Finanzen

Abschied von Maastricht: EU-Staaten ignorieren Schulden-Grenzen

Die Idee der Disziplin bei den Haushalten ist in der EU längst Makulatur: Etwa die Hälfte aller EU-Staaten ignoriert die Defizit-Regeln. Italien will noch mehr Spielraum.
17.01.2017 00:35
Lesezeit: 1 min

Die im Vertrag von Maastricht festgelegten Schuldenquoten für Neuschulden der EU-Staaten sind nur noch Makulatur. Wie eine Aufstellung des Analysten Constantin Gurdgiev zeigt, verstoßen durchschnittlich 41 Prozent der EU-Staaten in jedem Jahr gegen die Defizitgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Daten decken die Jahre 1999 bis 2016 ab.

Absoluter Spitzenreiter ist Griechenland, dessen Regierungen insgesamt 18 Mal gegen die Quote verstoßen haben. Dahinter rangieren Portugal mit 16 Mal, Frankreich mit 13 Verstößen und Großbritannien mit 12 Verstößen.

Deutschland hat insgesamt 7 Mal gegen die Quote verstoßen und zählt damit im europäischen Vergleich zum schlechten Mittelfeld. Estland, Luxemburg und Schweden haben die Regeln hingegen noch nie verletzt.

Kein einziges Land hat bisher die für einen Verstoß gegen die Regeln vorgesehenen Strafen bezahlen müssen. Erst im Juli verzichtete die EU-Kommission auf die Verhängung von Strafgeldern gegen Spanien und Portugal wegen zu hoher Defizite. Die Kommission hat sich für eine rationale Herangehensweise entschlossen: Die Strafzahlungen lösen in der Tat kein einziges Problem der Länder, die sich weiter in einer schweren wirtschaftlichen Krise befinden.

Italien verhandelt derzeit mit der EU-Kommission über Wege zur Abwendung von Strafmaßnahmen wegen des zu hohen Staatsdefizits. Das verlautete am Montag aus mit den Gesprächen vertrauten Kreisen. Brüssel hatte Italien und sieben weiteren Euroländern im November mit Strafen und einem beschränkten Zugang zu EU-Geldern gedroht, sollte es weiterhin die Regeln des Stabilitätspakts verletzen.

Die Zeitung "La Repubblica" berichtete am Montag, die Kommission habe die italienische Regierung in der vergangenen Woche aufgefordert, 3,4 Milliarden Euro aufzubringen, um eine Einleitung von Strafmaßnahmen zu verhindern.

"Brüssel hat uns daran erinnert, dass Italiens Schulden zu hoch sind", sagte Finanzminister Pier Carlo Padoan dem TV-Sender Rai. "Wir alle wissen das", fügte er hinzu, ohne sich zu den konkreten Forderungen aus Brüssel zu äußern.

"Der beste Weg, um die Verschuldung zu senken, ist Wachstum", sagte Padoan weiter. Daher habe dies nun für die Regierung Priorität. Italien ist nach Griechenland das Euroland mit dem höchsten Schuldenstand. Er liegt derzeit bei

133 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Im vergangenen Jahr hatte Rom versprochen, das Defizit auf 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken - für 2017 sind nun aber doch 2,3 Prozent vorgesehen

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