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Gegen Russland: EU favorisiert neue Erdgas-Pipeline aus Israel

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10.04.2017 01:04
Lesezeit: 4 min

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Die EU-Kommission, Israel und drei weitere EU-Staaten haben sich für den Bau einer Erdgas-Pipeline ausgesprochen. Diese wird bewusst als Alternative zur russisch-deutschen Nord Stream 2-Pipeline in der Ostsee ins Gespräch gebracht. Die EU hat überraschend erklärt, dass sie das Projekt  „East Med“ für das für die EU am besten geeignete hält. Damit schwinden die Chancen auf Nord Stream 2, das in der EU nur von Deutschland und Österreich gewollt wird.

Die EU-Kommission und Israel sowie die drei EU-Staaten Italien, Griechenland und Zypern haben sich für den Bau der Pipeline ausgesprochen, um Erdgas nach Europa zu bringen, berichtet der EUObserver. Zu diesem Zweck haben Vertreter der betroffenen Unternehmen und Regierungen am vergangenen Montag eine Vereinbarung in Tel Aviv unterzeichnet. Die Planungen sehen vor, Gas aus israelischen und zypriotischen Feldern im Mittelmeer nach Griechenland und Italien zu bringen. Dazu soll im Mittelmeer eine Pipeline gebaut werden, die nicht durch türkische Gewässer verläuft, um mögliche politische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der israelische Energieminister Yuval Steinitz sagte bei der Vorstellung des Projekts in Tel Aviv, dass die Pipeline bei 2025 fertiggestellt sein solle, wenn möglich sogar schneller.

Die 2.200 Kilometer lange „East Med“-Pipeline soll im Jahr 2025 betriebsbereit sein und eine jährliche Kapazität von 16 Milliarden Kubikmetern Erdgas haben. Eine von der EU mitfinanzierte Studie der italienisch-griechisch-bulgarischen Firma IGI Poseidon sprach sich kürzlich für das Projekt aus. Die Firma ist führend an dem Projekt beteiligt.

Die Geografie erklärt das aktuelle geopolitische Interesse an Nordafrika: Die Grafiken der im Energiegeschäft tätigen Investment-Firma Pytheas zeigen, dass nördlich von Libyen und Ägypten Gas- und Ölvorkommen ausgebeutet werden könnten, die dann mit der „East Med“ in die EU gebracht würden. In Libyen kämpfen Russen und Amerikaner um die Vorherrschaft, um die Kontrolle über das Öl und Gas im Land zu erringen. 

Das Projekt wird offensiv als Alternative zur geplanten russisch-deutschen Nord Stream 2-Pipeline präsentiert, wodurch es geopolitisch aufgeladen wird. EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete sagte wörtlich: „North Stream ist eine Pipeline, die der Versorgungssicherheit der EU nichts hinzufügt.“ Canete ließ durchklingen, dass Russland als unsicherer Partner angesehen werde. Dagegen seien „Zypern und Israel sehr verlässliche Partner. Die Strategie der Kommission besteht darin, die Quellen, Routen und Lieferanten zu diversifizieren.“

Mit Blick auf den Widerstand, den Nord Stream 2 bei den baltischen Staaten und Polen hervorgerufen hat, lobte Canete das Israel-Projekt. „Es ist eine Pipeline, die vereint, und die die Unterstützung aller EU-Staaten haben wird.“ Polens Regierungschefin Beata Szydlo hat beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Warschau die Pläne scharf kritisiert. Es sei nicht akzeptabel, dass die Investitionen in das Projekt fortgesetzt würden, sagte Szydlo nach einem Treffen mit Merkel.

Bei Nord Stream 2 ist Gazprom – Russlands größtes Gas-Unternehmen – formal einziger Anteilseigner. Anfang 2018 soll mit dem Bau einer 1200 Kilometer langen Erdgasleitung begonnen werden, durch die jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas nach Deutschland transportiert werden sollen.

Polen will sich selbst mit einer Pipeline über Norwegen als europäischer Energie-Hub positionieren. 

Die EU-Kommission will die Verhandlungen mit Russland über Nord Stream 2 an sich ziehen. Die EU-Kommission will, dass ihr die Energie- und Wirtschaftsminister der Mitgliedsländer ein Mandat erteilen, um in ihrem Namen über die Pipeline mit Russland zu verhandeln. Eine Kommissionssprecherin sagte Reuters, dass noch kein Zeitplan festgelegt worden sei, wann die Beratungen unter den Ministern aufgenommen würden. Nötig sei eine qualifizierte Mehrheit der Länder, damit die Kommission ein Mandat erhalten könne. Mit den nun für die Israel-Pipeline eintretenden Süd-Staaten, den Balten und Polen könnte es für Deutschland schwierig werden, eine Mehrheit für Nord Stream 2 zu organisieren.

