Politik

Flüchtlinge: Merkel bereitet sich auf Scheitern des Deals mit der Türkei vor

Bundeskanzlerin Merkel hat offenbar veranlasst, Deutschland auf ein Scheitern des Flüchtlingsdeals mit der Türkei vorzubereiten. Schon jetzt funktionieren die Rückführungen aus Griechenland nicht mehr. Die EU soll für die Schließung der Außengrenzen sorgen. Flüchtlinge sollen in Lagern registriert und dann in der EU verteilt werden. Bisher hat genau dieser Plan allerdings nicht einmal ansatzweise funktioniert.
19.08.2016 14:41
Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung hält ein Scheitern des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei einem Spiegel-Bericht zufolge für möglich. Die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen in der Türkei seien "völlig unklar", zitierte das Nachrichtenmagazin am Freitag aus einem internen Papier des Bundesfinanzministeriums. "Erneuter Handlungsbedarf auf europäischer Ebene ist nicht ausgeschlossen." Die Finanzfachleute fühlen sich demnach zuständig, weil mit der Flüchtlingskrise auch Kosten für den Bundeshaushalt verbunden sind.

Bereits jetzt bestünden Probleme bei der Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei. Sollte das Abkommen mit Ankara scheitern, müssten die EU-Außengrenzen zwischen der Türkei und Griechenland durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex "verlässlich geschützt" werden. Flüchtlinge, die in Europa ankämen oder aus humanitären Gründen nicht abgewiesen werden könnten, "müssten in grenznahen Auffanglagern gesammelt, registriert und nach Quoten" auf die Mitgliedstaaten verteilt werden.

Wie das genau geschehen soll, ist unklar: Eigentlich hatte die EU bereits bis Juli geplant, Frontex soweit zu verstärken, dass die Grenzen ausreichend geschützt sind. Es wurde bisher nicht bekanntgegeben, dass die Kapazitäten nun im notwendigen Ausmaß aufgebaut wurden, im Gegenteil: Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Marine-Mission "Sophia" vor Problemen steht, weil nicht ausreichend Zielhäfen vorhanden sind, um den Waffenhandel zu unterbinden. Außerdem können Waffenschmuggler nicht festgenommen werden, sondern müssen aus völkerrechtlichen Gründen freigelassen werden. Die EU befürchtet weiters, dass sich IS-Terroristen unter die für den libyschen Grenzschutz Auszubildenden mischen könnten, berichtet die Welt.

Die Quote hat bisher überhaupt nicht funktioniert - von den 200.000 zur Umverteilung in Griechenland und Italien wartenden Flüchtlingen und Migranten wurde zum Beginn des Sommers erst einige hundert verteilt.

Die osteuropäischen Staaten lehnen die Quote kategorisch ab. Ungarn hält im Herbst ein Referendum ab, bei dem die Ungarn über eine EU-Quote entscheiden sollen. Die Kampagne der Regierung Orban ist knallhart - und zielt darauf ab, die Ungarn zur Ablehnung der Quote zu bewegen. 

"Vollumfängliche Kooperation Griechenlands ist sicherzustellen, auch unter Anwendung finanziellen Drucks", heißt es laut "Spiegel" in dem Papier. Ansonsten drohe der Rückzug auf eine erst im Westbalkan haltbare Grenzlinie. Eine Ausweitung der Kontrollen an den deutschen Grenzen zur Schweiz und zu Frankreich sei "bei einer Verlagerung der Migrationsrouten denkbar". Für den "Außengrenzschutz einschließlich Rückführung" hätten Drittstaaten "eine gesteigerte Bedeutung": Deren "Kooperationswilligkeit und -fähigkeit kann finanziell befleißigt werden".

Das Problem könnten auch neue Flüchtlingsrouten sein, die von den Migranten ausprobiert werden, um eine allfällige Frontex-Überwachung zu umgehen: Vor der griechischen Küste sind am Freitag rund 50 Flüchtlinge aus Seenot gerettet worden. Wie die Hafenpolizei mitteilte, kenterte das Flüchtlingsboot am Freitag vor der Ortschaft Methoni an der südwestlichen Spitze der Halbinsel Peloponnes. Die Insassen hatten sich auf Felsen in Sicherheit gebracht und wurden von den Rettungskräften nach Methoni gebracht.

Den Angaben zufolge versuchten die Behörden den Weg der Schiffbrüchigen zu rekonstruieren, die fernab der üblichen Flüchtlingsrouten aufgegriffen wurden. Die meisten Flüchtlinge kommen von der Türkei aus über die östlich vom Festland gelegene Ägäis nach Griechenland. Auf den Ägäis-Inseln trafen zwischen Donnerstag und Freitagmorgen nach Angaben der griechischen Behörde für die Koordinierung des Flüchtlingskrise 261 Migranten ein. Die meisten von ihnen seien auf Lesbos registriert worden.

Es habe im Vergleich zu den Vortagen einen leichten Anstieg der Zahlen gegeben.

In den vergangenen Monaten waren aufgrund des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei deutlich weniger Neuankömmlinge in Griechenland registriert worden. Allerdings sitzen wegen des Schließens der Balkanroute zahlreiche Flüchtlinge in Griechenland fest, so dass die Lage in den Flüchtlingslagern weiter angespannt ist.

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