Politik

Sparguthaben: Wertverlust über langen Zeitraum zeichnet sich ab

Signale aus dem Bondmarkt deuten darauf hin, dass sich Investoren auf eine lange Periode der Null- und Niedrigzinsen einstellen.
11.05.2017 16:22
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die EZB wird laut Vizechef Vitor Constancio in wenigen Monaten ihren künftigen geldpolitischen Kurs abstecken. "Wir sind bis Dezember explizit auf eine Politik festgelegt. Das bedeutet automatisch auch, dass wir im Herbst über das weitere Vorgehen entscheiden müssen", sagte der Portugiese zu Reuters am Donnerstag am Rande einer EZB-Finanzkonferenz in Frankfurt. Die Europäische Zentralbank plant noch bis mindestens Dezember Wertpapiere im Umfang von 60 Milliarden Euro pro Monat anzukaufen, um damit die Wirtschaft anzukurbeln. An den Märkten wird darüber spekuliert, dass sie ab Januar 2018 damit beginnen wird, diese Summe abzuschmelzen und 2018 eine Abkehr von der Nullzinspolitik einzuleiten.

Wolfgang Schäubles Erwartungen, dass die EZB ihre Zinspolitik schon bald ändern werde, erweisen sich vor dem Hintergrund der jüngsten EZB-Aussagen als Wahlkampfparolen, um die Sparer zu beruhigen.

Constancio betonte, dass die Notenbank geldpolitisch nichts überstürzen werde und lieber auf Nummer sichergehe: "Es ist weniger riskant, länger eine lockere Linie zu fahren, als den geldpolitischen Impuls vorzeitig zu entziehen." Bei der Inflation müsse die Notenbank sicher sein, dass der Preisauftrieb nachhaltig sei. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. EZB-Präsident Mario Draghi hatte jüngst betont, trotz aufgehellter Konjunkturperspektiven und abnehmender Risiken sei weiter ein "sehr substanzieller" Konjunkturimpuls nötig. Das gesamte EZB-Kaufprogramm, das neben Staatsanleihen weitere Titel wie Firmenbonds und Pfandbriefe umfasst, soll bis Ende Dezember eine Größenordnung von 2,28 Billionen Euro erreichen.

Tatsächlich mehren sich die Zweifel, dass die EZB überhaupt aus dem System der Null- und Niedrigzinsen aussteigen kann, ohne einen echten Crash zu produzieren. Ein Indiz, dass man auch an den Märkten nicht mit einer Zinswende rechnet, gibt der Bond-Markt für langfristige Staatsanleihen. Marcus Ashworth von Bloomberg berichtet, dass die Franzosen nach dem Sieg von Emmanuel Macron eine 30-jährige Staatsanleihe begeben wollen. Auch die Italiener und Belgien sollen langfristige Bonds auflegen wollen. Die Europäische Investment Bank (EIB) hat am Dienstag eine 15-jährige Anleihe begeben. Die Anleihe von drei Milliarden Euro war mit neun Milliarden Euro überzeichnet. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump war das Interesse an langfristigen Bonds abgeflaut, die Aktienmärkte boomten. Bill Blain von Mint sieht in der Entwicklung ein Indiz, dass etwas faul ist im europäischen Anlagemarkt: Denn wenn die Ankündigungen der Erholung stimmen und die jüngsten politischen Ergebnisse in Frankreich und in den Niederlanden wirklich Entspannung gebracht hätten, würden Investoren mehr Risiko nehmen, anstatt sich in langfristigen Niedrigzinspapieren zu positionieren.

Die Rückkehr der langfristigen Investoren ist ein Hinweis, dass Sicherheit eine Rolle spielt und die Inflationserwartungen niedrig sind. Zugleich signalisiert die Entwicklung, dass die Investoren mit einer sehr lange Phase der Niedrig- und Nullzinsen rechnen.

Damit werden die Sparguthaben langfristig entwertet, sofern sich die Sparer nicht zu hochriskanten Investments entschließen. Die deutschen Sparer müssen sich also möglicherweise, wenn sie nicht ins Risiko gehen wollen, auf eine lange Periode mit empfindlichen Verlusten einstellen. Die einzige Methode ist der Gang ins Anlage-Casino, ein Schritt, der sich vor allem im Hinblick auf die Altersvorsorge nicht empfiehlt.

Zusätzlich zu den Verlusten wegen der Geldpolitik müssen sich die Sparer auf eine vom IWF vorgeschlagene neue Vermögenssteuer einstellen. Diese ist zwar noch nicht beschlossen. Außerdem müssen die Sparer mit weiteren Gebührenerhöhungen der Banken rechnen, so jedenfalls die Bafin. Daher gebietet es die Vorsicht, zusätzliche Rücklagen zu bilden. Wo man diese allerdings angesichts der niedrigen Zinsen anlegen soll, ohne weiter zu verlieren, kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht beurteilt werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis bleibt hinter Gold zurück – kommt jetzt die Aufholjagd?
14.05.2025

Während Gold auf neue Rekorde zusteuert, bleibt Silber deutlich zurück. Doch gerade diese Differenz könnte Anlegern eine historische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ölpreis im Höhenflug – doch der Absturz könnte unmittelbar bevorstehen
14.05.2025

Nach dem Zoll-Deal zwischen China und den USA explodieren die Ölpreise – doch Experten warnen: Die Euphorie könnte schon bald...

DWN
Panorama
Panorama Mobiles Arbeiten: Wie Sie Ihren Chef vom Landleben überzeugen
14.05.2025

Viele träumen vom Leben auf dem Land – Ruhe, Natur, bezahlbarer Wohnraum. Doch bevor aus der Sehnsucht Realität wird, braucht es etwas...

DWN
Finanzen
Finanzen Buffetts Abgang, Zölle, Milliardenflucht: Steht der Markt vor einem Wendepunkt?
13.05.2025

Turbulente Zeiten an der Wall Street: Während Großinvestoren Milliarden abziehen und Strategen vor dem Ende des Booms warnen, stürmen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lateinamerika im Fokus: Chinas Milliardenoffensive gegen Washingtons Einfluss
13.05.2025

Chinas Regierung sucht neue Verbündete – nicht aus Not, sondern mit Strategie. Während die USA auf Konfrontation setzen, stärkt Peking...

DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelskrieg mit Ansage: Warum Europas Vergeltung Washington teuer zu stehen kommen könnte
13.05.2025

Die EU zieht die Reißleine: Mit einem neuen Maßnahmenpaket über 95 Milliarden Euro kontert Brüssel die US-Strafzölle – und trifft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Munich Re: Milliardenschaden durch Waldbrände in Kalifornien
13.05.2025

Flammen wüten immer wieder durch Kalifornien – und hinterlassen nicht nur verkohlte Wälder, sondern auch tiefe Spuren in den Bilanzen...