Finanzen

Deutsche Unternehmen drosseln Produktion unerwartet stark

Die deutsche Industrie hat ihre Produktion im Juli unerwartet stark zurückgefahren. Zuvor wurde bekannt, dass sich die Auftragseingänge schwächer als erwartet entwickelt hatten. Beobachter gehen davon aus, dass die kommenden Monate im Zeichen der Stagnation der Weltwirtschaft stehen werden.
07.09.2016 11:45
Lesezeit: 3 min

Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion im Juli so kräftig gedrosselt wie seit knapp zwei Jahren nicht mehr. Industrie, Baubranche und Energieversorger stellten zusammen 1,5 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch bekanntgab. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet. Im Juni hatte es noch ein Plus von 1,1 Prozent gegeben.

Der unerwartete Rückgang geht allein auf die Industrie zurück: Sie produzierte im Juli 2,3 Prozent weniger. Bei den für die deutsche Wirtschaft wichtigen Investitionsgütern kam es zu einem Rückgang um 3,6 Prozent, bei Konsumgütern zu einem Minus in Höhe von 2,6 Prozent und bei Vorleistungen ergab sich ein Rückgang um 0,8 Prozent.

Die Bauproduktion legte dagegen um 1,8 Prozent zu, während die Energieerzeugung um 2,6 Prozent stieg. „Die gute Baukonjunktur dürfte nach der als Folge des milden Winters weniger ausgeprägten Frühjahrsbelebung nun wieder sichtbarer werden“, erklärte das Ministerium. „Dagegen verhalten sich die Industrieunternehmen angesichts der schleppenden Entwicklung der globalen Absatzmärkte weiter abwartend.“

Gegen eine rasche Belebung spricht die verhaltene Auftragsentwicklung: Die Industrie zog im Juli 0,2 Prozent mehr Bestellungen an Land als im Vormonat.

Beobachter erwarten, dass die Schwäche der Industrieproduktion anhalten wird. „Der Rückgang der Produktion kommt nicht ganz überraschend nach den schwachen Zahlen, die aus der Automobilindustrie vorlagen. Insgesamt zeigt sich einmal mehr, dass das Verarbeitende Gewerbe kein Wachstumstreiber mehr ist in einer Welt, die immer stärker von Dienstleistungen dominiert wird. Darauf muss sich die deutsche Wirtschaft vielleicht noch mehr einstellen“, sagte Holger Sandte von der Nordea Bank.

„Dem gestern veröffentlichten mageren Auftragseingang folgt heute ein Absturz der Industrieproduktion. Dabei fällt weniger die aktuelle Zahl ins Gewicht als vielmehr die insgesamt magere Entwicklung seit Jahresbeginn. Ohne den privaten Konsum und die Bauinvestitionen fielen die Zuwachsraten beim deutschen Bruttoinlandsprodukt betrüblich aus. Positiv formuliert, heißt dies: Der private Konsum springt gerade zur rechten Zeit an. Die Wachstumsraten werden im laufenden Jahr nicht in den Himmel wachsen. Erst wenn sich die weltweite Investitionszurückhaltung legt und der Welthandel anspringt, wird die deutsche Wirtschaft wieder zur Hochform auflaufen“, sagte Thomas Gitzel von der VP BANK.

Wie gestern bekannt wurde, ist die deutsche Industrie mit einem schwachen Auftragsplus ins zweite Halbjahr gestartet. Sie sammelte im Juli 0,2 Prozent mehr Bestellungen ein als im Vormonat. Von Reuters befragte Ökonomen hatten allerdings mit einem stärkeren Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet nach einem Rückgang von 0,3 Prozent im Juni. „Die Seitwärtsbewegung der Auftragseingänge spricht für eine eher ruhige Industriekonjunktur im Herbst“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag.

Ein besseres Ergebnis verhinderte die schrumpfende Nachfrage aus dem Inland, die um 3,0 Prozent abnahm. Dagegen legten die Aufträge aus dem Ausland um 2,5 Prozent zu. Die aus der Euro-Zone wuchsen dabei um 5,9 Prozent, die aus dem Rest der Welt um 0,6 Prozent. Viele Experten gehen davon aus, dass nach dem Anti-EU-Votum in Großbritannien die Nachfrage nach Waren „Made in Germany“ auf diesem wichtigen Exportmarkt spürbar nachlassen dürfte. So wertete das britische Pfund kräftig ab, was deutsche Güter dort teurer macht.

Bei den Herstellern von Vorleistungsgütern wie Chemikalien lag der Auftragseingang im Juli auf dem Niveau des Vormonats. Die Produzenten von Investitionsgütern wie Maschinen meldeten einen Zuwachs von 0,8 Prozent. Dagegen gab es bei Konsumgütern ein Minus von 4,3 Prozent.

Ökonomen zufolge deuten die Zahlen mittelfristig auf eine Stagnation der Aufträge für die deutsche Industrie hin, weil sich das globale Wirtschaftswachstum weiter abkühlen dürfte:

„Der Auftragseingang setzt seine lethargische Seitwärtsbewegung fort. In diesem Monat war es das Inland, das hierzu beigetragen hat. Da die Weltwirtschaft nur verhalten wächst, ist echte Besserung nicht in Sicht“, sagte Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe.

„Das deutet auf eine eher ruhige Entwicklung in den kommenden Monaten hin. Wenn man die Großaufträge herausnimmt, sieht das Bild etwas schlechter aus. Die Brexit-Folgen spiegeln sich in den Daten noch nicht wider. Das beruhigt sich im Moment zwar etwas. Die Unsicherheit über den weiteren Fortgang dürfte aber mittelfristig auf die Investitionen durchschlagen“, sagte Jana Meier von HSBC Trinkaus.

„Durchatmen ist angesagt. Im Juli verbuchen die Auftragseingänge wieder ein positives Vorzeichen. Wäre im Juli ein erneuter Rückgang zu vermelden gewesen, hätte es ziemlich düster ausgesehen. Der Zuwachs ist aber alles andere als berauschend. Die deutschen Unternehmen tun sich im laufenden Jahr relativ schwer, an neue Aufträge zu kommen. Davon sind selbst Flaggschiffe wie etwa der Maschinenbau betroffen. Die wirtschaftlichen und politischen Verunsicherungen dämpfen die Bestelllaune rings um den Globus. Der Brexit-Entscheid war dabei lediglich das vorerst letzte Glied in der Kette. Mit US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump steht der nächste Unsicherheitsfaktor vor der Tür. Trump ist der Freihandel ein Dorn im Auge. Gerade aber das wollen global agierende Unternehmen nicht hören. Vermutlich ist die Saure-Gurken-Zeit bei den Auftragseingängen noch nicht beendet“, sagte Thomas Gitzel von der VP Bank.

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