Denn auch in Frankreich hat „East Med“ einen mächtigen Fürsprecher: Der frühere Wirtschaftsminister und aktuelle Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron, hatte sich bereits 2015 für die Pipeline engagiert und sie laut Euro-Fora als „große Chance“ für Europa bezeichnet.

Die neue Linie der EU ist auch ein Rückschlag für die Ambitionen Österreichs: Der Ölkonzern OMV hofft immer noch, bis Jahresende gemeinsam mit seinen westlichen Partnern einen Weg für eine Beteiligung an dem umstrittenen Pipeline-Projekt Nord Stream 2 zu finden. „Wir sprechen schon ziemlich lange und ich werde selber auch ungeduldig“, sagte der Chef des österreichischen Unternehmen, Rainer Seele, der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Pipeline Nord Stream 2 soll Erdgas von Russland durch die Ostsee bis nach Deutschland leiten. Ursprünglich war geplant, dass der russische Energieriese Gazprom und die westlichen Partner – Uniper, die BASF-Tochter Wintershall, Shell, Engie und die OMV – ein Gemeinschaftsunternehmen zum Bau der Röhre gründen. Gazprom sollte 50 Prozent an dem Unternehmen halten, die westlichen Partner jeweils zehn Prozent. Nachdem dieses Vorhaben aber in Polen auf massiven Widerstand stieß, will Gazprom das rund acht Milliarden Euro teure Projekt alleine finanzieren. Die Partner suchen jedoch seit geraumer Zeit nach neuen Möglichkeiten zur Beteiligung. „Es gibt mehrere Optionen“, sagte Seele. In die Karten schauen lassen will sich der OMV-Chef aber nicht. „Als Aktionär oder Eigentümer werde ich dort aber sicherlich nicht mehr einsteigen können“, schränkte er lediglich ein.

Dass die EU-Kommission dem Projekt kritisch gegenüber steht, bedaure er, so der OMV-Chef. „Was ich sehe ist, dass man versucht ein Pipeline-Projekt zu politisieren“, sagte Seele. Seiner Ansicht nach sollte die EU-Kommission eigentlich investitionsfreundliche Rahmenbedingungen setzten und nicht Projekte verhindern. Der OMV-Chef geht aber dennoch davon aus, dass der Zeitplan eingehalten werden könne. Geplant ist, dass Nord Stream 2 Ende 2019 ihren Betrieb aufnehmen soll. Die OMV unterstütze das Projekt, weil Europa einen zusätzlichen Importbedarf von Erdgas haben werde und dafür zusätzliche Infrastruktur benötigt werde. Zudem erwartet der OMV-Chef, dass das Projekt wirtschaftlich attraktiv sei.

Wie der EUObserver berichtet, existieren allerdings auch zwischen der EU und Israel potentielle politische Spannungsfelder. Vor allem der Konflikt mit den Palästinensern hat in der Vergangenheit immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Seiten geführt. In der vergangenen Woche hatte der EU-Botschafter in Israel, Lars Faaborg-Andersen, die Behandlung der Palästinenser scharf kritisiert. Der Siedlungsbau im Westjordanland und die damit „erzwungene Vertreibung“ durch die „Besatzungsmacht“ Israel widerspreche den Beschlüssen der Genfer Konvention. Die Protestnote wurden von allen 28 Mitgliedsstaaten getragen.

Die Finanzierung der „East Med“-Pipeline wollen große US-amerikanische Investmentbanken übernehmen. Goldman Sachs und JP Morgan seien begeistert von dem Projekt im Gesamtumfang von 6 Milliarden Euro, sagte Israels Energieminister Yuval Steinitz. „Als sie hörten, dass der EU-Energiekommissar das Projekt unterstützt und bereit ist, es zu begleiten, war dies für sie sehr hilfreich.“ Als Projektentwickler mit an Bord ist unter anderem die aus Texas stammende Nobel Energy, die erst im Januar Mittel von 3 Milliarden Dollar für das Projekt bewilligt hatte.

Die italienische Regierung arbeitet zudem daran, dass die G7-Staaten ganz formell an dem Projekt beteiligt werden. Zu diesen gehören die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Japan, Kanada und Italien.

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