Politik

Britischer Ökonom: EU wurde von der CIA als Bollwerk gegen Russland gegründet

Der britische Ökonom Evans-Pritchard erläutert anhand von historischen Dokumenten, dass die EU maßgeblich von der CIA erschaffen wurde. Die EU sollte ein Bollwerk gegen Russland im Kalten Krieg sein. Diese Rolle könnte sich unter Donald Trump grundsätzlich ändern.
17.01.2017 17:26
Lesezeit: 5 min

Der angesehene britische Ökonom Ambrose Evans-Pritchard hat einige interessante Details aus der Geschichte der EU veröffentlicht. Es ist interessant, dass die Veröffentlichung bereits im April 2016 erfolgte - also unmittelbar in der heißen Phase für das Brexit-Referendum. Evans-Pritchard ist seit Jahren einer der profiliertesten Euro-Gegner und hat immer wieder auf die Schwächen des Systems einer unvollkommenen Währungsunion hingewiesen.

Die EU soll, so schreibt Evans-Pritchard, von Anfang an ein US-amerikanisches Projekt gewesen sein. Washington habe die europäische Integration in den späten 1940er Jahren in Gang gebracht und unter Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson und Nixon haben die USA diesen Prozess verdeckt finanziert, so der Ökonom in einem Artikel der Zeitung The Telegraph.

Neben der Nato soll die EU den regionalen Interessen der Amerikaner dienen. Deshalb sei es falsch zu glauben, dass die USA in Europa nach dem Motto „Teile und Herrsche“ vorgehen. Demnach hätten die Amerikaner kein Interesse an einer Spaltung der EU und wären, in der Logik des ursprünglichen Konzepts entschieden gegen den Austritt Großbritanniens. US-Barack Obama hatte während des Referendums in deutlichen Worten für den Verbleib Großbritanniens geworben. Das hat sich unter Donald Trump grundlegend geändert, und die Schwenk bekommt eine besondere Bedeutung, wenn man sich die Geschichte der EU ansieht und die Verwerfungen Trumps mit der CIA ins Kalkül zieht.

Evans-Pritchard verweist auf eine 1.000 seitige, wissenschaftliche Dokumentation, die sich mit der Rolle des US-Verbindungsmannes Jean Monnet beschäftigt, den die Franzosen für einen US-Agenten hielten und der, so Evans-Prichard, wohl mindestens informell für die CIA tätig gewesen sein dürfte.

Evans-Pritchard  wörtlich: „Die Anti-Brüssel-Bewegung in Frankreich – und in geringerem Maße in Italien, Deutschland und unter den Linken in Skandinavien – geht von einer anderen Prämisse aus, wonach die EU im Wesentlichen ein Instrument der angelsächsischen Macht und des ,wilden Kapitalismus‘ ist. Frankreichs Marine Le Pen ist pointiert anti-amerikanisch. Sie wettert gegen die Vorherrschaft des Dollars. Ihr Front National stützt sich auf die Finanzierung durch russische Banken, die in Verbindung zu Wladimir Putin stehen. Das kann man mögen oder auch nicht, aber es ist zumindest strategisch schlüssig. Die Schumann-Erklärung, die den Ton für die deutschfranzösische Versöhnung setzte, und schrittweise in die europäische Gemeinschaft führen würde, wurde von US-Außenminister Dean Acheson bei einem Treffen in Foggy Bottom geschaffen. ,Es begann alles in Washington‘, sagt der ehemalige Büroleiter von Robert Schuman.“

Die CIA-Organisation American Committee for a United Europe (ACUE) soll im Jahr 1958 53,5 Prozent des Budgets der europäischen Bewegungen bereitgestellt haben. Das geht aus offiziellen Dokumenten hervor, die vom US National Archive veröffentlicht wurden. Darüber hatte der Telegraph bereits im Jahr 2000 berichtet - allerdings ohne große Resonanz in der europäischen Öffentlichkeit.

Evans-Pritchard berichtete damals:

"Deklassifizierte amerikanische Regierungsdokumente zeigen, dass die US-Geheimdienste eine Kampagne in den fünfziger und sechziger Jahren führten, um den Impuls für ein vereinigtes Europa zu geben. Die USA finanzierten und leiteten die europäische föderalistische Bewegung.

Die Dokumente bestätigen den Verdacht, dass Amerika hinter den Kulissen aggressiv arbeitete, um Großbritannien in einen europäischen Staat zu drängen. Ein Memorandum vom 26. Juli 1950 gibt Anweisungen für eine Kampagne zur Förderung eines vollwertigen europäischen Parlaments. Es ist unterzeichnet von General William J Donovan, Leiter des amerikanischen Kriegsamtes für Strategische Dienste, dem Vorläufer der CIA.

Die Dokumente wurden von Joshua Paul, einem Forscher an der Georgetown University in Washington, gefunden. Sie enthalten Dateien von den US National Archives. Washingtons Hauptwerkzeug für die Gestaltung der europäischen Agenda war das 1948 gegründete amerikanische Komitee für ein Vereintes Europa (ACUE). Der Vorsitzende war Donovan, der damals angeblich als Rechtsanwalt tätig gewesen ist.

