Exxon Mobil, einer der größten Erdölkonzerne der Welt, und Saudi-Arabien, das neben Russland wichtigste Förderland, vertreten sehr unterschiedliche Ansichten bezüglich des globalen Ölangebotes in den kommenden Jahren.
Geht es nach dem saudischen Energieminister Khalid al-Falih, könnte es sogar zu Lieferengpässen kommen, weil das Angebot in Zukunft nicht mehr mit der Nachfrage mithalten könne. Al-Falih sagte am Mittwoch, dass die weltweite Ölindustrie bald aus einem lähmenden Zwei-Jahres-Einbruch herauskommen könnte. Aber er warnte auch vor einer bevorstehenden Erdölknappheit, die die Rohölpreise drastisch erhöhen könnte. „Wir sind jetzt am Ende eines erheblichen Abschwungs (…) Viele Analysten warnen vor Lieferengpässen. Ich bin ebenfalls dieser Ansicht (…) Es wird eine Zeit der Versorgungsengpässe geben“, zitiert das Wall Street Journal al-Falih. Die Aussagen traf der Minister auf einer Öl- und Geldkonferenz in London, an der Top-Manager von Ölfirmen wie Exxon Mobil, Royal Dutch Shell PLC und Total SA teilnahmen.
Kurz nach der Rede von al-Falih ergriff Exxon-Chef Rex W. Tillerson das Wort. Er sagte, dass die US-Frackingsindustrie große Mengen an Öl gelagert hat, die sehr schnell auf den Markt gebracht werden könnte, während die Nachfrage und der Preis steigen. „Ich persönlich habe nicht unbedingt die Sichtweise, dass wir uns in den nächsten drei, vier, fünf Jahren auf einen Zusammenbruch des Angebotes einstellen müssen. Wir haben eine Verfügbarkeit über eine sehr große Ressourcenbasis in Nordamerika…das dient als enorme Reservekapazität im System. Sie müssen auch bedenken, dass wir gegenüber 2013 etwa 600 Millionen Barrel (159 Liter) Rohöl mehr in unseren Lagern haben. Das ist viel Öl, dass auch noch irgendwann verbraucht werden muss“, wird Tillerson von der Financial Times zitiert.
„Es ist verblüffend, dass die beiden so weit auseinanderliegen“, wird ein Analyst der Londoner Denkfabrik Chatham House zitiert. Die Ansichten Tillersons repräsentierten demnach eine Minderheit der Ölmanager, die offenbar eher der Position Saudi-Arabiens Glauben schenken. Der Vorstandsvorsitzende der französischen Total-Gesellschaft etwa geht davon aus, dass die Nachfrage das Angebot zum Ende des Jahrzehnts um täglich fünf bis zehn Millionen Barrel übersteigen werde.
Als Hauptargument für diese These verwies er auf Einsparungen und abgebrochene Investitionen im Gesamtumfang von etwa einer Billion Dollar, welche seit Beginn des Preisverfalls für Erdöl Mitte 2014 getätigt worden seien.
Den Saudis könnte entgegenkommen, dass der Söldner im Irak begonnen haben, Ölfelder in Brand zu setzen. Internationale Nachrichtenagenturen vermuten die Täter beim IS. Unabhängige Belege liegen dafür nicht vor. Saudi-Arabien unterstützt seinerseits zahlreiche Söldner im Nahen Osten.
Die Aussagen des saudischen Energieministers haben ein besonderes Gewicht, da Saudi-Arabien im September etwa 10,6 Millionen Barrel produziert hat, obwohl es eine Kapazität von 12,2 Millionen Barrel hatte. Die Differenz wird als Reservekapazität umschrieben, dass im Falle eines Angebotsmangels zur Verfügung gestellt werden kann. Al-Falih hat auf der Konferenz zwar gesagt, dass Saudi-Arabien in einer Phase des Angebotsmangels aushelfen könnte. Ob dies tatsächlich gemacht wird bleibt unklar, da das Königreich im aktuellen Jahr auf Rekordniveau produzieren musste.