einem menschlichen Fahrer gemacht werden. In dem Gesetzentwurf „schreiben wir erstmals fest, dass automatisierte Systeme mit voller Kontrolle über ein Fahrzeug dem Fahrer rechtlich gleichgestellt werden“, zitiert das Blatt Dobrindts Ministerium.
Das Bundeskabinett hatte Mitte April eine Erweiterung der rechtlichen Grundlagen für das automatisierte Fahren beschlossen. Demnach dürfen Computer selbstständig neue Aufgaben übernehmen. Die Systeme müssen aber so gestaltet sein, dass Fahrer sie jederzeit übersteuern oder abschalten können. Dies betrifft etwa Brems- und Spurhalteassistenten oder Systeme, bei denen der Fahrer auf der Autobahn für einige Zeit die Hand vom Lenkrad nehmen kann. Darüber hinaus peilt Dobrindt Rechtsänderungen an, die den Weg für Systeme ohne Fahrer ebnen.