Politik

Der nächste Riss: Sigmar Gabriel will Aufteilung der EU

Lesezeit: 2 min
24.01.2017 01:39
Vizekanzler Gabriel will eine EU der zwei Geschwindigkeiten, was faktisch auf eine Spaltung hinausläuft. Gabriel will Deutschland den Freihandel mit Asien erschließen - was innerhalb der EU allerdings nicht geht. Ein grundsätzlicher Konflikt zeichnet sich ab.
Der nächste Riss: Sigmar Gabriel will Aufteilung der EU

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die kritischen Stimmen gegen die EU mehren sich nun auch in den großen EU-Staaten. Nach dem Brexit positionieren sich alle Staaten und versuchen, die neue Konstellation zu nutzen. Die Vorstellungen sind allerdings sehr unterschiedlich.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel fordert eine grundlegende Neuausrichtung der EU. "Wir brauchen nicht 'mehr Europa', sondern ein anderes Europa", sagte der SPD-Vorsitzende und Vize-Kanzler dem Handelsblatt. Wenn nicht alle Staaten im gleichen Tempo vorangehen wollten, müsse man über ein Europa der zwei Geschwindigkeiten ernsthaft nachdenken. "Das würde auch innerhalb Europas die Spannungen sehr reduzieren und Kerneuropa ungeheuer stärken", sagte Gabriel.

Gabriel bezog sich mit seinen Äußerungen auf die wachsende Europa-Kritik nicht nur in Großbritannien. Die EU, die sich an Detailfragen abarbeite, sei an ihre Grenzen gestoßen, sagte er. Europa dürfe nicht "den quälenden Prozess der ständigen Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner fortsetzen", sondern müsse Alternativen ermöglichen. Dazu zählten eine eng verzahnte Außen- und Sicherheitspolitik sowie eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Allerdings wird auch dieses Kerneuropa nur schwer zu errichten sein: Frankreich lehnt die Aufnahme neuer Flüchtlinge ab, sagte der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat, Francois Fillon. Die Verteilung der Flüchtlinge in der EU ist integraler Bestandteil der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bei einem Kerneuropa müssten die Flüchtlinge auf noch weniger Länder verteilt werden, weil die Osteuropäer sich erfolgreich geweigert haben, das Merkel-Konzept mitzutragen.

Tatsächlich ist der Begriff der zwei Geschwindigkeiten ein Euphemismus und führt de facto zu einer Spaltung der EU. Und selbst für Deutschland ist die EU im Welthandel eher ein Hindernis als eine Stütze.

Gabriel sagte in dem Interview auch, dass Deutschland den Nutzen aus der Aufkündigung des TTP, also des Freihandelsabkommens mit Asien durch die USA, ziehen sollte und seinerseits der deutschen Industrie den Weg nach Asien ebnen solle. In vielen Bereichen sei die deutsche Industrie wettbewerbsfähiger als diejenige der USA. Einen Handelsstreit mit den USA sieht Gabriel nicht - nur knapp 10 Prozent der Exporte gingen in die USA, 60 Prozent in die EU-Staaten.

Allerdings hat Gabriel drei grundlegende Probleme, die mit Rhetorik allein nicht zu lösen sind: Deutschland kann allein kein Freihandelsabkommen abschließen. Laut Lissaboner Vertrag fallen solche Abkommen in die Kompetenz der EU. Deutschland hat mit den Russland-Sanktionen bereits einen wichtigen Absatzmarkt verloren. Es ist nicht zu erwarten, dass dieser Markt im Jahr der Bundestagswahl zurückkehrt. Die EU betrachtet Russland als Drahtzieher hinter einer Kampagne gegen Angela Merkel, wie die dpa schreibt. Und schließlich können die USA mit der Macht des Dollar faktisch jede Volkswirtschaft der Welt unter massiven Druck setzen. Die deutschen Autobauer haben dies mit der Abgas-Affäre zu spüren bekommen. Gabriel hatte vor seinem Wechsel in die Bundespolitik als Lobbyist für Volkswagen in Brüssel gearbeitet. Welche Rolle er genau gespielt hat ist unklar.

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Unsere Prinzipien: Kritische Distanz zu allen und klare Worte. Das gefällt natürlich vielen nicht: Der Bundesregierung, den EU-Behörden, den Netzwerken der Parteien, den Lobbyisten, Medien unter staatlicher Aufsicht, verschiedenen Agitatoren aus dem In- und Ausland. Diese Player behindern uns nach Kräften und attackieren unser Geschäftsmodell.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch verhandelt über Stellenabbau: Fokus auf Alternativen und Standortsicherung
18.04.2024

Bosch will massiv Stellen streichen, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dagegen gingen zuletzt Tausende...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldvermögen privater Haushalte hat einen neuen Höchststand erreicht
18.04.2024

Die gestiegenen Kurse an den Aktienmärkten und die erhöhten Sparzinsen haben zusammen dazu geführt, dass das Geldvermögen der deutschen...