Politik

Frankreich: Sozialisten stimmen bei Vorwahl überraschend für Links-Ruck

Die französischen Sozialisten setzten bei der ersten Runde der Vorwahl ihres Spitzenkandidaten auf einen Kurs wie Bernie Sanders und Jeremy Corbyn. Der Favorit Manuel Valls wurde überraschend besiegt.
22.01.2017 23:41
Lesezeit: 2 min

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Frankreichs Sozialisten stehen bei der Kür ihres Präsidentschaftskandidaten laut AFP vor einer Richtungsentscheidung: Bei der ersten Runde der Präsidentschaftsvorwahl setzte sich am Sonntag der Parteilinke Benoît Hamon überraschend an die Spitze. Er tritt damit in der Stichwahl gegen Ex-Premierminister Manuel Valls vom konservativen Parteiflügel an, der auf Platz zwei kam. Der zunächst als Außenseiter gehandelte Ex-Bildungsminister Hamon erhielt nach Teilergebnissen gut 36 Prozent der Stimmen.

Nach Auszählung von gut 940.000 Stimmen erhielt Hamon 36,1 Prozent, Valls kam auf 31,2 Prozent. Die anderen fünf Kandidaten lagen weit abgeschlagen dahinter. Amtsinhaber François Hollande tritt nicht mehr an.

Die beiden Gewinner der ersten Runde gaben sich mit Blick auf die Stichwahl am 29. Januar kämpferisch. Hamon nannte sein gutes Abschneiden "eine klare Botschaft der Hoffnung und der Erneuerung" der Sozialistischen Partei (PS). Valls sagte, er stehe für die "verantwortliche Linke". Er übte erneut scharfe Kritik an den "unerfüllbaren Versprechen" Hamons.

Der 49-Jährige tritt unter anderem für ein bedingungsloses Grundeinkommen von 750 Euro für alle Franzosen ein. Zudem will Hamon den Cannabis-Konsum legalisieren, 37.000 neue Lehrerstellen schaffen und die im vergangenen Jahr verabschiedete Liberalisierung des Arbeitsrechts wieder abschaffen.

Hamon gehört zu den zahlreichen Sozialisten, die sich enttäuscht von Staatschef Hollande abgewandt haben. Er gehörte der Regierung bis zum Sommer 2014 an und schied dann aus Protest über die Entlassung von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg aus. Auch Montebourg nahm an der Vorwahl teil, schied aber mit nur rund 18 Prozent aus. Er kündigte an, in der Stichwahl Hamon zu unterstützen.

An der ersten Runde der Vorwahl im linken Lager beteiligten sich nach Angaben der Wahlkommission 1,5 bis zwei Millionen Menschen. Das waren weniger als bei der Vorwahl der Sozialisten im Jahr 2011 mit 2,7 Millionen Teilnehmern. Die oppositionellen Konservativen konnten im November sogar mehr als vier Millionen Bürger pro Runde mobilisieren.

Die Sozialisten sind nach der fünfjährigen Amtszeit von Präsident François Hollande geschwächt und zerstritten. Der 54-jährige Valls hatte den unpopulären Hollande zum Verzicht gedrängt, um selbst zu kandidieren.

Zur Wahl standen insgesamt sieben Kandidaten - vier sozialistische Parteimitglieder und drei weitere, die kleineren linken Formationen angehören. Die Vorwahl steht allen Bürgern offen, die in die Wählerverzeichnisse eingetragen sind.

Parteichef Jean-Christophe Cambadélis rief die Bürger auf, sich massiv an der zweiten Runde am 29. Januar zu beteiligen. Er wehrte sich gegen die Darstellung, die Sozialistische Partei spiele keine Rolle mehr. "Die Präsidentschaftswahl ist noch nicht entschieden", betonte Cambadélis.

Umfragen zufolge hat der Kandidat der Sozialisten allerdings keine Chancen auf einen Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr. Im Mai wird eine Stichwahl zwischen dem Konservativen François Fillon und der Chefin des Front National, Marine Le Pen, erwartet.

Fillon tritt wie Le Pen für eine Aufhebung der Russland-Sanktionen und eine Zurückdrängung der EU ein. Somit dürfte Angela Merkel nach ihrem zu erwartenden Wahlsieg mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein französisches Staatsoberhaupt treffen, der in faktisch allen wichtigen Positionen anderer Meinung ist als Merkel. Auch mit Hamon hätte Merkel große Probleme, weil er vermutlich den Austeritätskurs nicht so weiterführen wird wollen wie von Deutschland bisher vorgegeben.

Fillon trifft am Montag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen.

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