Politik

EU will Krise mit stärkerer Euro-Integration überwinden

Die EU strebt zur Überwindung der Krise eine signifikante Integration im Euro-Raum an. Die Kommission ist der Auffassung, dass der Status Quo nicht haltbar sei.
31.05.2017 17:21
Lesezeit: 3 min

Die EU-Kommission hat weitreichende Pläne zur Integration der Euro-Zone vorgestellt:

"Die in dem Reflexionspapier vorgestellten Optionen sollen zur Herstellung eines breiten Konsenses über den Umgang mit den anstehenden Herausforderungen beitragen und dieser wichtigen Debatte eine neue Dynamik verleihen.

Für das weitere Vorangehen wären Maßnahmen in drei zentralen Bereichen erforderlich:

Die Vollendung einer echten Finanzunion

Ein integriertes und gut funktionierendes Finanzsystem ist für eine wirksame und stabile Wirtschafts-und Währungsunion von entscheidender Bedeutung. Aufbauend auf den in den letzten Jahren bereits erzielten Fortschritten bedarf es nun einer Einigung über den künftigen Kurs. Eine solche Einigung sollte sich auf Elemente erstrecken, die bereits vorgeschlagen wurden, als auch zusätzliche Schritte umfassen, die bis 2025 unternommen werden sollen. Dazu zählen die Vollendung der Bankenunion, Fortschritte bei der Eindämmung und gemeinsamen Abfederung von Risiken im Bankensektor und Maßnahmen, die die Krisenfestigkeit der Banken weiter stärken. Um der Realwirtschaft vielfältigere und innovative Finanzierungsmöglichkeiten auch über die Kapitalmärkte zu eröffnen, muss ferner die Kapitalmarktunion vorangebracht werden.

Eine stärker integrierte Wirtschafts- und Fiskalunion

Bereits im Bericht der fünf Präsidenten wird anerkannt, dass die Konvergenz hin zu widerstandsfähigeren wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in den Mitgliedstaaten ein wesentliches Element für den langfristigen Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion ist. Die Mitgliedstaaten könnten bereits bestehende Strukturen wie das Europäische Semester der wirtschaftspolitischen Koordinierung oder die Verknüpfung von finanzieller Unterstützung aus dem EU-Haushalt mit Strukturreformen stärken. Sie könnten auch festlegen, die Kapazität zur makroökonomischen Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets zu verbessern. In dem Papier werden dazu verschiedene Optionen erörtert, die die Kommission näher prüfen wird.

Die Verankerung demokratischer Rechenschaftspflicht und die Stärkung der Institutionen des Euroraums

Eine stärkere Wirtschafts- und Währungsunion lässt sich nur erreichen, wenn die Mitgliedstaaten bereit sind, in Angelegenheiten des Euro-Währungsgebiets innerhalb eines gemeinsamen Rechtsrahmens mehr Verantwortung zu teilen und mehr Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Dafür könnten sie auf die EU-Verträge und -Institutionen zurückgreifen, einen zwischenstaatlichen Ansatz verfolgen oder beide Ansätze miteinander kombinieren, wie dies gegenwärtig der Fall ist. Die weitere politische Integration könnte dazu führen, die Kompetenzverteilung zwischen der Kommission und der Euro-Gruppe zu überdenken. Außerdem könnte sie die Ernennung eines ständigen hauptamtlichen Vorsitzes und die Vereinheitlichung der Außenvertretung des Euro Währungsgebiets rechtfertigen. Die Idee eines Schatzamts für den Euroraum – verbunden möglicherweise mit einem eigenen Haushalt für den Euroraum – und eines Europäischen Währungsfonds ist Gegenstand öffentlicher Debatten. Diese Vorstellungen könnten in einer späteren Phase der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion innerhalb des EU-Rahmens aufgegriffen werden."

Die Vorschläge entsprechen dem, was bereits zuvor durchgesickert war.

Martin Trauth von der AFP analysiert die Vorschläge der EU-Kommission zur Vertiefung der Währungsunion:

Ideensammlung statt Wunschliste zur Zukunft des Euro: Die EU-Kommission hat Vorschläge für die Vertiefung und Vollendung der Währungsunion bis zum Jahr 2025 zusammengestellt, die sie am Mittwoch in einem 40-seitigen Bericht veröffentlicht hat. Sie reichen von einem EU-Finanzminister über einen eigenen Haushalt der Währungsunion bis zu gemeinsamen Anleihen der Euro-Länder. Was tatsächlich davon kommt, sollen nun die Mitgliedstaaten ausdiskutieren.

Der für den Euro zuständige Vize-Präsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, forderte von den Regierungen "den politischen Mut", die Währungsunion zu vertiefen und zu vollenden. Europa dürfe "nicht auf eine weitere Krise warten", um die Reform 15 Jahre nach Einführung des Euro-Bargeldes anzugehen.

"Der Status quo ist keine Option", sagte Währungskommissar Pierre Moscovici. Im Kampf gegen den "Populismus" sei der Ausbau der Währungsunion ein Mittel, das wirtschaftliche und soziale Gefälle in der Eurozone zu beseitigen. Hier müsse Europa nun "in die Offensive gehen".

Grundsätzlich will Brüssel in zwei Schritten vorgehen: Bis zu den Europawahlen 2019 sollen bestehende Vorhaben wie die Bankenunion möglichst vollendet werden. Bis 2025 soll dann "die Architektur" der Währungsunion überarbeitet werden.

Vorsichtig bleibt die Kommission angesichts des traditionellen deutschen Widerstands bei der Vergemeinschaftung von Schulden. Das Wort "Eurobonds" kommt in dem Bericht nicht vor. Er bringt jedoch eine "europäische sichere Anlage" als Gegenstück zu US-Staatsanleihen ins Gespräch. Moscovici stellte klar, eine Vergemeinschaftung von Schulden sei damit nicht geplant. Im Bericht steht dahinter eher ein Fragezeichen.

Auch der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagene Europäische Währungsfonds wird in dem Bericht erwähnt. Ausführlicher sind allerdings die Ausführungen zu einem eigenen europäischen Schatzamt - eine Art Super-Finanzministerium, das auch die Haushaltsüberwachung der Mitgliedstaaten übernimmt. Moscovici sagte auf die Frage, ob dies Eingriffsrechte in nationale Haushaltsrechte bedeute, er wolle der Diskussion nicht vorgreifen. "Der Instrumentenkasten ist da."

Verhindern will die Kommission eine Währungsunion der zwei Geschwindigkeiten, bei der einige Länder schneller ihre Beziehungen vertiefen als andere. Gleichzeitig soll die Währungsunion für alle EU-Mitgliedstaaten offenbleiben.

Der Gemeinschaftswährung gehören bisher 19 EU-Staaten an, rund 340 Millionen europäische Bürger nutzen den Euro als Zahlungsmittel. Die Mitgliedsländer der Währungsunion haben über die Europäische Zentralbank (EZB) eine gemeinsame Zinspolitik und einheitliche Obergrenzen für Haushaltsdefizite und Verschuldung.

Alle Nicht-Euro-Staaten außer Großbritannien und Dänemark sind grundsätzlich verpflichtet, früher oder später dem Euro beizutreten - eine Frist dafür gibt es allerdings nicht. Moscovici sagte, die Kommission wolle hier keinen Druck auf Nicht-Mitglieder ausüben. Es gehe vielmehr darum, den Beitritt zum Euro "attraktiver zu machen".

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