Politik

Gegen Ramstein: Aktivisten versuchen neuen Anlauf gegen US-Drohnen

Die Protestbewegung „Stopp Ramstein“ setzt sich für die Schließung des größten US-Militärstützpunktes in Europa ein. Die Kampagne kritisiert, dass die USA ihren Drohnenkrieg von deutschem Boden aus koordiniert und dies zur Verteidigung imperialer Interessen tut. Der angegebene „Krieg gegen den Terror“ sei nur vorgeschoben, sagen die Aktivisten.
09.06.2016 23:25
Lesezeit: 4 min
Gegen Ramstein: Aktivisten versuchen neuen Anlauf gegen US-Drohnen
Friedensaktivist Reiner Braun. (Foto: Reiner Braun)

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Herr Braun, Sie setzen sich für die Schließung der U.S. Airbase Ramstein ein. Sie kritisieren u.a., dass die USA ihren Drohnenkrieg über Ramstein koordinieren. Dieses Wochenende haben Sie verschiedene Protestaktionen geplant, u.a. einen Menschenkette von Kaiserslautern nach Ramstein. Glauben Sie, dass die Politik Ihnen Gehör schenken wird?

Reiner Braun: Von allein wird sich die Politik nicht bewegen. Selbst wenn Gregor Gysi Bundeskanzler wäre, würde die Koalitionsregierung Ramstein sicher nicht schließen. Wir brauchen den Druck der Straße. Nur eine starke Protestbewegung, getragen von der Zivilgesellschaft, wird die Politik zu einem Umdenken bewegen können. Dies kann auch nicht allein national geschehen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Und wer genau in der Politik ist Ihr Ansprechpartner?

Reiner Braun: Das Kanzleramt. Der Bundeskanzler hat 1990 das Stationierungsabkommen, das wir kündigen wollen, unterzeichnet.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sollten Sie sich nicht eher an amerikanische Stellen wenden? Immerhin wird Ramstein ja von der U.S. Army betrieben. Das Kanzleramt könnte Ihnen antworten, dass es darauf keinen Einfluss hat.

Reiner Braun: Das stimmt nicht. Nach dem Truppenstationierungsabkommen von 1990, das auch von Helmut Kohl unterzeichnet worden ist, kann die Regierung Ramstein innerhalb von 24 Monaten kündigen. Und nach dem Grundgesetz wäre sie dazu auch verpflichtet. Denn das Grundgesetz bestimmt: „Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen.“ Insofern verstößt die deutsche Regierung gegen das Grundgesetz und gegen das Völkerrecht, indem sie die völkerrechtswidrigen Drohneneinsätze von deutschem Boden duldet.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Bundesregierung könnte argumentieren, dass Ramstein für den „Krieg gegen den Terror“ unerlässlich ist. Was halten Sie davon?

Reiner Braun: Würden Sie versuchen, ein Feuer mit Benzin zu löschen oder einen Alkoholiker mit Whiskey zu kurieren? Es ist doch klar, dass der Drohnenkrieg, der unzählige zivile Opfer fordert, den Terrorismus nur begünstigt, ihn aber nicht bekämpfen kann. Aber machen wir uns doch bitte nichts vor. Dieser „Krieg gegen den Terror“ ist doch nur vorgeschoben. In Wirklichkeit geht es darum, die imperialen Interessen der USA zu verteidigen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie meinen Sie das?

Reiner Braun: Wenn sich die Situation im Nahen Osten zuspitzt, beobachten Anwohner eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Luftverkehrsbewegungen. Ramstein ist für die Kriege der Amerikaner im Nahen Osten von zentraler Bedeutung. Zudem befinden sich dort das größte amerikanische Munitionslager und die Einsatzzentrale für die Atomwaffen, die im etwa 80 km entfernten Büchel stationiert sind. Auch die Zentrale des Raketenabwehrsystems, das gerade in Rumänien und Polen stationiert und mit dem die Umzingelung Russlands weiter vorangetrieben wird, ist in Ramstein.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Umzingelung Russlands? Dient das Raketenabwehrsystem nicht dazu, Europa gegen Angriffe aus dem Iran oder Nordkorea zu verteidigen?

