Politik

Panik und Bankrun: Wie eine Immobilien-Blase platzt

Panik und Bankrun: Wie eine Immobilien-Blase platzt.
04.05.2017 02:28
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In Kanada ist das Platzen einer Immobilienpreis-Blase zu beobachten, die sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Der Fall zeigt exemplarisch, was passiert, wenn die Anleger das Vertrauen verlieren. Dann kann es sehr schnell gehen - und die Handlungsmöglichkeiten sind für alle Beteiligten ziemlich eingeschränkt.

Der Auslöser für die Krise könnte die Pleite des Immobilienfinanziers Home Capital Group sein, welche in den vergangenen Tagen in den Bereich des Möglichen rückte. Inzwischen droht ein weiterer Hypothekenanbieter des Landes in den Abwärtsstrudel gerissen zu werden.

Home Capital leidet an einem Bankrun Besorgnis erregenden Ausmaßes. Kunden des Immobilienfinanziers hatten in den vergangenen Tagen rund 80 Prozent aller Einlagen von ihren Konten abgezogen, nachdem das Unternehmen eine Gewinnwarnung veröffentlichte. Am 28. April lagen die Reserven noch bei etwa 2 Milliarden kanadischen Dollar (rund 1,34 Milliarden Euro). Wenige Tage später, am 1. Mai, betrugen die Einlagen der Kunden schließlich nur noch 391 Millionen kanadische Dollar (etwa 262 Millionen Euro). Die Finanzmarktaufsicht des kanadischen Bundesstaates Ontario hatte Home Capital und dessen Gründer Gerald Soloway im vergangenen Monat vorgeworfen, Investoren getäuscht und Finanzmarktgesetze gebrochen zu haben. Bereits im Jahr 2014 ergab eine interne Untersuchung des Unternehmens, dass 45 Mitarbeiter Einkommenserklärungen von Kunden gefälscht hatten.

Der Aktienkurs des Unternehmens ist nach Bekanntwerden der Vorgänge am vergangenen Mittwoch um ganze 67 Prozent von 17 kanadischen Dollar auf 5,99 kanadische Dollar eingebrochen. Derzeit notiert die Aktie an der Börse von Toronto bei 6,96 kanadischen Dollar. Noch Anfang April mussten über 25 kanadischen Dollar für Anteilsscheine des Unternehmens bezahlt werden.

Um einen Bankrott abzuwenden, hat Home Capital mit einem Pensionsfonds des kanadischen Bundesstaates Ontario, dem Healthcare of Ontario Pension Plan, eine Kreditlinie über 2 Milliarden kanadischen Dollar vereinbart. Dies erstaunt, weil ein Pensionsfonds „sensibles“ Kapital in Form von künftigen Pensionszahlungen für eine große Anzahl Bürger verwaltet und das einbezahlte Geld in eher risikoarme Investitionen anlegen sollte. Wie instabil die Rentensysteme in den entwickelten Industrienationen des Westens geworden sind, zeigt sind in den benachbarten USA: Hier bahnt sich eine handfeste Rentenkrise an.

Offenbar erhält der Ontario Pension Plan für die erste Hälfte der 2-Milliarden-Kreditlinie Zinsen in Höhe von 22,5 Prozent von Home Capital – was eine beträchtliche zusätzliche Belastung für das Unternehmen darstellt.

Die finanziellen Zusagen des Ontario-Pensionsfonds scheinen die Situation fürs Erste zwar beruhigt zu haben, es droht aber schon bald neues Ungemach, weil Home Capital in den nächsten zwei Monaten Anleihen im Gesamtumfang von etwa 12,8 Milliarden US-Dollar zurückzahlen muss, berichtet der Finanzblog Zerohedge. So wird am 24. Mai eine Anleihe im Umfang von 325 Millionen kanadischen Dollar (etwa 218 Millionen Euro) fällig, die zu 2,35 Prozent verzinst werden muss.

Die Regierung beobachtet die Vorgänge um Home Capital genau. Finanzminister Bill Morneau sagte, dass man die Entwicklungen „sehr genau“ verfolgt. „Ich war froh zu sehen, dass die Finanzierungsprobleme von Home Capital von Marktteilnehmern gelöst wurden. Was ich in den vergangenen Tagen gesehen habe ist, dass das System funktioniert, wonach Institutionen in Schieflage von anderen Unternehmen geholfen wird.“

Inzwischen droht die Panik jedoch auf eine weitere Immobilienfirma überzugreifen. Equitable Group gab am Montag bekannt, dass es eine Kreditlinie mit kanadischen Banken vereinbart habe um einen möglicherweise beginnenden Bankrun zu verhindern. Man habe eine „verstärkte aber beherrschbare“ Verringerung der Kundeneinlagen registriert. Den Angaben von Equitable zufolge hätten Kunden zwischen Mittwoch und Freitag täglich etwa 75 Millionen kanadische Dollar (rund 50 Millionen Euro) abgehoben – etwa 2,4 Prozent der gesamten Einlagesumme. Die liquiden Einlagen würden nach den Abflüssen nun noch etwa 1 Milliarde kanadische Dollar (671 Millionen Euro) betragen. Die Konditionen der Kreditlinie von Equitable sind angeblich viel attraktiver als jene von Home Capital Group. Das Unternehmen zahlt Bloomberg zufolge 1,25 Prozent Zinsen auf die abgerufenen Beträge und zusätzliche Gebühren von insgesamt weiteren 1,25 Prozent.

Der kanadische Immobilienmarkt gilt als stark überhitzt. Dies geht unter anderem aus einer Studie der französischen Großbank BNP Paribas hervor, welche das verfügbare Haushaltseinkommen und die Preise für Wohneigentum in 21 Ländern in den vergangenen 40 Jahren miteinander verglichen hat. Daraus geht hervor, dass die Erschwinglichkeit von Wohneigentum in Kanada sehr gering ist. In den vergangenen fünf Jahren stiegen die Hauspreise bezogen auf das durchschnittliche verfügbare Einkommen der Bürger um fast 20 Prozent. Nur Neuseeland, Australien und Luxemburg verzeichneten höhere Preisanstiege. Laut BNP ist auch Großbritannien durchaus gefährdet, während die Franzosen die Lage in Deutschland als stabil einschätzen: Hier sei demnach von einer Überhitzung noch nichts zu bemerken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...