EZB-Präsident Mario Draghi hat US-Präsident Donald Trump indirekt als den Schuldigen an einem möglichen Crash an den Finanzmärkten ausgemacht. Draghi stellte dabei auf Trumps Anordnung ab, das Dodd-Frank-Gesetz überprüfen zu lassen: "Das Letzte, was wir im Augenblick brauchen, ist eine Lockerung der Regulierung." Die Vorstellung, dass sich die Situation vor der Finanzkrise wiederholen könne, sei sehr beunruhigend, sagte Draghi am Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel. Draghis etwas kryptisch daherkommende, jedoch unmissverständliche Warnung deckt sich im Ergebnis mit einer Crash-Warnung von Draghis früherem Arbeitgeber, Goldman Sachs. Doch die Goldmänner fürchten nicht die Deregulierung, sondern die Tatsache, dass Trump mit seiner Einwanderungs- und Handelspolitik Verwerfungen an den Finanzmärkten auslösen könnte.
Trump hat kürzlich einen Erlass unterzeichnet, wonach die Wall-Street-Reformen (Dodd-Frank-Gesetz) überprüft werden sollen. Das Gesetz von 2010 war als zentrale Konsequenz aus der Finanzkrise von 2008 aufgelegt worden. Damals wurden Banken weltweit mit Hilfe von Steuermilliarden und Liquiditätsgarantien vor dem Kollaps gerettet.
Tatsächlich hat Trump noch keine neue Lockerung veranlasst, weil dies durch den US-Senat geschehen müsste. Beobachter erwarten, dass es mindestens zwei Jahre dauern wird, bis eine Veränderung der Regulierung kommt - wenn sie denn überhaupt kommt.
Die EZB hat seit Jahren - also lange vor Trump - Papiere aller Art aufgekauft, um das Bankensystem zu stützen. Zugleich hat sie Staatsanleihen gekauft und damit den Bond-Markt faktisch zentralisiert. Die Bilanzsumme der EZB ist daher enorm aufgebläht und stellt ihrerseits ein Risiko für die Finanzstabilität dar.
Neben Draghi warnt auch die Banken-Lobby vor Trump: Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer, fürchtet, dass die US-Banken Wettbewerbsvorteile gegenüber den Europäern erhalten könnten: "Die Stabilität des globalen Finanzsystems kann nur eine international abgestimmte Regulierung gewährleisten", sagte Kemmer. Das sei die Lehre aus der Finanzkrise. Sonst seien "transatlantische Wettbewerbsverzerrungen vor allem zulasten Europas nicht auszuschließen".
Kemmer befürchtet, dass eine Kehrtwende bei der Regulierung in den USA auch die laufenden Gespräche über eine Reform der weltweiten "Basel-III"-Regeln beeinträchtigen könnte. "Klar ist aber: Die weiteren Verhandlungen zu Basel IV werden durch diese Maßnahmen sicher nicht erleichtert." Die Verhandlungen stocken, weil vor allem Amerikaner und Europäer keinen gemeinsamen Nenner bei der Berechnung der Risiken von Banken fanden. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums pochte in Berlin darauf, bei der Diskussion im Baseler Ausschuss solle es nicht um eine Lockerung der Regulierung gehen, sondern um gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Institute weltweit.
Draghis Attacke auf Trump ist auch als Retourkutsche zu verstehen. Trump hatte gesagt, Deutschland würde sich mit dem schwachen Euro Vorteile auf dem Weltmarkt verschaffen. Draghi: "Wir sind keine Währungsmanipulatoren". Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) spiegele den unterschiedlichen Zustand der Wirtschaft im Währungsraum im Vergleich zu den USA wider. Der gemeinsame Markt würde nicht überleben mit anhaltenden wettbewerbsgetriebenen Abwertungen.
Der Chef-Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump, Peter Navarro, hatte unlängst Deutschland vorgeworfen, den seit längerem niedrigen Euro-Kurs für Handelsvorteile auf Kosten der USA zu nutzen. Am Wochenende hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gekontert, die europäische Geldpolitik werde nicht von der Bundesregierung, sondern der EZB gemacht. Dem CDU-Politiker zufolge ist der Euro-Kurs für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sogar zu niedrig. Schäuble hatte seine Kritik mit einem Seitenhieb auf Draghi verbunden und den Eindruck erweckt, als geschähe alles in der EZB ohne Zutun der Bundesregierung. Diese hätte sich jedoch vornehm zurückgehalten und gegen die Verbilligung ihrer Schuldenlast nicht protestiert.
Der Wirtschaft in der Euro-Zone hat die aufgeblähte EZB-Bilanz noch nicht geholfen. Die radikalen EZB-Maßnahmen seien laut Draghi notwendig, damit sich die Inflation wieder nachhaltig dem Ziel von knapp zwei Prozent annähere. Der Anstieg im Dezember und Januar gehe vor allem auf statistische Basiseffekte sowie anziehende Energiepreise zurück. "Unsere geldpolitische Strategie schreibt vor, dass wir auf einzelne Datenpunkte und kurzlebige Erhöhungen der Inflation nicht reagieren sollten", so Draghi. Die Notenbank werde Veränderungen in der Teuerungsrate ignorieren, falls die mittelfristigen Aussichten dadurch nicht nachhaltig beeinflusst würden.
Die Inflation im Währungsraum war im Januar auf 1,8 Prozent nach oben geschnellt, nachdem sie noch im Dezember bei 1,1 Prozent gelegen hatte. Die Inflation wird jedoch falsch gemessen, weshalb alle politischen Kämpfe darüber reine Schaukämpfe sind.