Der stellvertretende Vorsitzende war Allen Dulles, der CIA-Direktor in den fünfziger Jahren. Der Vorstand umfasste Walter Bedell Smith, den ersten Direktor der CIA, und eine Liste von Ex-OSS-Figuren und Beamten, die bei der CIA ein- und ausgingen. Die Dokumente zeigen, dass das ACUE die Europäische Bewegung, die wichtigste föderalistische Organisation in den Nachkriegsjahren, finanziert hat. Im Jahr 1958, zum Beispiel, stellte ACUE 53,5 Prozent der Bewegung der Finanzierung der Bewegung.

Die Europäische Jugendkampagne, ein Arm der Europäischen Bewegung, wurde vollständig von Washington finanziert und kontrolliert. Der belgische Direktor, Baron Boel, erhielt monatliche Zahlungen auf ein besonderes Konto. Als der Leiter der Europäischen Bewegung, der in Polen geborene Joseph Retinger, bei diesem Grad amerikanischer Kontrolle zügelte und in Europa versucht, Geld zu verdienen, wurde er schnell gerügt.

Die Führer der Europäischen Bewegung - Retinger, der visionäre Robert Schuman und der ehemalige belgische Premier Paul-Henri Spaak - wurden von ihren amerikanischen Sponsoren als Angestellte behandelt. Die US-Rolle wurde als verdeckte Operation behandelt. Die Mittel von ACUE stammten von den Ford- und Rockefeller-Stiftungen sowie von Geschäftsgruppen mit engen Verbindungen zur US-Regierung.

Der Chef der Ford-Stiftung, Ex-OSS-Offizier Paul Hoffman, verdoppelte sich als Leiter der ACUE in den späten fünfziger Jahren. Das Außenministerium spielte auch eine Rolle. Ein Memo aus dem europäischen Teil, vom 11. Juni 1965, berät den Vizepräsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Robert Marjolin, die Währungsunion durch Stealth zu verfolgen.

Sie empfiehlt, die Debatte zu unterdrücken, bis die Annahme dieser Vorschläge ,praktisch unausweichlich' wäre."

Zuvor hatte die Truman-Regierung sich dafür eingesetzt, dass die Franzosen mit Deutschland insbesondere in den frühen Nachkriegsjahren eine erträgliche Form des Zusammenlebens in Europa erreichen. Die Franzosen sollen sich zunächst stur gezeigt haben. Doch die Amerikaner sollen sie unter Androhung von Einschnitten bei den Marschall-Plan-Hilfen überzeugt haben.

Die EU war, so Evans-Pritchard, als Bollwerk gegen Russland gedacht. Sie sollte eine wirtschaftliche Absicherung der militärischen Aktivitäten der Nato bieten. Die aktuelle Distanz des designierten US-Präsidenten zur EU könnte sich aus einem neuen Ansatz gegenüber Russland ergeben.

Trump begrüßte den beginnenden Zerfall der EU in einem Interview mit der Bild-Zeitung: "Der Brexit wird sich letztlich als eine großartige Sache herausstellen. Sehen Sie sich die Europäische Union an, die ist Deutschland. Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland. Deswegen fand ich, dass es so klug von Großbritannien war, auszutreten."

Er rechne damit, dass weitere EU-Staaten dem Vorbild Großbritanniens folgen werden. "Wenn Sie mich fragen: Es werden weitere Länder austreten", sagte Trump, der am Freitag das Amt des US-Präsidenten antritt, in dem Interview mit "Bild" und der britischen "Times". "Menschen, Länder wollen ihre eigene Identität, Großbritannien wollte seine eigene Identität. Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören."

Als Grund für das Brexit-Votum der Briten nannte Trump die Flüchtlingskrise. "Wenn sie nicht gezwungen worden wären, all diese Flüchtlinge aufzunehmen - so viele, mit all den Problemen, die das mit sich bringt - dann wäre es nicht zum Brexit gekommen", sagte er. Dies sei "der letzte Tropfen" gewesen, "der das Fass zum Überlaufen brachte".

Für die USA spiele es keine Rolle, ob die EU geschlossen oder zerrissen sei. "Ich habe nie geglaubt, dass das von Bedeutung ist", sagte Trump. "Schauen Sie, zum Teil wurde die Union gegründet, um die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen, nicht wahr? Also ist es mir ziemlich egal, ob sie getrennt und vereint ist, für mich spielt es keine Rolle."

Trumps Kritik könnte auch damit zusammenhängen, dass die EU trotz aller Schwierigkeiten zu vergleichsweiser Stabilität gelangt ist - und dass der gemeinsame Markt natürlich den deutschen Exporten enorm genützt hat. Die EU hat außerdem in vielen Fragen wie jenen der Menschenrechte eine wichtige Rolle in der Welt übernommen.

Allerdings befindet sich die EU wegen der fortgesetzten Rechtsbrüche bei der Euro-Rettung, des mangelnden Widerspruchs gegen die US-Interventionen im Nahen Osten und der fehlenden Solidarität bei der Hilfe für Flüchtlinge und Vertriebene in einem kritischen Zustand. Der Austritt Großbritanniens, der als "Hard Brexit" ein erster manifester Schritt des Zerfalls ist, könnte die Errungenschaften der europäischen Einigung in Frage stellen.

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