Politik

EZB stemmt sich vehement gegen Crash im Bond-Markt

An den Kapitalmärkten wächst vor den wichtigen Wahlen in Frankreich und den Niederlanden die Skepsis. Ausdruck des Unbehagens ist die unterschiedliche Entwicklung der Staatsanleihen in Europa.
07.03.2017 02:05
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

An den Kapitalmärkten wächst offenbar das Misstrauen bezüglich der Situation in der Eurozone. Abzulesen ist dies an der unterschiedlich verlaufenden Entwicklung der Anleihe-Renditen. Diese spiegeln die Einschätzung der Geldgeber bezüglich einer möglichen Zahlungsunfähigkeit des Schuldnerlandes wieder – je höher die Renditen sind, desto schlechter steht es um die Bonität des Staates.

In den vergangenen Monaten hatten sich die Renditen von französischen, italienischen und spanischen Papieren deutlich von der Renditeentwicklung als sicherer geltender Staaten wie Deutschland, Österreich oder den Niederlanden abgekoppelt.

Bei Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit beträgt der Unterschied zwischen den Renditen („Spreads“) zwischen deutschen und französischen Papieren derzeit etwa 0,63 Prozentpunkte, nachdem dieser zu Jahresbeginn bei etwa 40 Prozentpunkten lag. Anfang 2016 lagen die Renditen noch etwa gleichauf.

Dem Anlagestrategen Robert Tipp zufolge ist der Abstand zwischen den Renditen deutscher und französischer Anleihen derzeit so groß wie seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr, sieht man vom Jahr 2012 einmal ab. „Der Markt nimmt einen Sieg von Le Pen sehr ernst und preist eine kleine aber signifikante Wahrscheinlichkeit sehr hoher Verluste ein. Die Politik, die sie vorgeschlagen hat, könnte für den Anleihemarkt verheerend sein“, zitiert ihn Pensions & Investments. Die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, hatte einen Austritt aus dem Euro sowie aus der Europäischen Union im Falle eines Wahlsieges in Aussicht gestellt.

Der Abstand zwischen italienischen und deutschen Renditen zehnjähriger Anleihen liegt derzeit bei 1,8 Prozentpunkten, nachdem er Ende Februar auf über 2 Prozentpunkte angestiegen war. Zu Jahresbeginn waren es noch etwa 1,6 Prozentpunkte. Auch der Abstand zu amerikanischen und britischen Papieren hat sich beträchtlich ausgeweitet. „Verglichen mit Bundesanleihen rentieren US-Staatsanleihen mit 1,95 Prozentpunkten mehr, so viel wie zuletzt zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung. Verglichen mit britischen Anleihen beträgt der Abstand 1,25 Prozentpunkte und damit so viel wie noch nie, schreibt die Financial Times.

„Die Politik hat im vergangenen Quartal die Finanzmärkte wieder in ihren Bann gezogen und ihre Dominanz über die Wirtschaft gesichert“, schreibt die Weltbank in einem am Montag erschienenen Bericht. Zwischen einzelnen Anlageklassen, Regionen und Sektoren gäbe es nun deutlich mehr Unterschiede als in den vom „Herdentrieb“ gekennzeichneten zurückliegenden Jahren. Die Einflussmöglichkeit der Zentralbanken, darauf zu reagieren, nehme ab.

Der Zufluss von Kapital in deutsche Anleihen bewirkt, dass das Schuldenmachen für die Regierung in Berlin immer lukrativer wird. Wertpapierhändlern und Zinsexperten zufolge tragen dazu auch die angepassten Regeln der Europäischen Zentralbank bei, die es der EZB erlauben, im Zuge ihres Anleihe-Kaufprogramms kurzlaufende Anleihen mit einer stark negativen Verzinsung zu erwerben. Die Folge: Erstmals wurde bei der Auktion einer zweijährigen Bundesanleihe eine Negativ-Rendite von minus 0,92 Prozent erzielt. Das bedeutet, dass Investoren Deutschland fast ein Prozent dafür bezahlen, dem Staat Geld leihen zu dürfen. „Jeder Händler will diese Papiere erwerben, weil er sie der Zentralbank weiterverkaufen will“, erklärt DZ-Bank-Analyst Rene Albrecht. Die Euro-Wächter hatten im Dezember beschlossen, auch Bonds mit einer Laufzeit von einem Jahr zu erwerben und nicht nur solche mit Laufzeiten zwischen zwei und 30 Jahren. Auch für Käufe von Anleihen mit Renditen unter dem sogenannten Einlagenzins von aktuell minus 0,4 Prozent gab der EZB-Rat den Weg frei. Damit hat die Notenbank eine breitere Auswahl. Drohende Engpässe am Markt sollen so verhindert werden. Im Januar wurden dann auch erstmals Bundesanleihen mit Renditen unterhalb des Einlagensatzes in die Bücher genommen. In der vergangenen Woche hatten solche Titel am Markt mit minus 0,964 Prozent bereits so niedrig rentiert wie noch nie. Viele Banken gehen davon aus, dass die Währungshüter bald an das von ihr selbstgesetzte Limit stoßen, das es ihnen verbietet, mehr als 33 Prozent der Anleiheschulden eines Euro-Landes zu halten.

„Das Fazit lautet, dass der EZB die zu kaufenden deutschen Anleihen ausgehen und dass das Programm an seine Grenze stößt“, so Kim Liu vom Bankhaus ABN Amro. Sollte die Bundesbank in dem Umfang weiterkaufen wie bisher, könnten die Grenzen bereits im Juni erreicht werden. Allerdings hat der Bund signalisiert, bei Bedarf zusätzliche Anleihen auszugeben, um Verwerfungen an der Börse zu verhindern. Die EZB kauft seit März 2015 Staatsanleihen der Euro-Länder. Zuletzt wurde das Programm im Dezember verlängert und soll jetzt bis Ende 2017 laufen. Dadurch steigt das Gesamtvolumen inklusive anderer Wertpapiere wie Regionalbonds oder Firmenanleihen um 540 Milliarden auf 2,28 Billionen Euro.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...