Reiner Braun: Gegenfrage: Was ist die Reichweite der iranischen und nordkoreanischen Raketen. Die Abschussvorrichtungen dieses Raketenabwehrsystems sind das Schild, die Atomwaffen das Schwert. Die NATO-Doktrin sieht immer noch den Ersteinsatz von Atomwaffen vor. Und natürlich fühlt sich Russland dadurch sowie durch die Osterweiterung und die permanenten Manöver unter Druck gesetzt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Schlittern wir gerade in einen neuen Kalten Krieg hinein?

Reiner Braun: Wir müssen aufpassen, dass es nicht schlimmer wird als im Kalten Krieg. Im Kalten Krieg waren die Einflusssphären klar aufgeteilt und es gab immerhin Regeln, an die sich die Supermächte hielten. Zwischen Moskau und Washington gab es u.a. das berühmte Rote Telefon. Heute hingegen herrscht ein Zustand der Regellosigkeit. Jeder macht, was er will. Jeder greift an, wann es ihm passt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie erklären Sie sich das?

Reiner Braun: Der Kampf um Rohstoffe wird härter. Auch in Libyen hat das die entscheidende Rolle gespielt. Außerdem ging es darum, Rivalen wie China außen vorzulassen und andere potentielle Rivalen, wie etwa eine erfolgreiche nordafrikanische Union, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist das Ihr Ernst? Nicht zuletzt aufgrund der Destabilisierung Nordafrikas und des Nahen Ostens rollt eine Flüchtlingswelle auf Europa zu. Das kann doch nicht im europäischen Interesse sein. Ein wirtschaftlich gesundes Nordafrika hingegen sehr wohl.

Reiner Braun: Bei solch imperialistischen Kriegen spielen kurzfristige Überlegungen oft die maßgebliche Rolle. Man will Öl, Gas oder Uran. Unser ganzes System wird eben auch von kurzfristigem Gewinnstreben getrieben. Und dann landen die Flüchtlinge ja hauptsächlich in Europa und nicht in den USA. Und die USA agieren aus machtpolitischem Kalkül heraus. Werfen Sie einen Blick nach Syrien. Ressourcen- und geostrategische Interessen spielen auch in diesem Kriege eine zentrale Rolle, es geht um ein neues „Middle-East“ unter westlicher Hegemonie.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wenn aber die Interessen, die hinter Ramstein stecken, so mächtig sind, dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass Ramstein geschlossen wird, doch sehr gering sein?

Reiner Braun: Wir können aber auch nicht wegschauen. Das wäre einerseits moralisch nicht zu vertreten und andererseits politisch falsch. Es geht zuerst um Delegitimierung herrschender Positionen. Und wenn wir dazu beitragen, dass sich immer mehr Menschen über Ramstein informieren, wird der Druck der Öffentlichkeit irgendwann so groß werden, daß die Politik reagieren muss. Und schon jetzt beginnt sich die Stimmung bei den Menschen, die in der näheren und weiteren Umgebung von Ramstein wohnen, zu drehen. Waren sie noch vor wenigen Jahren bedingungslose Ramstein-Befürworter, sehen sie heute Ramstein durchaus kritisch. Unser Engagement hat sich also bereits ausgezahlt.

***

Reiner Braun, geboren 1952 in Braunschweig, studierte  Germanistik und Geschichte sowie Journalistik. Er ist seit 1981 in der Friedensbewegung aktiv, war ab 1982 Büroleiter und später auch Initiator der „Krefelder Initiative gegen den Atomtod“. Seit 1982 aktiv bei den „Naturwissenschaftlern für den Frieden“, ab 1987 bis 2001 ihr Geschäftsführer. Gründungsmitglied und Executive Director von INES (International Network of Engeneers and Scientists for Global Resonsibility) bis 2001.

Ab 2003 bis Ende 2005 arbeitete beim Projekt Einsteinjahr 2005 des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Zudem war er aktiv beteiligt an der internationalen Einsteinausstellung 2005. Ab 2006 bis 2014 arbeitet Reiner Braun als Geschäftsführer der VDW (Vereinigung Deutscher Wissenschaftler). Er ist seit 2006 Geschäftsführer der deutschen und internationalen  IALANA (International Lawyer against Nuclear Arms).

Er ist Co-Präsident des International Peace Bureau (IPB) und Autor sowie Herausgeber verschiedener Bücher zu Frieden und Fragen der Nachhaltigkeit u.a. „Einstein und Frieden/ Einstein and Peace“, „Joseph Rotblat – one life for peace“ „Future of Food“.

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