Finanzen

Währungs-Experten: USA setzen Dollar für politische Agenda ein

In einem Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten erklären die Devisen-Analysten Ulrich Leuchtmann und Lutz Karpowitz von der Commerzbank, wie sich wichtige Währungen in den kommenden Monaten entwickeln könnten. Der Dollar werde von den USA zunehmend dazu benutzt, um eine politische Agenda voranzutreiben. Überziehen die USA in diesem Punkt, könnte die Funktion als Weltleitwährung langfristig leiden.
22.06.2016 01:23
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: China hatte den Yuan im Sommer 2015 überraschend deutlich und vor wenigen Tagen dann moderat abgewertet. Erwarten Sie, dass die chinesische Zentralbank den Yuan im laufenden Jahr weiter abwerten wird?

Ja, wir rechnen mit einer weiteren graduellen Abwertung des Renminbi – allerdings im Verhältnis zum handelsgewichteten Währungskorb. Allerdings: Zuviel Abwertung dürfte die Regierung nicht akzeptieren, sonst könnte die Kapitalflucht weiter zunehmen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie würden sich weitere Abwertungen des Yuan Ihrer Ansicht nach auf die internationalen Finanzmärkte auswirken?

Bei einer graduellen Abwertung würde der Druck auf den Bestand von Chinas Währungsreserven abnehmen. Denn der positive Effekt auf Chinas Handelsbilanz würde überwiegen. Damit stünde die Zentralbank Chinas nicht weiter unter Druck, signifikante Reserve-Bestände zu verkaufen (vor allem US- und Euroraum-Staatsanleihen). Anders sähe es bei einer sprunghaften Abwertung aus – wie im August 2015 oder im Januar 2016. Das könnte leicht wieder als Zeichen von systemischen Risiken interpretiert werden und risikobehaftete Anlagen insgesamt belasten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gab es einen Abwertungs-Wettlauf wichtiger Zentralbanken und wenn ja, wurde er bei dem G20-Treffen in Schanghai gestoppt?

Es gab einen Abwertungswettlauf, solange die US-Notenbank Fed sich daran nicht beteiligte – mit dem Ergebnis einer deutlichen Aufwertung des US-Dollars zwischen Mitte 2014 und Ende 2015. Die Fed hat das aber mittlerweile aufgegeben und kommuniziert klar, dass ihr optimistischer Wachstums- und Inflationsausblick auf der Annahme beruht, dass sich solch eine Aufwertungsepisode nicht wiederholt. „Alle werten gegenüber dem US-Dollar ab“ – das läuft seitdem nicht mehr. Anzeichen war z.B. der relativ offen ausgetragene Konflikt zwischen den Delegationen Japans und der USA beim letzten Treffen der G7-Finanzminister und Notenbankchefs in Japan. Das heißt aber auch: Für die meisten Zentralbanken ist der Wechselkurskanal ihrer Geldpolitik verstopft. Re-Inflationierung wird – dort wo sie weiterhin nötig ist – eine noch schwierigere Aufgabe.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der Dollar könnte aufgrund tatsächlicher oder erwarteter Zinserhöhungen der Fed weiter aufwerten. Welche Gefahr besteht dabei für Schwellenländer, welche Chancen gibt es?

Ein schneller Zinserhöhungszyklus in den USA würde diejenigen EM-Länder in Schwierigkeiten bringen, die Leistungsbilanzdefizite oder bereits eine hohe Kapitalflucht aufweisen. Nach dem US-Arbeitsmarktbericht für Mai zeichnet sich aber ein eher vorsichtiges Vorgehen der Fed ab.  Ohnehin ist aber keine breite, krisenhafte Entwicklung zu erwarten. Denn die Wechselkurse der meisten EM-Währungen können sich mittlerweile frei bewegen. Sie haben bereits in der Vergangenheit abgewertet und damit einen guten Teil dieses Effekts vorweggenommen. Eine vorsichtige Fed wäre also keine Belastung für die EM-Währungen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie stark würde das Pfund Ihrer Meinung nach im Falle eines Austritts Großbritanniens aus der EU ungefähr abwerten? Könnte es seinen Status als Weltreservewährung einbüßen, wie Standard & Poor’s kürzlich vermutete?

Initial könnte das Pfund im Fall eines Brexit durchaus 10 Prozent einbüßen. Mittel- bis langfristig wird es (inklusive des Leitwährungs-Status) darauf ankommen, ob schnell ein Assoziierungsabkommen a la Norwegen wahrscheinlich wird. Brüssel mauert derzeit in dieser Frage, aber das mag Theaterdonner vor dem Referendum sein. Mit hinreichend sicherer Aussicht auf ein Assoziierungsabkommen hätte das Pfund dann sogar wieder Erholungspotenzial. Ohne solch ein Abkommen besteht die Gefahr, dass das Leistungsbilanzdefizit des Vereinigten Königreichs nicht mehr finanzierbar wird. Eine Leistungsbilanzkrise – das lehrt auch die Erfahrung der Briten – kann zu Abwertungen jenseits der 30 Prozent-Marke führen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Spekulanten wetten auf eine Abwertung des saudischen Rial – und damit faktisch auf eine Abkopplung vom Dollar. Wie schätzen Sie die Finanzlage Saudi-Arabiens und die Stabilität seiner Währung ein?

Der Bruch einer solchen Wechselkursanbindung ist immer sehr schwer zu prognostizieren. Festhalten kann man aber, dass die wirtschaftliche Performance Saudi-Arabiens derzeit nur schwierig mit einem dauerhaften Peg zum US-Dollar vereinbar ist. Der Druck, die Anbindung aufzuheben, wird umso größer sein, je niedriger der Ölpreis ist.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wird der Dollar in zehn oder fünfzehn Jahren noch die unangefochtene Weltleitwährung sein?

Aus ökonomischer Sicht ist eine Änderung kaum zu erwarten: So ist keine Alternative in Sicht und es ist für die Weltwirtschaft effizient, sich auf eine Welt-Leitwährung zu einigen. Wer als erster abweicht, hat Effizienzverluste zu erleiden. Daher ist der Leitwährungs-Status ein recht stabiler Zustand. Allerdings lassen sich vermehrt Tendenzen beobachten, dass die USA die Rolle des Dollar als Welt-Leitwährung dazu benutzen, um ihre politische Agenda voranzutreiben. Sollte die US-Regierung an dieser Stelle überziehen, könnte das dem Ansehen des Dollars als Welt-Leitwährung schaden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...