Politik

Nach Räumung von Calais: Migranten ziehen nach Paris

Nach der Räumung des Flüchtlingscamps bei Calais steigt die Zahl der Flüchtlinge in Paris stark an. Die Behörden befürchten einen neuen „Dschungel“.
30.10.2016 13:50
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das Flüchtlingslager („Dschungel“) von Calais wurde von den französischen Behörden geräumt. Doch während zahlreiche Flüchtlinge und Migranten in andere Departements gebracht wurden, sind hunderte von ihnen weitergewandert. In Paris  Im Nordosten von Paris, auf der Avenue des Flandres und rund um die Metrostationen Jaurès und Stalingrad, werden jeden Tag neue Iglu-Zelte aufgebaut, und an den Essensausgaben wachsen die Schlangen.

„Vor drei Tagen haben wir noch 700 bis 800 Mahlzeiten verteilt“, sagt Charles Drane, Koordinator einer Hilfsorganisation, der Thompson Reuters-Stiftung in einem Bericht. „Heute sind es mehr als 1.000. Ich weiß nicht, wie wir das schaffen sollen.“

Wächst das Camp im 19. Bezirk der französischen Hauptstadt deswegen so rapide, weil am Ärmelkanal der „Dschungel“ von Calais geräumt wurde? Die Regierung bestreitet das: „Es gibt keine massive Ankunft in Paris aus Calais“, sagt Wohnungsbauministerin Emmanuelle Cosse. Ein Polizeivertreter in Nordfrankreich sieht das ganz anders: „Es fahren viele Flüchtlinge nach Paris. Einige werden direkt von Autos aus Paris abgeholt.“

„Es ist schwer zu sagen, woher sie kommen“, sagt die Pariser Stadträtin Violette Baranda, die das Flüchtlingscamp nahe des malerischen Canal Saint-Martin regelmäßig besucht. „Aber eines ist sicher: Das Anwachsen ist besorgniserregend. Inzwischen gibt es hier Familien mit Kindern, von denen manche nur einige Monate alt sind.“

Über eine Länge von mehr als 700 Metern zieht sich das Camp inzwischen über die Avenue des Flandres, Zelte und Matratzen stehen dicht an dicht, Flüchtlinge sitzen auf alten Bürostühlen oder Sofas, auf Wäscheleinen zwischen Bäumen hängen sie ihre Wäsche zum Trocknen auf. Auch unter der nahegelegenen Hochbahnlinie haben Flüchtlinge ihre Zelte aufgebaut – obwohl die Behörden an vielen Stellen Absperrungen errichtet haben, um genau das zu verhindern.

Flüchtlingscamps, in denen menschenunwürdige Zustände herrschen, gibt es in der Gegend schon seit geraumer Zeit. Immer wieder werden die Lager geräumt, die Flüchtlinge in Unterkünfte gebracht. Doch kaum ist ein Camp aufgelöst, entsteht auch schon ein neues.

Die Flüchtlinge kommen aus Afghanistan, Somalia, Äthiopien, Eritrea, Syrien, Libyen, dem Sudan. „Hier sind alle Unglücke dieser Welt vertreten“, sagt Ibrahim Zakaria, ein Flüchtling aus der sudanesischen Krisenregion Darfur. Der 26-jährige Afghane Wahidullah Karimi hofft, dass er und die anderen Flüchtlinge bald einen Platz in einem Aufnahmezentrum bekommen, „damit wir im Warmen schlafen können“.

„Das Leben ist schwer hier: Es ist kalt, wir essen und ziehen an, was man uns gibt“, sagt auch ein libyscher Flüchtling. „Wir wollen unser Leben nicht so verbringen, hier auf der Straße.“

Die Stadtverwaltung verspricht „in den kommenden Tagen“ eine große Aktion, um die Flüchtlinge in Unterkünfte in der Region zu bringen. Bald soll auch das erste Aufnahmezentrum in der Hauptstadt öffnen. Es wird aber zunächst nur Platz für 400 männliche Flüchtlinge bieten und ist eher als Übergangslösung gedacht: Die Flüchtlinge sollen nach fünf bis zehn Tagen in andere Unterkünfte verteilt werden.

Doch auch nach einer erneuten Auflösung des Camps im Nordosten der Hauptstadt dürften sich dort bald wieder Flüchtlinge niederlassen – so wie auch Calais wegen seiner Nähe zu Großbritannien dauerhaft ein Anziehungspunkt für Flüchtlinge sein wird. Eine Erinnerung an die Fluchtursachen hat ein Flüchtling in Paris auf ein Zelt geschrieben: „No place like home“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...