Finanzen

Investoren warnen vor Monopol bei Europas Börsen

Lesezeit: 2 min
06.08.2016 01:08
Eine Vereinigung europäischer Anleger hat den geplanten Zusammenschluss von Deutscher Börse und London Stock Exchange kritisiert. Daraus entstehe ein Monopolist, der andere Betreiber verdränge und Preise diktieren könne. Die Frage, wo das neue Unternehmen seinen Sitz haben soll, ist derzeit heftig umstritten.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Eine europäische Privatanleger-Lobby hat in einem Schreiben an die EU-Wettbewerbsaufsicht den geplanten Zusammenschluss der Deutschen Börse und der London Stock Exchange (LSE) kritisiert. Es sei zu befürchten, dass der fusionierte Börsenbetreiber quasi eine Monopol-Stellung erlange und so Kosten und Gebühren diktieren könnte, heißt es in dem Schreiben der European Investors Association an Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.

Auch könnte die Bedeutung kleinerer Börsenbetreiber wie der Euronext schrumpfen, was Nachteile für Anleger und börsennotierte Unternehmen mit sich bringe. Die Gruppe forderte in dem auf den 4. August datierten Schreiben aber nicht explizit, dass Vestager das 25 Milliarden Euro schwere Vorhaben stoppt.

Die Fusion soll spätestens im Sommer 2017 unter Dach und Fach sein. Der Chef der London Stock Exchange (LSE), Xavier Rolet, sagte am Donnerstag, mit dem Abschluss des 25 Milliarden Euro schweren Zusammenschlusses der beiden Branchengrößen in Europa sei im ersten Halbjahr 2017 zu rechnen. Vom Votum Großbritanniens, die EU zu verlassen, will sich Rolet nicht aufhalten lassen. Die Zustimmung der Aktionäre beider Firmen wertet die LSE als „guten Fortschritt“. Doch die größte Hürde stehe noch bevor: Nun werde daran gearbeitet, die Genehmigung der Wettbewerbsbehörden zu bekommen.

Sie hängt angesichts des Brexit unter anderem an der Frage, wo die fusionierte Börse ihren Hauptsitz haben wird. „Ich weiß es einfach nicht“, räumte Rolet ein. Wie auch immer die Entscheidung ausfallen werde: Die Aktionäre sollen noch einmal darüber abstimmen dürfen. Aus Sicht deutscher Politiker und der Finanzaufsicht BaFin ist eine Fusion schwer vorstellbar, wenn die Mega-Börse anschließend wie geplant aus London gesteuert wird. Die Deutsche Börse spricht deshalb Insidern zufolge mit der LSE über einen Firmensitz in der EU oder über die Schaffung eines Doppel-Sitzes für die Holding.

Erwartet wird auch, dass die EU darauf pocht, dass Euro-Geschäfte nach einem Austritt Großbritanniens in der Euro-Zone abgewickelt werden. Bisher findet das Clearing überwiegend in London statt. Rolet sagte, er sehe keine unmittelbare Gefahr, dass die Abwicklung aus London abgezogen werden könnte.

Die Börsen in Frankfurt und London wollen mit dem Deal ihre Position in der Branche stärken, in der vor allem Größe zählt. Sie wollen so den größeren Rivalen aus den USA und Asien Paroli bieten. Der US-Konkurrent ICE, zu dem auch die New Yorker Börse gehört, hatte monatelang offen mit einer Gegenofferte für die LSE geliebäugelt. Am 4. Mai machte er einen Rückzieher. Nach dem Brexit-Votum ist die ICE froh, sich nicht auf ein Bietergefecht mit der Deutschen Börse eingelassen zu haben. Man habe sich auch deshalb gegen eine Offerte entschieden, weil das Management erwartet habe, dass die Briten für einen EU-Austritt stimmten und damit viel Unsicherheit entstehen werde, sagte ICE-Chef Jeffrey Sprecher am Mittwoch. „Und ich kann ihnen sagen, dass wir glücklich sind, diese Entscheidung getroffen zu haben.“ Im Mai hatte er die Absage noch mit dem Unwillen des LSE-Managements begründet, mit der ICE zu verhandeln.

Die LSE-Gruppe, zu der auch die Börse in Mailand gehört, erzielte im ersten Halbjahr auch ohne einen Partner deutliche Zuwächse. Der Umsatz kletterte um neun Prozent auf 722 Millionen Pfund (862 Millionen Euro). Der um Sonderfaktoren bereinigte operative Gewinn stieg ebenfalls um neun Prozent auf 333,3 Millionen Pfund (398 Millionen Euro). Bei den Einnahmen wurden die Analystenerwartungen übertroffen, beim Ergebnis lagen sie im Rahmen der Schätzungen.


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Der betagte Präsident? Joe Bidens Zustand beim G7-Gipfel sorgt für Gesprächsstoff
15.06.2024

Das Alter von Joe Biden spielt eine zentrale Rolle im US-Präsidentschaftswahlkampf. Auch beim G7-Gipfel in Italien wird über seinen...

DWN
Politik
Politik Inflationsausgleichsprämie: Bis zu 3.000 Euro steuerfrei - wer bekommt sie tatsächlich?
15.06.2024

Seit dem 26. Oktober 2022 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten steuer- und abgabenfrei einen Betrag bis zu 3.000 Euro gewähren. Das...

DWN
Politik
Politik Unser neues Magazin ist da: Das neue digitale Gesundheitswesen – Fluch oder Segen für Deutschland?
15.06.2024

Das deutsche Gesundheitssystem kriselt. Lauterbachs Krankenhausreform ist womöglich nicht der Ausweg, stattdessen könnte eine umfassende...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsche Weinbauern reüssieren im Export - starke Nachfrage aus China 
15.06.2024

Deutschland ist berühmt für seine vorzüglichen Riesling-Weine. Das wird auch international anerkannt. Und es scheint so, als ob...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung bedrohen den ehrlichen Mittelstand: Welche Lösungen gibt es?
15.06.2024

Der Zoll geht aktuell deutschlandweit gegen Schwarzarbeit vor - und das ist dringend notwendig: Deutschen Unternehmen gehen jährlich 300...

DWN
Politik
Politik Deutsche Investitionen bedroht: Würth äußert sich besorgt über AfD-Erfolg
15.06.2024

Der Unternehmer Reinhold Würth äußerte Enttäuschung über das Abschneiden der AfD bei der Europawahl, insbesondere in Künzelsau, wo...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt weiter - Hoffnung auf Trendwende schwindet
15.06.2024

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland steigt weiter an, ohne Anzeichen einer baldigen Trendwende. Experten prognostizieren...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hauptquartier: Amerikaner übergeben Nato-Mission ausgerechnet Deutschland
14.06.2024

Die Nato plant, die internationalen Waffenlieferungen und Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte zu koordinieren. Deutschland fällt...