Politik

Marine Le Pen: „Die Europäische Union ist gescheitert“

Der Front National geht mit einem radikalen Programm in die französische Präsidentschaftswahl. Gewinnt Le Pen die Wahl, würde Frankreich einen Austritt aus der EU und aus dem Euro anstreben.
06.02.2017 02:45
Lesezeit: 3 min

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Mit einem auf die französische Nation zugeschnittenen Wahlprogramm und Lob für US-Präsident Donald Trump ist die Spitzenkandidaten des Front National, Marine Le Pen, in den Präsidentschaftswahlkampf gestartet. Bei der Vorstellung ihres Programms sprach sich die Vorsitzende des FN am Sonntag in Lyon für einen EU-Austritt, eine strikte Begrenzung der Einwanderung und einen harten Kampf gegen den "islamistischen Fundamentalismus" aus.

Le Pen präsentierte sich vor tausenden Anhängern als Kandidatin des Volkes und der "Patrioten". "Ich werde dem Volk seine Stimme zurückgeben", sagte die 48-Jährige und versprach, "als roten Faden immer an das nationale Interesse" zu denken. "Mein Versprechen ist es, Frankreich binnen fünf Jahren wieder in Ordnung zu bringen."

Le Pens Programm listet 144 Wahlversprechen mit dem Tenor "Frankreich zuerst" auf: Unter anderem will sie der "Masseneinwanderung" ein Ende setzen, protektionistische Maßnahmen für die französische Wirtschaft ergreifen und sechs Monate nach einem Amtsantritt ein Referendum über einen Austritt Frankreichs aus der EU ("Frexit") abhalten.

"Die Europäische Union ist gescheitert", sagte Le Pen. "Sie hat keines ihrer Versprechen eingehalten." Die Franzosen wollten wieder "frei" sein. Die FN-Chefin will auch den Schengenraum verlassen, wieder eine nationale Währung einführen und Frankreich aus der Nato-Kommandostruktur führen.

Le Pens Wahlprogramm sieht eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber Kriminalität und mutmaßlichen Dschihadisten sowie 15.000 neue Polizistenstellen vor. Sie will höhere Steuern für ausländische Arbeitskräfte und Importe sowie weniger bürokratische Vorgaben für kleinere Betriebe. Zudem plant sie eine Senkung des Renteneinstiegsalters und die Erhöhung bestimmter Sozialhilfen. Ähnlich wie US-Präsident Trump im Wahlkampf zielt sie damit auf Wähler ab, die sich als Verlierer der Globalisierung fühlen.

Le Pen lobte den neuen US-Präsidenten in ihrer Rede: Er sei "gegen ein verschworenes System" gewählt worden, setze seine Wahlversprechen um und handle "schnell und stark im Interesse und nach dem Willen des Volkes".

Die Wahlpunkte im Einzelnen:

NEUVERHANDLUNG DER EU-MITGLIEDSCHAFT: Unmittelbar nach einem Wahlsieg will der FN Verhandlungen mit den EU-Partnern beginnen mit dem Ziel einer radikalen Veränderung der französische Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU). Die Verhandlungen in Brüssel sollen die EU insgesamt zu einem lockeren Staatenbund zurückstutzen: Abschaffung der Gemeinschaftswährung, des grenzfreien Schengen-Raums, der EU-Haushaltsregeln und des Vorrangs der EU-Rechtssprechung.

REFERENDUM ZUM AUSSTIEG AUS DER EU: Nach den auf sechs Monaten ausgelegten Verhandlungen sollen die Franzosen über ihre EU-Mitgliedschaft abstimmen. Le Pen plädiert für einen Ausstieg, sollte die EU keine umfassenden Reformen in ihrem Sinn einleiten. Als wahrscheinlichste Option gilt dann der "Frexit".

AUSSTIEG AUS DEM EURO: Zur Zukunft der französischen Mitgliedschaft in der Gemeinschaftswährung finden sich keine Details. Laut einem führenden FN-Vertreter ist aber ein Ausstieg aus dem Euro geplant. Frankreichs Schuldenstand soll in einer neuen Währung verrechnet werden, die von der Zentralbank gestützt werden darf.

