Jan Dörner von der AFP analysiert die große Zahl der in Deutschland lebenden Migranten, deren Asylgesuche abgelehnt wurden, die aber trotzdem im Land geblieben sind:
In Deutschland leben nach Angaben der Bundesregierung fast 550.000 abgelehnte Asylbewerber. Mehr als drei Viertel von ihnen haben allerdings ein zumindest befristetes Aufenthaltsrecht. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte es daher als "Stimmungsmache", dass die CSU angesichts der Zahlen verschärfte Abschiebereglungen forderte.
Am Stichtag 30. Juni 2016 hielten sich in Deutschland 549.209 abgelehnte Asylbewerber auf, wie die Bundesregierung in einer am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag mitteilte. Fast drei Viertel davon leben bereits seit mehr als sechs Jahren in Deutschland.
Knapp die Hälfte der abgelehnten Asylbewerber hat ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Ein weiteres Drittel verfügt über ein befristetes Aufenthaltsrecht. Die größte Gruppe stammt den Angaben zufolge mit rund 77.660 aus der Türkei. Es folgen abgelehnte Bewerber aus dem Kosovo (68.549) und aus Serbien (50.817).
Dass Asylbewerber trotz eines abgelehnten Antrags nicht abgeschoben werden, kann eine Reihe von Gründen haben. Häufig werden die Flüchtlinge von ihrem Herkunftsland nicht mehr aufgenommen - das ist insbesondere bei den Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko ein Problem. Ein Abschiebungshindernis liegt auch vor, wenn ein Flüchtling keine Papiere besitzt. Zudem können gesundheitliche Probleme der Grund für einen Verbleib in Deutschland sein.
Der Vizevorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Friedrich (CSU), forderte mit Blick auf die Zahlen eine Reform der Abschieberegeln. "Wer zulässt, dass abgelehnte Asylbewerber dem Staat derart auf der Nase herumtanzen, zerstört das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates", sagte Friedrich der "Bild"-Zeitung. "Die Rechtsvorschriften müssen dringend geändert werden."
Der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth verwies darauf, die Zahl von einer halben Million abgelehnte Asylbewerber in Deutschland sei "nicht die Bilanz von zwei oder drei, sondern die Summe von 40 Jahren". Auch er sprach sich dafür aus, die Zahl der Rückführungen zu steigern. "Ein großes Hindernis ist, dass sich zahlreiche Herkunftsstaaten de facto rechtswidrig weigern, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen", beklagte Harbarth, ebenso wie Friedrich einer der Vizevorsitzenden der Unionsfraktion. "Es gilt, den Druck auf diese Staaten massiv zu erhöhen."
Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, kritisierte hingegen, es gebe in Deutschland eine "regelrechte Abschiebeverhinderungsindustrie". Er warf "Anwälten und Organisationen wie Pro Asyl" vor, die rechtmäßige Rückführung abgelehnter Asylbewerber "systematisch" zu verhindern, sagte Wendt der "Bild"-Zeitung.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt reagierte empört auf die Vorwürfe. "Es gibt eine üble Stimmungsmache, um ein Klima zu erzeugen, damit Menschen abgeschoben werden, die nicht abgeschoben werden dürfen", sagte Burkhardt AFP. "Wenn abgelehnte Asylbewerber ein legales Aufenthaltsrecht haben, steht das im Widerspruch zu der Unterstellung, sie würden zu Unrecht in Deutschland sein."