Politik

US-Warnung an Erdogan: Nato-Mitglieder müssen Demokratien sein

US-Außenminister Kerry hat die Türkei darauf hingewiesen, dass ein Land nur Nato-Mitglied sein könne, wenn es Demokratie und Rechtsstaatlichkeit achte. Als direkte Drohung des Ausschlusses aus dem Bündnis will Washington die Aussage nicht verstehen. Zu den Putsch-Aktivitäten der Generäle äußerte sich Kerry nicht.
18.07.2016 18:58
Lesezeit: 2 min

Die Nato wird nach Angaben von US-Außenminister John Kerry die Entwicklung der Demokratie in der Türkei nach dem gescheiterten Putsch beobachten. "Es gibt ganz offensichtlich Anforderungen der Nato bei der Achtung der Demokratie", sagte Kerry am Montag in Brüssel. "Die Nato wird sehr sorgfältig bewerten, was (in der Türkei) passiert." Man werde konstruktiv zusammenarbeiten, um Rückschritte zu vermeiden. Die türkische Seite habe ihm mehrfach versichert, dass sie die rechtstaatlichen und demokratischen Prinzipien achten wolle. Die türkische Zeitung Daily Sabah berichtet, dass Washington Post einen Bericht korrigiert habe, nachdem die US-Botschaft in Ankara der Türkei versicherte, dass die USA die Nato-Mitgliedschaft nicht in Frage stellen. Die Sabah zitiert einen Sprecher der Botschaft mit den Worten, dass die Mitgliedschaft der Türkei zu keinem Augenblick in Frage gestellt würde.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mahnt die Türkei zur Einhaltung gemeinsamer Werte der Militärallianz. Es sei unerlässlich, dass die Türkei als Mitglied des Bündnisses die Demokratie und deren Institutionen ebenso sicherstelle wie die verfassungsgemäße Ordnung, die Herrschaft des Rechts und die Grundfreiheiten. Stoltenberg hat nach Reuters-Angaben mit Erdogan telefoniert.

Der US Botschafter in der Türkei, John Bass, weist jeden Verdacht zurück, die USA hätten bei dem gescheiterten Putschversuch ihre Finger mit im Spiel gehabt. Solche Medienberichte oder öffentlichen Außerungen von türkischen Politikern seien "kategorisch falsch" und schadeten den Beziehungen der beiden Nato-Mitglieder, erklärt Bass auf der Internetseite der Botschaft. Zuvor hatte bereits Kerry solche Spekulationen zurückgewiesen.

Der ehemalige Luftwaffenchef Akin Öztürk hat der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge gestanden, den Putsch geplant zu haben. Öztürk habe dies gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeräumt. Die Nato kommentierte die Aktivitäten der Militärs, die in den Putsch verwickelt sein sollen, nicht. Das türkische Fernsehen zeigte am Montag Videos von Generälen und Soldaten, die nach ihrer Verhaftung von der Polizei registriert wurden.

Zwei private Sender widersprechen der Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu, Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk habe ein Geständnis abgelegt. Unter Berufung auf seine Aussage vor der Staatsanwaltschaft berichten Habertürk und NTV, Öztürk habe vielmehr jede Beteiligung verneint. "Ich gehöre nicht zu denen, die den Putschversuch vom 15. Juli geplant oder geleitet haben und weiß nicht, wer es war", zitiert NTV aus seiner Aussage.

In der Türkei sind nach dem gescheiterten Putsch vom Wochenende Tausende Angehörige von Armee, Justiz und Polizei ihrer Posten enthoben worden. Zudem erwägt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die Nato 1995 bestimmte Voraussetzungen für Länder festgelegt, die dem Militärbündnis beitreten wollen. Dazu gehören unter anderem eine funktionierende Demokratie mit einer Überwachung des Militärs durch zivile Strukturen, die faire Behandlung von Minderheiten und der Anspruch, Konflikte friedlich zu lösen. Im Nato-Vertrag von 1949 berufen sich die Gründungsmitglieder allgemein auf die Grundsätze der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts. Mögliche Konsequenzen, was bei Nichtbeachtung dieser Werte geschieht, werden nicht genannt.

Nach dem Nato-Beitritt der Türkei 1952 hat die Armee in dem strategisch wichtigen Land bereits mehrmals gegen die demokratisch gewählte Regierung geputscht, ohne dass dies unmittelbare Auswirkungen auf die Mitgliedschaft in der Allianz gehabt hätte. Auch in Griechenland putschte das Militär. Der Putsch im Jahr 1967 blieb ebenfalls folgenlos für die Mitgliedschaft des Landes in der Allianz.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krieg ohne Inflation: Wie Israel das ökonomische Tabu bricht
18.06.2025

Israel führt Krieg, pumpt Milliarden in Rüstung und treibt die Geldmenge nach oben – doch die Inflation bleibt aus. Ist alles, was wir...

DWN
Politik
Politik Kommt die Wehrpflicht? Nur jeder dritte Deutsche würde heute Wehrdienst leisten
18.06.2025

Die Nato drängt: Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie soll die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Raus ist raus: Russland droht westlichen Firmen mit Rückkehr-Verbot
18.06.2025

Westliche Konzerne wollten erst raus – und nun leise zurück nach Russland? Die Regierung macht dicht: Rückkaufrechte gestrichen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stellenabbau: Deutsche Industrie verliert in nur einem Jahr 100.000 Arbeitsplätze
18.06.2025

Die desaströse Wirtschaftspolitik der letzten Jahre führt in der Konsequenz zu immer mehr Stellenabbau in der deutschen Industrie. Vor...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis und Platinpreis explodieren – verdrängen diese Metalle bald das Gold als Krisenwährung?
18.06.2025

Der Silberpreis und der Platinpreis schießen in die Höhe – und Anleger wenden sich zunehmend vom teuren Gold ab. Droht dem einstigen...

DWN
Politik
Politik Diäten, Rente und Pflege - was sich im Juli ändert
18.06.2025

Gerade in der Urlaubszeit wäre mehr Geld auf dem Konto ein Traum: Für wen ab Juli mehr drin ist und welche Fristen Sie beachten sollten.

DWN
Politik
Politik Neuer BND-Chef wird Martin Jäger - bisher deutscher Botschafter der Ukraine
18.06.2025

Der deutsche Botschafter in der Ukraine, Martin Jäger, wird neuer Präsident des Bundesnachrichtendienstes. BND-Präsident Bruno Kahl...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Überstundenabbau: Ansammeln von Überstunden - Welche Rechte haben Arbeitgeber?
18.06.2025

Das Überstundenvolumen liegt in Deutschland, auch ohne steuerfreie Überstunden, auf einem hohen Niveau: 2024 wurden 1,2 Milliarden...