Finanzen

Linde AG und Praxair streben erneut Fusion an

Die Gas-Produzenten Linde AG und Praxair gehen bei Fusions-Gesprächen in die zweite Runde. Der Zusammenschluss könnte den Konzern zum Marktführer machen.
08.12.2016 10:54
Lesezeit: 2 min

Linde AG strebt im zweiten Anlauf nun doch einen Zusammenschluss mit dem US-Rivalen Praxair an. Alle Aufsichtsräte hätten auf der Basis neuer Vorschläge der Amerikaner für Verhandlungen über eine Fusion unter Gleichen gestimmt, teilten die Münchner am Mittwoch mit. Damit hat Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle auch die zuvor fragliche Unterstützung der Arbeitnehmervertreter für die Fusionsgespräche. Reitzle soll einem Insider zufolge nach einer Fusion Verwaltungsratschef der neuen Gruppe werden. Linde-Vorstandschef Wolfgang Büchele wird dagegen keine Rolle mehr spielen, er gibt sein Amt sofort auf.

Für die Verhandlungen reaktiviert Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle seinen alten Vertrauten Aldo Belloni. Der 66-jährige frühere Linde-Anlagenbauvorstand kehrt dafür eigens aus dem Ruhestand zurück und hat sich bis Ende 2018 als Vorstandchef verpflichten lassen. „Es gibt niemanden, der besser weiß als Aldo Belloni, wie entscheidend in unserer Branche Größe und Wettbewerbsfähigkeit für den langfristigen Erfolg sind“, lobte ihn Reitzle. „Er bringt 34 Jahre Linde-Erfahrung, davon 14 Jahre Erfahrung im Vorstand der Linde AG, mit, und wir haben volles Vertrauen, dass er mit großem Sachverstand das nächste Kapitel unserer Unternehmensgeschichte in unserem Interesse mitgestalten wird.“ Die Linde-Aktie legte gut zwei Prozent zu, die Praxair-Titel notierten ebenfalls leicht im Plus.

Die IG Metall wandte sich zunächst nicht direkt gegen die Pläne, blieb aber skeptisch. Bayerns Landeschef Jürgen Wechsler begrüßte zwar die Rückkehr Bellonis, äußerte sich über die anderen Pläne reserviert: „Ich glaube nicht, dass Carl von Linde die aktuellen Entwicklungen des von ihm gegründeten Unternehmens begrüßen würde. Deshalb wird die IG Metall nur Entscheidungen akzeptieren, die Beschäftigung und Standorte in Deutschland und Bayern absichert.“

Einem Insider zufolge soll der fusionierte Konzern weiterhin den Namen Linde tragen. Unter Verwaltungsratschef Reitzle solle der bisherige Praxair-Chef Steve Angel Vorstandschef werden, auch den Finanzchef sollen die Amerikaner stellen. Ein Vorstandsposten werde in München angesiedelt, hieß es. Teilfunktionen des Hauptquartiers sollen auch dort bleiben. Das Unternehmen solle in New York wie in Frankfurt börsennotiert sein. Beide Unternehmen soll beim Zusammenschluss gleich hoch bewertet werden.

Grundsätzliche Einigung vor Weihnachten möglich

Linde will sich Insidern zufolge nun rasch mit Praxair über die Grundzüge einer Fusion einigen. Noch vor Weihnachten könnte ein unverbindliches Eckpunktepapier stehen, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Konzerninsider nach der Verhandlungen durch den Aufsichtsrat am Mittwoch. „Es besteht schon Druck“, sagte ein Kenner. Praxair habe in den zuvor strittigen Punkten Zugeständnisse gemacht. So würden insbesondere die Standorte in der Region München erhalten bleiben, erklärten die Insider. Einige Funktionen von Praxair sollen sogar eigens nach Deutschland verlagert werden. Das Sparprogramm des scheidenden Vorstandschefs Büchele, das die Streichung tausender Stellen bei Linde vorsieht, bleibe unverändert bestehen.

