Finanzen

Kapitalflucht: Währungsreserven von Saudi-Arabien schmelzen dahin

Beobachter wurden im April von einem Rückgang der Währungsreserven Saudi-Arabiens überrascht.
10.06.2017 01:23
Lesezeit: 2 min

Die Fremdwährungsreserven Saudi-Arabiens sind im April für die meisten Beobachter überraschend deutlich zurückgegangen. Im Vergleich zum Vormonat März kam es zu einem Rückgang von 8,5 Milliarden US-Dollar auf insgesamt 493 Milliarden US-Dollar. Damit wurde zum ersten Mal seit dem Jahr 2011 die Marke von 500 Milliarden Dollar nach unten durchbrochen. 2014, zu Beginn des Verfalls der Rohölpreise, hatten die Reserven noch ein Allzeithoch von 730 Milliarden Dollar erreicht. Seit Beginn des Jahres sind die Devisenreserven um rund 36 Milliarden Dollar gesunken.

Die meisten von Bloomberg befragten Beobachter rätseln über die Gründe für den Rückgang. Dieser erstaunt nicht zuletzt, weil das Königreich im April erstmals rund 9 Milliarden Dollar durch die Ausgabe einer Islam-konformen Anleihe („Sukuk“) einnehmen konnte. „Ich sehe keinen wirklichen Grund für einen solch großen Rückgang bei den Reserven, besonders wenn man den Verkauf der Sukuk-Anleihe berücksichtigt. Selbst wenn die Anleihe-Einnahmen herausgerechnet werden, bleibt der Rückgang beträchtlich“, wird der in Kairo stationierte Analyst Mohammed Abu Bascha vom Analyseunternehmens EFG Hermes zitiert. Zudem scheint es keine Erhöhung der staatlichen Ausgaben im entsprechenden Zeitraum gegeben zu haben.

Einige Beobachter vermuten deshalb, dass das fortgesetzte Abschmelzen der Reserven auf den kostspieligen Krieg im Nachbarland Jemen zurückgeht. Riad führt dort eine Allianz sunnitischer Staaten gegen die schiitischen Huthi-Milizen an. Möglich sei auch, dass sich Saudi-Arabien mit einer Kapitalflucht konfrontiert sieht.

Ein hohes Risiko für die finanzielle Stabilität des Landes stellt die Entwicklung des Ölpreises dar. Sollten die Notierungen weiter fallen, wird sich die Haushaltslage weiter verschärfen. Die saudische Regierung begrüßte den 2014 einsetzenden deutlichen Verfall der Preise, weil dieser den Aufstieg der US-amerikanischen – damals noch sehr kostensensiblen – Erdölproduzenten stoppte. Nachdem die niedrigen Preise den Haushalt Saudi-Arabiens schwer in Mitleidenschaft gezogen hatten, revidierte die Führung in Riad ihre Strategie, schreibt der Finanzblog Zerohedge. Nun hoffe man auf eine Erholung der Preise, auch wenn man dadurch Marktanteile an die Amerikaner abgeben müsse.

Obwohl die von den Opec-Staaten und anderen Ländern getroffene Abmachung zu Förderkürzungen kürzlich um weitere neun Monate verlängert wurde, bleibt ein erneutes Absacken der Ölpreise weiterhin denkbar. Vor allem die steigenden Fördermengen der US-Produzenten dürften dazu führen, dass das globale Erdölüberangebot weiter auf die Preise drückt.

Ein niedriger Ölpreis würde den geplanten Teil-Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco jedoch verkomplizieren – ebenfalls eine Maßnahme, mit der die Regierung die schwindenden Einnahmen ausgleichen möchte. Denn je höher der Ölpreis liegt, desto höher kann Aramco bewertet werden. Schon jetzt versuchen die Saudis mit allen  Mitteln, den Preis in die Höhe zu treiben.

Das Land versucht derzeit, die heimische Wirtschaft neu auszurichten und insbesondere die traditionell hohe Abhängigkeit von den Öleinnahmen zurückzuschrauben. Die damit verbundenen Einsparungen wirken sich negativ auf die Wirtschaftskraft des Landes aus. Für das laufende Jahr rechnen Analysten mit einem Wirtschaftswachstum von nur 0,6 Prozent nach etwa 1,1 Prozent im Jahr 2016.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Turbojet-Drohne: Polen präsentiert universelle Technologieplattform
06.09.2025

Polen präsentiert die Turbojet-Drohne – eine universelle Technologieplattform für Militär und Zivil. Für Deutschland stellt sich die...

DWN
Panorama
Panorama Boot kaufen: Was Sie dabei unbedingt beachten sollten
06.09.2025

Mit einer frischen Meeresbrise im Gesicht das eigene Boot über die Wellen zu steuern, ist für viele Menschen ein Traum – doch dieser...

DWN
Immobilien
Immobilien Indexmiete: Eine gute Wahl?
06.09.2025

Wenn Mieter einen neuen Vertrag unterschreiben, fällt ihnen vielleicht ein ganz spezielles Wort im der Vertragsüberschrift auf: der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grönländischer Schlamm: Vom Zufallsfund zum Milliardenprojekt
06.09.2025

Grönländischer Schlamm soll Ernten steigern und CO2 binden. Investoren wittern Milliardenpotenzial – und Deutschland könnte davon...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verarbeitete Lebensmittel: Wie Konzerne Gesundheitsrisiken herunterspielen
06.09.2025

Coca-Cola, Kraft und Mondelez gewinnen einen Prozess zu verarbeiteten Lebensmitteln. Doch Studien zeigen deutliche Gesundheitsgefahren –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland und China üben Druck aus – NASA plant Mond-Reaktor bis 2030
06.09.2025

Die NASA will bis 2030 einen Mond-Reaktor bauen – im Wettlauf mit China und Russland. Hinter der Technik stehen geopolitische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strengere Homeoffice-Regeln: Eine Bank geht den entgegengesetzten Weg
06.09.2025

Während viele Banken strengere Homeoffice-Regeln einführen, setzt eine Bank auf maximale Flexibilität – ein Modell, das auch für...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Zeigt her eure Schuhe! Wie die Heute Maschinenfabrik im 21. Jahrhundert erfolgreich bleibt
05.09.2025

Die Schuhputzgeräte der Heute Maschinenfabrik mit rotierenden Bürsten sind weltweit im Einsatz. Im Laufe der über 100jährigen...