PROTEKTIONISMUS: Vergabe öffentlicher Aufträge nur noch an französische Firmen, solange die Kosten nicht deutlich höher sind. Laut Le Pens Berater Jean Messiha sollen Einzelhändler dazu verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil französischer Produkte anzubieten. Verkäufer von Importgütern sollen die Mehrwertsteuer nicht mehr vollständig auf die Käufer umlegen können. Internationale Handelsabkommen sollen aufgekündigt werden.

NIEDRIGERE STEUERN, FRÜHERE RENTE, MEHR SOZIALHILFE: Die Einkommensteuer für Geringverdiener soll um zehn Prozent verringert werden, und kleine Firmen sollen bei Lohnnebenkosten entlastet werden. Das Rentenalter will der FN auf 60 von derzeit 62 Jahren senken. Die Partei verspricht zudem finanzielle Unterstützung für arme Senioren, Kindergeld unabhängig vom Einkommen, fünf Prozent niedrigere Gas- und Stromkosten sowie den Erhalt der 35-Stunden-Woche.

AUSLÄNDER UND FLÜCHTLINGE: Arbeitgeber sollen FN-Vertretern zufolge eine zehnprozentige Abgabe auf den Lohn für Ausländer zahlen. Bestimmte Rechte wie kostenlose Bildung sollen nur noch Franzosen vorbehalten sein. Illegalen Einwanderern soll die kostenlose Gesundheitsversorgung entzogen werden. Einwanderer ohne Papiere haben keinerlei Chance auf legalen Aufenthaltsstatus. Asyl kann nur noch in französischen Konsulaten im Ausland beantragt werden. Höhere Hürden für den Erhalt der französischen Staatsbürgerschaft - Geburt in Frankreich reicht nicht mehr aus.

SICHERHEIT UND VERTEIDIGUNG: Der FN will 15.000 Polizisten einstellen und neue Gefängnisse mit Platz für 40.000 Häftlinge bauen. Verurteilte Ausländer werden sofort abgeschoben wie auch alle Ausländer, die wegen Verbindungen zum Islamismus unter Beobachtung der Geheimdienste stehen. Alle radikalen Moscheen sollen geschlossen werden. Höhere Verteidigungsausgaben, Austritt aus der gemeinsamen Nato-Kommandostruktur.

Umfragen sehen Le Pen derzeit bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 23. April mit rund 25 Prozent auf dem ersten Platz. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass sie die Stichwahl am 7. Mai gewinnen kann: Umfragen zufolge würde sie dort sowohl dem unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Macron als auch dem Konservativen François Fillon unterliegen. Allerdings ist Fillon durch eine Scheinbeschäftigungs-Affäre unter massiven Druck geraten. Inzwischen ist laut AFP sogar seine Präsidentschaftskandidatur in Gefahr, hinter den Kulissen suchen die Konservativen nach einem "Plan B".

Der Investmentbanker Macron, der unter dem sozialistischen Staatschef François Hollande zwei Jahre lang Wirtschaftsminister war und sich nun als unabhängiger Kandidat präsentiert, wird von den Pariser Eliten hofiert und von einigen französischen Medien bereits als der neue Star am Himmel angepriesen: Die staatliche französische Nachrichtenagentur AFP behauptet, Macron habe Fillon in Umfragen bereits überholt und liege hinter Le Pen auf dem zweiten Platz - ohne allerdings auszuführen, um welche Umfragen es sich handelt. Die AFP wörtlich:

"Der 39-jährige sozialliberale Reformer präsentierte sich als frische Alternative zu den Vertretern der großen Parteien und ist für viele Franzosen ein Hoffnungsträger geworden. Rund 8000 Anhänger besuchten am Samstag Macrons Wahlkampfveranstaltung in Lyon, tausende weitere verfolgten sie wegen Platzmangels draußen auf einer Großleinwand. In seiner Rede griff Macron immer wieder die Front National an: Marine Le Pen spreche "nicht im Namen des Volkes", sagte Macron, der im vergangenen April seine Bewegung "En Marche!" gegründet hatte."

Bei den regierenden Sozialisten wurde am Sonntag Vorwahl-Sieger Benoît Hamon offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Der Parteilinke hat zuletzt in Umfragen aufholen können, liegt aber mit rund 16 Prozent nur auf dem vierten Platz und würde den Einzug in die Stichwahl damit klar verfehlen.

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