Technologie

Junge Wissenschaftler bekommen in Deutschland nur befristete Verträge

Lesezeit: 2 min
17.02.2017 00:27
Der Wissenschaftsbetrieb in Deutschland wird systematisch ausgedünnt. Nachwuchswissenschaftler müssen fast ausschließlich mit befristeten Verträgen vorlieb nehmen. Deutschland läuft Gefahr, seine Zukunft und Innovationskraft zu verspielen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Fast alle Nachwuchswissenschaftler an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten sind nur befristet eingestellt. Das geht aus dem am Donnerstag von einer Kommission vorgelegten dritten Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs hervor. 2014 hatten demnach 93 Prozent der Promovierenden oder anderer wissenschaftlicher Mitarbeiter an Universitäten Arbeitsverträge auf Zeit. An den nicht zu Hochschulen gehörenden Forschungseinrichtungen waren es 84 Prozent.

Der Gesamtanteil der Befristungen stieg demnach seit 2000 an, der Bericht sprach von "problematischen Arbeitsbedingungen" in einem generell attraktiven Arbeitsumfeld. Die Quote der auf Zeit angestellten Beschäftigten in anderen Sektoren sei viel niedriger.

Die Zahl der hauptberuflich an den Hochschulen beschäftigten wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchskräfte unter 45 Jahren erhöhte sich derweil von 2000 bis 2014 um 76 Prozent von 82.400 auf 145.000. Großen Anteil daran hatten Promotionsstellen und andere Posten, die durch Drittmittel von Unternehmen oder auch Stiftungen finanziert werden. Dieser Umstand trägt laut Kommission auch zum Problem mit den Befristungen bei.

Gerade Drittmittel würden praktisch ausschließlich für befristete Forschungsprojekte bereitgestellt, heißt es in dem Bericht. Allerdings sei der Anteil der Befristungen unter den aus den staatlichen Grundmitteln bezahlten Nachwuchsstellen in der jüngeren Zeit ebenfalls stark gestiegen - von 63 Prozent im Jahr 2000 auf 75 Prozent in 2014.

Die unabhängige Kommission übergab ihren Bericht an Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und Brandenburgs Forschungsministerin Martina Münch (SPD), die die Länder vertrat. Er wird alle vier Jahre erstellt, um die Situation an den Unis zu überprüfen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) übte scharfe Kritik und sprach von einem "Befristungsunwesen" an den Universitäten. Es sei "unfair" und untergrabe die Kontinuität und Qualität von Forschung und Lehre, erklärte sie am Donnerstag in Frankfurt am Main. Der Nachwuchs übernehme den Löwenanteil der Arbeit an den Unis. Wissenschaftliche Mitarbeiter geben Lehrveranstaltungen und betreiben Forschung.

Auch der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, äußerte sich ernüchtert. "Wir verschenken enorme Potenziale, indem wir immer noch vielen Menschen keine guten Perspektiven im Wissenschaftssystem bieten", teilte er in Berlin mit. Ein Gegenmittel gegen Befristungen sei mehr Geld für die deutschen Hochschulen.

Für die Grünen erklärte Bildungsexperte Kai Gehring, das deutsche Wissenschaftssystem werde "dem Anspruch fairer statt prekärer Wissenschaftskarrieren weiter nicht gerecht". Es brauche "weitere Initiativen für planbare Karrierewege". Die Linkenpolitikerin Nicole Gohlke kritisierte, die Bundesregierung lasse "die Nachwuchswissenschaftler dauerhaft in Unsicherheit".

Bundesbildungsministerin Wanka erklärte, die Investitionen in den wissenschaftlichen Nachwuchs zahlten sich aus. So hätten Bund und Länder das Tenure-Track-Programm auf den Weg gebracht, um die Karrierechancen des Nachwuchses zu verbessern. Dabei werden Professuren auf Lebenszeit nach Bewährungszeit vergeben. Zudem sei "Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis" mit einer Gesetzesreform entgegengetreten worden, betonte sie.

Auf die starke Zunahme der Zahl der aus Drittmitteln finanzierten Nachwuchsstellen hatte erst am Mittwoch auch die Expertenkommission Forschung und Innovation bei der Vorlage ihres Jahresgutachtens zum deutschen Hochschulsystem hingewiesen. Demnach stieg sie von 2005 bis 2015 fast um das Doppelte auf 71.300 und damit sehr viel stärker als die Zahl der Studenten insgesamt oder auch der Professorenstellen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nach Trumps missglücktem Finanztrick: Stillstand der US-Regierung doch noch abgewendet
21.12.2024

Der US-Kongress hat einen drohenden Stillstand der Regierungsgeschäfte im letzten Moment abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Griechenlands Wirtschaft boomt: Erfolgreiche Steuerreformen und starke Investitionen treiben den Aufschwung
21.12.2024

Griechenlands Wirtschaft überrascht: Für 2025 erwartet das Land einen Haushaltsüberschuss von 13,5 Milliarden Euro – mehr als doppelt...

DWN
Panorama
Panorama Winterurlaub in Gefahr: Weniger Gäste in den Alpen erwartet
21.12.2024

Die Alpenregion, ein traditionell beliebtes Ziel für Wintersport und Erholung, steht in der neuen Saison vor Herausforderungen. Weniger...