Die politische Krise in Großbritannien und die Furcht vor einer Abkühlung der Weltwirtschaft haben den Finanzmärkten am Mittwoch erneut zugesetzt. Das Pfund Sterling fiel auf ein 31-Jahres-Tief von 1,2801 Dollar. Dax und EuroStoxx50 verloren jeweils knapp zwei Prozent auf 9356 und 2762 Punkte. Der Londoner Auswahlindex FTSE büßte 0,5 Prozent ein. Gefragt bleiben dagegen die als sicher geltenden Anlagen wie Gold oder Bundesanleihen.
„Eine Lösung, die Kuh namens 'Brexit' vom Eis zu bekommen, ist nicht in Sicht“, sagte Konstantin Oldenburger, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. „Im Gegenteil: Kein Anleger weiß, ob und wann und erst Recht nicht unter welchen Bedingungen ein Austritt aus der Europäischen Union erfolgen kann und wird.“
Die angelaufene Kür für die Nachfolge des zurückgetretenen Premiers David Cameron biete auch kaum Hinweise auf den Kurs der neuen britischen Regierung, betonte Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen. Schließlich habe sich die aussichtsreichste Kandidatin, Innenministerin Theresa May, vor dem Referendum gegen den Brexit ausgesprochen. „Auf der anderen Seite hat May seit ihrer Kandidatur eine recht harte Linie in Bezug auf die Verhandlungen mit der EU angedeutet.“
In dieser Gemengelage kletterte der Kurs der „Antikrisen-Währung“ Gold um bis zu 1,2 Prozent auf ein Zweieinhalb-Jahres-Hoch von 1,371,40 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Die Nachfrage nach Bundesanleihen drückte die Rendite der zehnjährigen Titel auf ein Rekordtief von minus 0,196 Prozent. Den Experten der US-Bank JPMorgan zufolge rentieren weltweit Staats- und Unternehmensbonds im Volumen von elf Billionen Dollar unter Null Prozent - das entspricht dem Dreifachen der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.
Die trübe Gesamtstimmung mache vor allem den Bankenwerten zu schaffen, die sich von der Finanz- und der europäischen Schuldenkrise noch nicht erholt hätten, betonten die Analysten der Essener National-Bank. „Eine Abschwächung der Wirtschaft dürfte zu zusätzlichen Kreditausfällen führen.“ Der europäische Banken-Index verlor 1,2 Prozent. Deutsche Bank und Commerzbank markierten mit 11,49 und 5,36 Euro jeweils ein Rekordtief.
Das größte Kopfzerbrechen bereiten Investoren italienische Banken, die unter einem 360 Milliarden Euro schweren Berg fauler Kredite ächzen. Das ist etwa ein Drittel aller Problem-Darlehen in der Euro-Zone. Der italienische Bankenindex fiel zeitweise auf ein Vier-Jahres-Tief. Die Aktien der krisengeschüttelten Banca Monte dei Paschi di Siena (BMPS) stiegen dagegen um bis 17 Prozent auf 0,31 Euro. Damit kosteten die Papiere des ältesten Geldhauses der Welt aber immer noch nur etwa halb so viel wie vor dem Brexit-Referendum Ende Juni.
An der Londoner Börse taumelten die Immobilienwerte von einem Tief zum nächsten. Barratt Development und Taylor Wimpey rutschten um bis zu 5,7 Prozent ab. Zuvor hatten einige Anbieter milliardenschwere Immobilienfonds eingefroren, weil Anleger zu viel Geld auf einmal abziehen wollten und ein Liquiditätsengpass drohte.