Im Umfeld hieß, den Beschäftigten in der Linde-Zentrale winkten Standortgarantien von drei bis fünf Jahren. Angesichts möglicher Synergien von bis zu einer Milliarde seien die Kosten dafür vernachlässigbar. Die 5.500 Linde-Mitarbeiter in Deutschland würden geschont, da das deutsche Praxair-Geschäft ohnehin verkauft werden müsse, sagten Insider. Praxair würde seine Anlagen zudem künftig von Linde beziehen und sie nicht wie bisher am Markt kaufen.

Gespräche der beiden Firmen über den Zusammenschluss zum größten Industriegasekonzern der Welt waren vor zwei Monaten überraschend geplatzt, weil sich beide Seiten nicht über zentrale Fragen wie den Firmensitz, Entwicklungsstandorte und Führungspersonalien einigen konnten.

Linde AG mitten im Umbau

Praxair und Linde waren an der Börse fast gleich viel wert, als die Fusionspläne im Sommer bekannt geworden waren. Seither hat sich die Praxair-Aktie besser entwickelt als das Linde-Papier. Praxair kommt auf einen Marktwert von fast 34 Milliarden Dollar (31,8 Milliarden Euro), Linde zum Schlusskurs vom Dienstag auf rund 28 Milliarden Euro. Dabei sind die Amerikaner mit knapp zehn Milliarden Euro Umsatz nur halb so groß wie Linde – allerdings deutlich profitabler.

Linde wollte durch den Zusammenschluss wieder zurück an die Weltspitze im Markt für Industriegase. Die Münchener waren nach der Übernahme von Airgas durch die französische Air Liquide auf Platz zwei abgerutscht. Die Gasebranche ist weltweit stark konsolidiert. Nach einer Fusion von Praxair und Linde wären nur noch drei große Anbieter übrig. Ein Knackpunkt wäre bei einem solchen Schritt deshalb die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden. Büchele hat vor seinem Abgang Linde noch einen rigiden Sparkurs mit dem Abbau tausender Stellen verordnet. Der Konzern soll die jährlichen Kosten bis 2019 um 550 Millionen Euro senken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Blackstone setzt auf Europa – Anleger an der Wall Street uneins über US-Ausblick
16.06.2025

Das Vertrauen der Wall Street in Europa wächst weiter. Mit Blackstone signalisiert nun ein weiteres Schwergewicht der Finanzwelt seine...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel in Kanada: Zerrissene Wertegemeinschaft vor Bewährungsprobe
16.06.2025

Der G7-Gipfel in Kanada steht vor enormen Herausforderungen: Konflikte, Uneinigkeit und globale Krisen prägen das Treffen. Wie finden die...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzprofis zeigen: So bauen sich Studenten ihre Geldmaschine
16.06.2025

Sie zeigen jungen Anlegern, wie man es richtig macht: Zwei schwedische Börsenprofis legen Musterportfolios auf – und erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Rundfunkbeitrag: Was sich ändert – und was passiert, wenn man nicht zahlt
16.06.2025

Der Rundfunkbeitrag sorgt regelmäßig für Ärger – sei es wegen der Pflichtzahlung oder neuer Regeln. Millionen Bürger sind betroffen,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Warum zum Teufel investieren Unternehmen nicht mehr?
16.06.2025

Warum investieren Unternehmen nicht mehr – obwohl das Geld billig ist und die Gewinne sprudeln? Dieser Artikel geht der...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel in Kanada: Trump konfrontiert Verbündete mit Nahost-Konflikt und Zollandrohungen
16.06.2025

Trump kehrt auf die globale Bühne zurück – mit Zollandrohungen, Lob für Israels Angriffe auf den Iran und Konflikten mit G7-Partnern....

DWN
Politik
Politik Friedensforschungsinstitut Sipri: Wettrüsten um Atomwaffen nimmt wieder Fahrt auf
16.06.2025

Das weltweite Wettrüsten um Atomwaffen nimmt wieder Fahrt auf. Neue Zahlen und Entwicklungen zeigen besorgniserregende Trends. Können...

DWN
Politik
Politik Deutschlandticket: Finanzierungsprobleme sorgen erneut für Verunsicherung
16.06.2025

Das Deutschlandticket steht erneut auf der Kippe. Bund und Länder streiten über die Finanzierung. Bleibt der Preis stabil oder droht das...