Politik

Notenbanken in der Sackgasse: Kein Ausweg nach Jackson Hole

Die Zentralbanker haben sich in Jackson Hole mehr oder weniger darauf verständigt, dass es aus der globalen Finanzkrise keinen anderen Ausweg gibt als ein kräftiges "Weiter so!". Beobachter halten es für möglich, dass die Negativ-Zinsen für immer bestehen bleiben könnten.
28.08.2016 16:11
Lesezeit: 3 min

Tobias Schmidt von der dpa-AFX liefert eine ernüchternde Einschätzung der Krise der Zentralbanken, deren Ratlosigkeit in Jackson Hole ziemlich deutlich wurde:

Seit der Finanzkrise sind die führenden Notenbanken der Welt im Ausnahmezustand. Mit Negativzinsen und einer beispiellosen Geldflut versuchen sie, die schwächelnde Wirtschaft und Inflation anzukurbeln. Doch die erhoffte Wirkung bleibt aus, und selbst die US-Notenbank Fed schafft den Ausstieg aus dem Krisenmodus kaum. Auch beim Treffen im malerischen Jackson Hole mitten in der Wildnis der Rocky Mountains ließ Fed-Chefin Janet Yellen die Finanzwelt im Unklaren, wie und wann sie genau die im Winter eingeleitete Zinswende fortsetzen will.

Die weltweit wichtigsten Währungshüter haben verschiedene Auffassungen über den künftigen Kurs der Geldpolitik. Auf der einen Seite steht die mächtigste Notenbank der Welt. Die US-Zentralbank Fed hatte im Dezember als einzige führende Notenbank erstmals seit der Finanzkrise die Zinsen angehoben, ein kleines Stück von der Nulllinie. Immerhin.

Seither lag die sogenannte Zinswende zwar auf Eis. Kurz vor dem legendären Währungshüter-Treffen lösten Äußerungen von Fed-Vizechef Stanley Fischer Spekulationen auf eine baldige Fortsetzung aus. «Wir haben unsere Ziele fast erreicht», sagte Fischer, um dann noch nachzulegen. Gefragt danach, ob die Zinsen bereits im September steigen könnten und ob in diesem Jahr zwei Anhebungen möglich seien, sagte Fischer im US-Fernsehen: «Was die Vorsitzende (Yellen) heute gesagt hat, ist vereinbar mit einem "Ja" auf ihre beiden Fragen.» Yellen hatte indes nur gesagt, die Argumente für eine Zinsanhebung seien in den vergangenen Monaten stärker geworden, ohne jedoch einen Zeitpunkt für eine mögliche Zinsstraffung zu nennen. Die Fed tagt in diesem Jahr noch dreimal: im September, November und Dezember.

Auf der anderen Seite stehen alle anderen großen Notenbanken. Zinswende der Fed hin oder her: Die Europäische Zentralbank (EZB) und die japanische Notenbank haben ihre Geldpolitik immer weiter gelockert. Sie haben sogar Negativzinsen eingeführt, fluten die Märkte mittels milliardenschweren Anleihekäufen mit Geld und wollen im Zweifel noch nachlegen. Sogar über die Einführung von «Helikoptergeld» wird spekuliert, also über direkte Geldgeschenke an Bürger oder den Staat. Seit dem Brexit-Votum der Briten ist die Bank of England auf Lockerungskurs, in Australien und Neuseeland sieht es nicht anders aus.

Aus Sicht der Fed ist das ein Problem, denn im Alleingang kommt sie mit ihrer Abkehr vom Krisenmodus nicht voran. In einer globalisierten Welt hängen die Währungshüter voneinander ab. Eine Zinssenkung in der Eurozone beispielsweise schwächt den Euro und stärkt den Dollar. Ein zu starker Dollar aber ist schlecht für die US-Exportindustrie, da amerikanische Produkte auf den Weltmärkten teurer werden. So gilt er als Hindernis für die Fed, die Zinsen anzuheben. Denn dadurch würde sie den Dollar noch weiter stärken.

Umso wichtiger sind für die Notenbanker Gelegenheiten zum Austausch wie in Jackson Hole. Der erhoffte Klartext Yellens blieb allerdings aus. Analyst Neil Wilson vom Handelshaus ETX Capital kommentierte: «Die Argumente für Zinsanhebungen sind seit Jahren stärker geworden, so dass dies nicht viel Neues sagt.» Zudem wies sie abermals darauf hin, dass die Zinsentscheidungen von der konjunkturellen Entwicklung abhingen und keinem vorab festgelegten Kurs folgten. Mit diesen Formulierungen will sich die Fed Spielraum erhalten - ein klarer Unterschied zu früheren Straffungsphasen der Fed, die meist einem klaren zeitlichen Muster folgten. «Unsere Fähigkeit vorherzusagen, wie die Federal Funds Rate sich im Laufe der Zeit entwickelt, ist ziemlich begrenzt, da die Geldpolitik auf jegliche Störungen reagieren muss, die die Wirtschaft beeinträchtigen könnten.»

Die meisten Experten rechnen eher damit, dass man dem Trend der lockeren Geldpolitik weiter folgen wird. Die Niedrigzinsen könnten gar auf lange Zeit festgestampft werden, sagt Peter Kinsella, Experte bei der Commerzbank. «Im Wesentlichen fragen sich die Anleger, ob bei den Zinsen "für länger niedrig" bald "für immer niedrig" heißt.» Ähnlich sehen das von der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» befragte Experten - beispielsweise der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der damit rechnet, dass die Niedrigzinsphase noch mindestens fünf weitere Jahre anhalte.

Dabei ist die lockere Geldpolitik bislang alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Denn die Geschäftsbanken geben das viele Geld der Zentralbanken nicht in erhofftem Umfang in Form von Krediten an Unternehmen weiter. Es wird zu viel gespart, zu wenig investiert, die Produktivität, die Inflation und das Wirtschaftswachstum bleiben schwach. Und die Folgen für Sparer sind verheerend. «Auf Dauer sind die Folgen von Niedrigzinsen oder gar negativen Zinsen schädlich - etwa bei der Vorsorge fürs Alter», sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble der «FAS».

Wenn es nach einigen Notenbankern wie EZB-Chef Mario Draghi geht, dann können langfristig ohnehin nur tiefgreifende Reformen die Wirtschaft stützen, etwa am Arbeitsmarkt oder im Rentensystem. Das aber ist der langwierigste, der schwierigste und vor allem der umstrittenste Weg. Und er liegt außerhalb des Gestaltungsspielraums der Währungshüter.

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